An American Haunting - Der Fluch der Betsy Bell
- Regie:
- Courtney Solomon
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA / GB / Rumänien / Kanada
1 Review(s)
23.08.2007 | 16:58Geisterjagd am Red River
Basierend auf dem Tatsachenroman "The Bell Witch - An American Haunting" von Brent Monahan schuf Regisseur Courtney Solomon einen spannenden Horrorfilm ... Tennessee, 1818. Nach einem erbitterten Streit mit einer als Hexe verschrieenen Bäuerin liegt plötzlich ein Fluch auf der Familie des Farmers John Bell und seiner Frau Lucy. Eine unsichtbare und unbarmherzige Macht dringt in das Leben der braven Sippe ein, malträtiert besonders Familienoberhaupt John und die 14-jährige Tochter Betsy. Mit der Zeit wird der Geist immer mächtiger und aggressiver, die Qualen der Bells steigern sich ...
Filminfos
O-Titel: An American Haunting (USA/GB/Rumänien/Kanada 2005)
Dt. Vertrieb: Splendid (27. Juni 2007
FSK: ab 16
Länge: ca. 92 Min.
Regisseur/Drehbuch/Produktion: Courtney Solomon
Story nach dem Buch "The Bell Witch - An American Haunting" von Brent Monahan
Musik: Caine Davidson
Darsteller: Donald Sutherland (John Bell), Sissy Spacek (Lucy Bell), Rachel Hurd-Wood (Betsy Bell), James d'Arcy (Richard Powell) u. a.
Handlung
Bosston, Massachusetts, die Gegenwart. Die alleinerziehende Elizabeth Powell weckt ihre Tochter Jane aus einem Albtraum, in dem Jane wie wild schreit. Jane fühlt sich verfolgt, flüchtet in ein großes Haus und in ein Zimmer (ihr eigenes), wo plötzlich ein kleines Mädchen mit einem Totenkopf auftaucht ... Elizabeth findet in Janes Zimmer eine alte Puppe mit zerbrochenem Kopf sowie ein altes Manuskript. Beides hat Jane auf dem Dachboden gefunden. Während Elizabeth auf David, den Vater von Jane, wartet, von dem sie getrennt lebt, liest sie das Manuskript. Es stammt von ihrem Vorfahren Richard Powell und ist mit einem Brief aus dem Jahr 1848 versehen ...
Red River, Tennessee, im Jahr 1817. Die 14-jährige Betsy ist der ganze Stolz ihres Vaters John, eines Farmers, der als Wohltäter geachtet ist. Auf der Weihnachtsfeier tanzt Betsy nicht mit ihrem Verehrer Joshua, sondern mit ihrem Lehrer, Professor Richard Powell. Obwohl John Bell dies offenbar unschicklich findet (warum auch immer), scheint Powell doch viel für Betsy übrig zu haben (die er viel später heiraten wird). In der Nacht hören John und Lucy seltsame Geräusche, die offenbar vom Dachboden kommen, doch den Grund finden sie nicht.
Im Dezember 1817 stehen John Bell und die Bäuerin Kate Baths vor Gericht, das in der Kirche abgehalten wird. Als herauskommt, dass Bell Wucherzinsen von seiner Pächterin verlangt hat, wird er bestraft. Das reicht der Bäuerin aber nicht. Sie verwünscht ihn und seine liebreizende Tochter. Im Frühjahr 1818 hat Bell die erste Halluzination: ein schwarzer Wolf scheint ihn anzugreifen. Sein Sohn und sein Freund James Johnston sehen den Wolf aber nicht. Doch Betsy hört den Wolf in der gleichen Nacht knurren und ums Haus streifen.
Bald macht sich auch Powell Sorgen um Betsy. Weil sie, wie sie sagt, nicht schlafen kann, döst sie in der Schule, spielt nicht mit, hält sich abseits. Als sie auf einer Schaukel sitzt, sieht sie ein kleines Mädchen auf der Schaukel neben sich. Als sie dessen Hand berührt, färbt es sich schwarz wie eine Leiche und verschwindet. Keines der anderen Kinder hat das Mädchen gesehen.
Wenig später wird Betsy Opfer der ersten Attacke. Die Tür öffnet sich, die Bettdecke wird herabgezogen, etwas packt sie, sie schreit. Doch sicher war es nur ein Traum, oder?, meint Lucy. John ist anderer Ansicht: Sicher steckt die Baths dahinter. Lucy hält ihn davon ab, einen Mord zu begehen. Die bibelfesten Leute beten, dass der Dämon das Haus verlassen möge. Kurz danach wird Betsy in ihrem Zimmer gepackt, über den Boden geschleift, an den Haaren aufgehängt und geohrfeigt. Die Erwachsenen, die hinzukommen, sind entsetzt. Ein Bettkissen explodiert.
Professor Powell, ein Mann der Wissenschaft, versucht die Vorfälle rational zu begründen. Bell zitiert aus dem Protokoll eines Hexenprozesses aus dem Jahr 1599: Das Opfer der Hexe wurde 50 Mal geohrfeigt. Spricht das nicht für die Präsenz des Satans? Genervt erklärt sich Powell bereit, am Wochenende vor Betsys Zimmer zu wachen. Doch wieder erscheint der Geist, ohne sich im geringsten von Powell und Lucy aufhalten zu lassen ...
Hinterher beantwortet der Geist Powells Fragen, bevor er durch ein Fenster nach draußen birst. Insgeheim erhält Betsy eine Botschaft: "Erinnere dich!" Und Bell bemerkt erste Symptome einer Krankheit auf seiner Zunge. Lucy ist entsetzt, als ihr Kate Baths blutige Kleider von John und Betsy schicken lässt. Was hat das Blut zu bedeuten? Ihre Sklavin sagt, das diene der Verhexung der beiden. Wieder trifft Betsy das kleine Mädchen mit der Haube. In einer Höhle spielen sie. Bis Betsy versucht, es zu berühren ...
Nach einer Visitation, deren Zeugin auch Betsys Freundin Thenny wird, fällt Betsy in Katatonie. Niemand darf sie berühren. Bevor die Erwachsenen noch reagieren können, zerrt der Geist die schreiende Betsy die Treppe hinauf. Derart erschüttert ist Powell, dass er auf Auswege sinnt. Da fällt ihm auf, dass der Geist sich nie jenseits des Grundstücks gezeigt hat. Was also, wenn man Betsy in Sicherheit brächte?
Gesagt, getan. Powell und John jr. packen anderntags das ständig schläfrige Mädchen in eine Kutsche und fahren in einem Höllentempo davon, um so weit wie möglich zu kommen, bevor der Geist merkt, dass sein Opfer fort ist. Der Dämon braucht nicht lange, um herauszufinden, was die Menschen vorhaben und rast mit Gedankenschnelle hinter den drei Fliehenden hinterher. Als er sie gefunden hat, nimmt er die Gestalt eines schwarzen Wolfes an ...
Mein Eindruck
Die Geschichte ist klassisch und somit leicht verständlich erzählt. Nachdem die Rahmenhandlung das nun folgende Geschehen als relevant für die Gegenwart gekennzeichnet hat (allein schon durch Elizabeths Verwandtschaft, aber auch die Parallele des Verbrechens an den Mädchen), folgt die Binnenhandlung mit dem Geisterfall der Chronologie der Ereignisse ganz linear. Da ein allwissender Erzähler fehlt und wir nur auf die subjektiven Eindrücke der Figuren angewiesen sind, wissen wir nie mehr als die Figuren und müssen wie sie das Rätsel lösen, bis die schreckliche Wahrheit ans Licht kommt und die Strafe folgt.
~ Der Ermittler ~
Unser Mann vor Ort ist der Autor des Manuskripts, das Elizabeth Powell liest: Richard, der Lehrer. Er ist der Einzige, der nicht vom Geist besucht wird oder Angehöriger der betroffenen Familie Bell ist, kann also als Außenstehender halbwegs objektiv beurteilen, was vor sich geht. Zudem ist er gelehrt und vernünftig, kein Mann der blutigen Tat wie John Bell.
Das ist nicht ganz das gleiche Szenario wie in Tim Burtons famosem Film "Sleepy Hollow", denn Richard weigert sich, seiner lebhaften Zuneigung zu Betsy nachzugeben und sie, wie deren Mutter erbittet, zu heiraten, damit das arme Kind einen Beschützer hat. Doch als alleiniger Heiratsgrund ist Richard dies zu wenig; das ist nachvollziehbar, denn es würde die Liebe zwischen ihm und Betsy minderwertiger machen und auf eine Zweckgemeinschaft herabwürdigen.
~ Kriminalfall ~
Daher bleibt es Lucy überlassen, die Wahrheit herauszufinden. Denn es handelt sich in der Tat um einen Kriminalfall, den es aufzuklären gilt, auch wenn die psychologischen Begleiterscheinungen bei den Betroffenen das Geschehen zu einem echten Horrorfall machen. Man bedenke, dass Betsy die Botschaft "Erinnere dich!" erhält. Sie kann sie durchaus selbst geschrieben haben. Denn zunehmend wird klar, dass vieles, was wir durch die Augen Betsys sehen, Geistreisen sind, die als Albträume abgetan werden.
Die Geistreisen finden im Bewusstsein statt, um das Ich mit einem Gegenüber zu konfrontieren, das ein anderer, verborgener Teil des Ichs ist. Das klingt nach Schizophrenie, dient aber dem Selbstschutz des funktionierenden Ichs, das überleben will. Denn es muss ein schreckliches Geheimnis vor dem Bekanntwerden hüten: vor sich und vor den anderen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf - ein allzu bekannter psychischer Mechanismus.
~ Geisterflug ~
Ein erheblicher Schritt in Richtung Subjektivität ist die "schwebende Kamera", die, obendrein in Schwarzweißbildern, die Flugbewegung des Geistes aus dessen Blickwinkel simuliert. Das ist ein - recht simples - ästhetisches Mittel, das man immer wieder in modernen Horrorfilmen findet, allerdings nie in so langen Kamerafahrten. Bei denen habe ich mich gefragt, wie der Kameramann dies geschafft hat. Hier wurde offenbar viel mit Steadycam gearbeitet.
Die heute am Computer leicht zu bewerkstelligende Beschleunigung von Abläufen (man verringert einfach die Zahl der Frames pro Bild) oder Verlangsamung (man erhöht die Zahl der Frames pro Bild) variiert das Gezeigte und hebt es in den Bereich des Übernatürlichen. Der visuelle Trick mit der Verwandlung des kleinen Mädchens in eine Leiche ist am PC ebenso leicht zu erzielen. Ein weitaus kniffliger zu gestaltendes Mittel sind die Soundeffekte und die Musik, denn hier muss viel Feinarbeit beim Mischen geleistet werden. Mehr dazu im Abschnitt zur DVD.
~ Geist oder nicht? ~
Die Schauspieler agieren alle glaubwürdig und zeigen sich ihrer Aufgabe gewachsen. Insbesondere Sissy Spacek und Donald Sutherland haben mir gut gefallen, aber bei weitem am eindruckvollsten war die Leistung der 14-jährigen Rachel Hurd-Wood. Höchstwahrscheinlich wurde sie bei den schmerzhaften Besuchen des "Geistes" dedoubelt, aber es blieb noch eine große Anzahl von Szenen, bei denen sie selbst zeigen musste, was sie kann. Sie ist nicht der kulleräugige Christina-Ricci-Typ aus "Sleepy Hollow", sondern erscheint ätherisch wie eine viktorianische Maid, die in Henry James' "The turn of the screw" die Hauptrolle spielen könnte. Umso erschreckender erscheinen dann die Blutflecke auf ihrem Nachthemd ...
Dass es auch heute noch jede Menge Betsy Bells gibt, deutet die Rahmenhandlung an. Nicht weil Geister auftauchen, sondern weil junge Mädchen Albträume haben, die denen Betsys an Horror in nichts nachstehen. Und der Grund für diesen Horror ist das immer gleiche Verbrechen, dem Elizabeth Powell durch eine blitzartige Erleuchtung auf die Spur kommt, die ihr aufgrund ihrer Lektüre des Powell-Manuskripts zuteil wird ...
~ Dracula ~
Mehrfach musste ich an die Ähnlichkeit des Plots mit klassischen Vampirfilmen à la "Dracula" denken. Betsy Bell ist zwar nicht Lucy Westenra oder Mina Harker, aber die nächtlichen Besuche des "Geistes" fordern ihren Tribut, bis sie zusehends schwächer wird und sich ihr Verhalten ändert - ganz so, als würde ihr ein Vamp das Blut abzapfen und sie so weit anämisch werden lassen, bis sie sich zu einem Geist sublimiert, der fortan sein Unwesen treibt. Diese Geistwerdung wird sogar bildlich dargestellt und ist eine der unheimlichsten, vielleicht aber auch plattesten Szenen des Films, setzt sie doch auf einen recht vordergründigen Effekt.
~ Action ~
Wie man sieht, arbeitet der Regisseur mit einer breiten Palette von Mitteln und ist um eine jeweils passende Lösung eines Darstellungsproblems nie verlegen. Soll es einmal etwas Action sein, so inszeniert er in rasendem Tempo eine Verfolgungsjagd per Kutsche und Pferd (die rumänischen Wälder sind dafür offenbar optimal geeignet), so dass er ohne weiteres "Der Pakt der Wölfe" das Wasser reichen kann. Vielleicht wollte er sich aber bloß in Hollywood für das Actionfach empfehlen.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- auf Film-DVD: 8 Trailer
- auf Bonus-DVD:
- Der Regisseur Courtney Solomon über seinen Film und dessen Vermarktung
- Der Regisseur Courtney Solomon interviewt Sissy Spacek
- Deleted Scenes (8)
- Alternative Enden (4)
- Stuntspecial zum Kutschenüberschlag
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität von Bild und Ton auf der DVD sind ausgezeichnet (obwohl DTS nicht unterstützt wird). Das müssen sie auch sein, denn die speziell gestaltete Musik und die zahlreichen Soundeffekte verlangen ein Höchstmaß an Transparenz, will heißen: an Datendichte. Diese Ziele werden erreicht, und wer sich einer guten Anlage bedienen kann, kommt in den vollen Genuss den Soundspektakels.
Die Musik auf klassischer Instrumentierung, die Caine Davidson komponierte, erzeugt die häufig gewünschte unheimliche Stimmung durch Intervalle von Akkorden, die stets etwas abseits der gewohnten Harmonien liegen und so für Unbehagen sorgen. Die Toneffekte sind ausgetüftelt und so angeordnet, dass sie die Musik nicht beeinträchtigen, sondern sie mitunter wie ein Stück Dialog ergänzen. Viele Effekte nimmt der Zuschauer nur unterschwellig wahr, doch das macht sie umso wirkungsvoller.
~ EXTRAS (gesamt: ca. 77 Minuten) ~
1) Der Regisseur Courtney Solomon über seinen Film und dessen Vermarktung (16:00 Min.)
16 Minuten lang labert Regisseur Courtney Solomon darüber, wie es ihm gelang, seinen Kinofilm unabhängig von einem Studio zu finanzieren und in rund 1700 Kinos in den USA zu bringen. Dazu investierte er zweieinhalb Jahre seines Lebens und engagierte mehrere tausend Menschen am Projekt. Er drehte in Montréal, Kanada, und in Rumänien. Anschließend gibt er unabhängigen Filmemachern ein paar gute Tipps, die besonders Vertrieb und Vermarktung übers Internet betreffen. Interessant ist, dass es offenbar eine Mafia im Web gibt, die gezielt Fehlinformationen in Message Boards verbreitet. Deshalb sah sich Solomon gezwungen, eine Vollzeitstelle einzurichten, nur um solche Fehlinformationen zu bekämpfen, die sehr geschäftsschädigend sein können. Weniger witzig fand ich seine abfälligen Bemerkungen über Filmkritiker.
2) Der Regisseur Courtney Solomon interviewt Sissy Spacek (17:05 Min.)
Solomon befragt die seit "Carrie" weltbekannte Schauspielerin zunächst überhaupt nicht, sondern lässt seinem Laberdrang freien Lauf. Er erzählt, wie er auf den Roman stieß (s. o.), weitere 20 Bücher über den "einzigen Fall in den USA, bei dem ein Geist einen Menschen tötete", fand und beschloss, einen Film darüber zu drehen. Dann endlich darf auch Spacek etwas sagen. Sie stammt aus dem Süden der USA und da der Film in Tennessee spielt, erkannte sie sofort, dass man der englischen Jungmimin Rachel Hurd-Wood (Betsy Bell) den FALSCHEN Südstaatenakzent beigebracht hatte. Aber die junge Dame bewältigte das Problem offenbar mit Bravour. Spacek hatte das erhebliche Problem, dass sie einen Fuß (ca. 30 cm) kleiner ist als Donald Sutherland und man sie daher schlecht ablichten konnte, ohne einen von beiden unvorteilhaft darzustellen. Man sieht sie kaum jemals miteinander reden.
Die Dreharbeiten in Rumänien müssen sehr anstrengend gewesen sein, und deshalb kam es auf halber Strecke zu Streit zwischen Spacek und Solomon. Doch genau da ereignete sich ein Erdbeben, was man denn doch als göttliches Omen, bitteschön Frieden zu halten, auffasste. Oder schickte es die Bell Witch?
Die erste öffentliche Aufführung (der US-Version) fand in Nashville, Tennsessee, vor dem versammelten Clan der Bells statt. Der Patriarch gab dem Film seinen Segen, und alle waren erleichtert. Die im Film gezeigten Ereignisse fanden wirklich statt, und zwar in dem heutigen Städtchen Adams, Tennessee.
3) Alternative Enden (4 Stück; ca. 27:40 Min.)
Offenbar bestand der Plan zunächst darin, keine Rahmenhandlung um Elizabeth Powell zu kreieren. Stattdessen sollte Richard Powells Bericht den Rahmen bilden. Er ist fast fertig damit, als er, glücklich mit Betsy verheiratet, 15 Jahre nach dem Jahr 1821 eine Erscheinung hat. Betsys Geist (the Bell Witch) zeigt ihm, was wirklich in jener schicksalhaften Nacht geschah, als John Bell starb.
Um der Spannung des Films willen darf ich nichts davon verraten. Ulkigerweise geht Betsy mit Richard (!) durch eine Wand in ihrem Haus, um ihn Zeuge eines weiteren Vorgangs werden zu lassen. Die Passage durch die Wand verrät dem Zuschauer viel zu früh, dass sich Richard auf einer Geistreise befindet und nicht körperlich Zeuge des Geschehens wird. Das untergräbt die Wirkung des Gezeigten, denn genauso gut könnte man gleich ein Puppentheater abfilmen. Im Übrigen lohnt sich das Ansehen meist nicht, denn wer das alternative Ende A) gesehen hat, der hat auch Szene B) und D) gesehen. Nur C) liefert im Hause von Elizabeth Powell eine echte Änderung: Statt Betsy tritt nur ihre Puppe mit dem zerbrochenen Kopf auf.
4) Stuntspecial zum Kutschenüberschlag (1:30 Min.)
Das kurze Special zeigte drei alternative Darstellungen des Kutschenüberschlags. Die Szene wurden mit sieben Kameras aufgenommen und sieht, rasant geschnitten, entsprechend spektakulär aus. Spacek äußert sich darüber lobend und erstaunt im Interview.
5) Deleted Scenes (8 Stück: ca. 15 Min.)
Oft handelt sich dabei nur um ein verlängertes, erweitertes Stück einer sowieso bereits realisierten Szene. Ich fand daher dieses Extra als ziemlich überflüssig, mit einer einzigen Ausnahme. Sissy Spacek alias Lucy erhält von einer geisterhaften Betsy, die man nicht sieht, Nüsse und Beeren zu essen, und sie sieht darüber sehr glücklich aus. Als dann die echte Betsy körperlich auftaucht, sind beide recht erstaunt. Die Szene ist liebevoll fotografiert und sowohl Spacek als auch Rachel Hurd-Wood spielen gut.
Unterm Strich
Als Horrorgeschichte mit Geistern funktioniert "American Haunting" ebenso gut wie als eine Art von kriminalistischer Ermittlung. Allerdings wird der Betrachter in die Rolle eines Zuschauers auf einer spektakulären Geisterbahnfahrt versetzt, die mit optischen und akustischen Reizen nicht geizt. Das ist sicherlich verkaufsförderlich und auch handwerklich gut gemacht (siehe Extras Nr. 1 und 2).
Doch der Mangel eines zentralen Konflikts, wie er für jede dramatische Handlung seit den antiken Griechen erforderlich ist, ist auf die Ebene des Zweikampfs Geist versus Familie Bell verlegt, wobei der Geist optisch relativ wenig hergibt. Dazu hat sich der Kameramann eine Lösung einfallen lassen: die schwebende Kamera, die überallhin gelangt, und zudem in schwarzweiß "sieht".
Das Problem besteht darin, dass man mit einem Geist nicht reden und argumentieren, sondern lediglich interagieren kann. Erst als sich Richard Powell und John jr. Bell mit der Kutsche auf den Weg in die Freiheit machen, kommt die gewohnte Actionstimmung auf, die endlich die lähmende Opferstimmung in der Bell-Familie ablöst. Danach gelang die Handlung auf die Zielgerade und steuert auf die zu erwartende Katastrophe zu. Die Informationsschnipsel, die der Film zur Lösung des Kriminalfalles in verschlüsselter Überfülle liefert, mögen ein zweites Sehen lohnen, aber wohl kein drittes Mal.
Die Special Edition muss sich ihre Bezeichnung verdienen, und da habe ich gehörige Zweifel. Der einzige erhellende Beitrag ist wohl das Interview mit Spacek, ansonsten kreisen der Film und sein Macher nur um sich selbst. Von einem Making-of kann keine Rede sein, und das wird schmerzlich vermisst. Ansonsten liefert dem Filmfreund auch eine Single-Edition DVD einwandfreien Sound und eine Bildqualität auf dem Stand der Technik, vom Film ganz zu schweigen.
- Redakteur:
- Michael Matzer