Big Bang Love, Juvenile A
- Regie:
- Takashi Miike
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Drama
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- 46-okunen no koi
1 Review(s)
08.09.2007 | 06:08Hintergrund
Was erwartet man von Takashi Miike? Yakuza-Gewalt, grafische Exzesse und Blut - viel Blut. Doch hinter den bekannten Genrefilmen steckt ein breites und reichhaltiges Portfolio. In seinem Schaffen hat Miike weit über 100 Filme gedreht. Alleine im Jahr 2006 waren es sechs (!).
Dass sich schon alleine aus der schieren Anzahl eine gewisse Bandbreite ergibt, sollte klar sein. So zeigt sich bei einem genaueren Blick, dass neben "Ichi the Killer" auch Dramen ("The Bird People in China") und sogar Kinderfilme ("Krieg der Dämonen") zu seiner Palette an Werken gehören.
"Big Bang Love, Juvenile A" fügt sich in diese wirre Palette ein: Der neue Miike ist ein Arthouse-Film geworden!
Handlung
In einem weit entfernten Gefängnis, zu einer Zeit, nicht ungleich 2005, treffen zwei junge Mörder aufeinander. Der schüchterne Jun (Ryuhei Matsuda) ist umgehend vom wilden, aggressiven Shiro (Masanobu Ando) fasziniert. Zwischen den beiden entsteht eine tiefe Freundschaft, die bald die Grenzen zur Liebe durchbricht.
In dieser rauen und unwirklichen Welt, zwischen einer großen Weltraumrakete und einem riesigen Mayatempel, hat diese Liebe aber keine Chance.
Kurze Zeit später ist Shiro tot. Jun will der Täter gewesen sein. Es ist nun an den Ermittlern, die wahren Umstände dieses eigenartigen Mordes zu ergründen.
Kritik
Takashi Miike war schon für die eine oder andere Überraschung gut. "Big Bang Love, Juvenile A" ist aber ein für sein Schaffen sehr ungewohntes Kaliber. War Miike bisher eher für Gewaltfilme verschrien, liefert er hier einen Arthousefilm mit leichtem Tsukamoto-Einschlag ab.
Bunte, unwirkliche Bilder, ein wirrer, asynchroner Schnitt, Wiederholungen, Einblendungen und Überblendungen sprechen eine eindeutige Sprache. Zudem ist die Handlung (soweit man sie so nennen will) sehr eigen ausgefallen, was in seiner Gesamtheit dazu führt, dass es dem Zuschauer schwer fällt, dem Reigen zu folgen.
Der kryptische Titel macht da bereits einen Anfang. Wer "Juvenile A" und was der "Big Bang" ist, bleibt der Film bis zum Ende schuldig. Der Originaltitel ist mit "46-okunen no koi" ("Eine Liebe von 4,6 Milliarden Jahren") nicht weniger mysteriös.
Es wirkt, als wolle Miike gar nicht, dass der Zuschauer seinem Werk folgen kann. Schon zu Beginn fragt man sich nach dem Zusammenhang, nach dem Warum und dem Wieso. Drei Generationen an Männern stehen vor einem einfarbigen Hintergrund, philosophische Reden werden geschwungen. Kurz drauf folgt eine rhythmische Tanzeinlage, die direkt aus Tsukamotos "Vital" übernommen zu sein scheint. Kurz drauf befindet man sich auch schon im Gefängnis, dem eigentlichen Handlungsort.
Nach und nach und in sehr gemächlichen Tempo werden die Charaktere vorgestellt, ohne sie dem Zuschauer wirklich näherzubringen. Sie wirken vielmehr wie emotionale Stellvertreter, Platzhalter für die philosophischen Aussagen, Vehikel zum Transport von Miikes persönlicher Botschaft. Ihre Hintergründe werden in Rückblenden erzählt, die immer mal wieder (im Zuge der Ermittlungen) eingestreut werden.
Der eigentliche Mordfall wird in einer Ellipse erzählt. Das weitere Geschehen zieht somit einen Kreis, der hinter dem zentralen Ereignis steht. Dieses Zentrale Ereignis (der Mord an Shiro) rückt jedoch im Verlauf weiter und weiter in die Ferne, um anderen Dingen Platz zu machen. Transzendale Wünsche, buddhistische Philosophie und der Kampf um die eigene Sexualität bilden das Rückgrat von "Big Bang Love, Juvenile A".
Die vielerorts beworbene homosexuellen Thematik spielt jedoch eine weit unbedeutendere Rolle als anfangs vermutet. Sie stellt ein typisches Puzzlestück eines klassischen Whodunits dar, ohne das Thema weiter auszuleuchten. Der Kampf mit der eigenen Vergangenheit und das Verlangen nach Erlösung, das Streben nach dem Höheren bilden die größeren Säulen der Handlung.
Als Zuschauer fällt es in diesem Wust an Handlungsfragmenten schwer, einen konsekutiven Sinn zu finden. Die Charaktere bauen keinerlei Verbindung oder emotionale Bindung zum Zuschauer auf, sie stehen förmlich im Raum. In nahezu jeder Einstellung scheint eine Botschaft versteckt, jedes Bild will seine eigene Geschichte erzählen. Geneigte Zuschauer werden sicherlich ihre
Freude an der Deutung finden, die Allgemeinheit wird an der Kryptik scheitern.
Dennoch gehört "Big Bang Love, Juvenile A" zur Gattung der guten Filme. Miike hat es mit all den Symbolen und den unzähligen philosophischen Ansätzen sicherlich übertrieben, sein Werk weiß aber dennoch zu faszinieren. Seien es die grandiose Optik, die vielen gelungenen Fragmente oder einfach nur die avantgardistische Herangehensweise - sein Film hat einiges zu bieten!
Die DVD
Das Bild (1,85:1) ist gelungen. Die Schärfe stimmt und kommt recht knackig daher, die (größtenteils veränderten) Farben leuchten und der Schwarzwert liegt auch satt. Beim Kontrast muss man Abstriche machen, wobei dieser im Zuge der Bildverfremdung auch häufig verfremdet wurde. In hellen Einstellungen nervt jedoch das mitunter heftige Bildrauschen, was zu Abzügen in der Bewertung führt.
Der Ton liegt lediglich im Original vor, rem hat auf eine Synchronisation verzichtet. Die 5.1-Dolby-Digital-Spur in japanischer Sprache ist nicht schlecht ausgefallen, von der Spitze aber weit entfernt. Das Geschehen spielt sich hauptsächlich auf der Front ab, die hinteren Kanäle werden nahezu gar nicht angesteuert. Der Bass darf während der Prügeleien hingegen ordentlich Druck machen, was gefällt. Leider fehlt es der Tonspur zu jeder Zeit an Dynamik, was man bei der Farbpracht der Bilder aber leicht verschmerzen kann.
Die Extras sind leider wieder recht mager ausgefallen. Neben dem Originaltrailer und der rem-Trailershow befindet sich lediglich ein knapp 15-minütiges Interview mit Regisseur Takashi Miike auf der DVD. Dieses ist zwar gewohnt informativ ausgefallen, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Featurettes fehlen.
Fazit
Miike goes Arthouse! Mit "Big Bang Love, Juvenile A" beweist er einmal mehr, dass man Takashi Miike ALLES zutrauen kann. In bunten Bildern, mit wirrem Schnitt und viel Philosophie erzählt Miike eine Liebesgeschichte rund um einen Mordfall im Gefängnis. Kunstvoll, aber schwer zu folgen, ist "Big Bang Love, Juvenile A" ein harter Brocken für aufmerksame Zuschauer. Wer sich auf avantgardistische Filme einlassen kann, wird mit diesem Film warm werden. Für die DVD-Allgemeinheit ist der neuste Miike aber definitiv zu eigen.
- Redakteur:
- Martin Przegendza