weite Ritt, Der - Special Edition
- Regie:
- Peter Fonda
- Jahr:
- 1971
- Genre:
- Western
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Hired Hand - Director's Cut
1 Review(s)
22.08.2007 | 08:57Als Western ein Kunstwerk, ein übersehener Klassiker
Sie sind zu dritt, haben nichts außer ihren Pferden, den Colts und ihrem unbändigen Drang nach Freiheit und Abenteuer. Ihr Traum wird zum Alptraum, als sie ein gespenstisches, halbverfallenes Dorf erreichen, das von dem brutalen Sam beherrscht wird. Dan, der Jüngste des Trios, wird sein Opfer. Harry und Arch suchen Rache für den getöteten Freund. Die Kugeln ihrer Colts durchbohren Sams Füße und machen ihn zum Invaliden.
Harry, des Vagabundenlebens müde, kehrt zu seiner Frau und Tochter zurück. Es dauert lange, bis die Eheleute wieder zueinander finden. Nur allmählich weicht die Entfremdung. Ihr Glück ist kurz. Die Angst der Frau, dass ihr Mann sie wieder verlassen wird, wird auf brutale Weise Wirklichkeit. Eines Tages erscheint ein Mann auf der Farm. Er kommt in Sams Auftrag und bringt eine blutige Botschaft mit - einen Finger von Archs Hand. Voll Hass zieht Harry los, um die Bluttat an seinem Freund zu rächen ...
Filminfos
O-Titel: The Hired Hand - Director's Cut (USA 1971)
Dt. Vertrieb: Koch Media (25. Mai 2007)
FSK: ab 16
Länge: ca. 87 Min.
Regisseur: Peter Fonda
Drehbuch: Alan Sharp
Musik: Bruce Langhorne
Darsteller: Peter Fonda, Warren Oates, Verna Bloom, Robert Pratt, Severn Darden, Rita Rogers, Ann Doran, Ted Markland, Owen Orr, Al Hopson, Larry Hagman u. a.
Handlung
New Mexico, 1881: Die drei Abenteurer Harry Collings (Fonda), Arch Harris (Oates) und Dan Griffen (Robert Pratt) haben die Nacht am Rio Grande verbracht. In der Morgendämmerung der Welt nimmt Dan ein erfrischendes Bad im Fluss, während Arch Frühstück zubereitet (der x-te Aufguss ihres Kaffees) und Harry den Fisch dazu angelt. Danach will Dan weiterangeln, doch etwas Großes hängt am Haken, und er ruft Harry hinzu. Der merkt gleich, was los ist und schneidet die Angelschnur durch. Die Leiche eines blonden weißen Mädchens treibt den Fluss hinab. Der Augenblick der Unschuld ist vorüber.
|Del Norte|
Im schäbigen Kaff Del Norte werfen ein paar Revolvermänner begehrliche Blicke auf Dans Pferd. Ein Name fällt: Sam. Es gibt hier nicht mal einen Hufschmied, stellt Dan enttäuscht fest. In der einzigen Kneipe erwähnen Harry und Arch, dass sie vor drei Jahren schon einmal hier waren. Vielleicht kennt man sie noch. Dan hat am Fluss gesagt, er wolle nach Kalifornien zu den Goldsuchern, doch nun sagt Harry, dass er nicht mitkommt. Er wollen nach Hause, zu seiner Frau Hannah und seiner Tochter Janie, die er vor sieben Jahren verließ, nachdem sie nur 21 Monate zusammen gewesen waren. Harry war 20, Hannah schon 30. Arch will mit Dan weiterziehen.
Aber später am Abend stürzt Dan wankend zur Tür der Kneipe herein, angeschossen. Er stirbt wenig später. Da taucht Sam (Severn Darden) in der Tür auf und gesteht, er habe Dan erschossen, weil der was mit seiner Frau Magdalena (Rita Rogers) angefangen und eine verdächtige Bewegung gemacht habe. Wahrscheinlich war alles ganz anders, aber Arch und Harris haben nichts gesehen. Sie beerdigen ihren Freund vor den Toren dieses Kaffs. Am nächsten Morgen holen sie sich heimlich, still und leise Dans Pferd zurück, und Harry schießt Sam je eine Kugel in die Füße, was diesen zum Invaliden macht. Kein Wunder, dass er sie fortan hasst.
|Hannahs Farm|
Ihre Flucht nach Osten endet erst auf Harrys Farm. Hannah (Verna Bloom) ist nicht begeistert von der Rückkehr dieser bärtigen Männer, die nicht allzu gut riechen. Sie weigert sich, Harry seine Rechte als Gatte zu geben und sagt, Jane glaube, er sei tot. Ganz bescheiden bittet Harry sie, ihn wie einen Arbeiter aufzunehmen. Er wolle ja auch hier für Kost und Logis arbeiten, genau wie Arch. Sie dürfen im Stall schlafen.
Im Saloon der Stadt, wo sie einkaufen wollen, hört Arch ein hässliches Gerücht. Dass nämlich Hannah Collings ihre Landarbeiter auch mit sexuellen Vergünstigungen bezahlt habe. Entgegen Archs Bemühungen bekommt Harry davon Wind und er stellt Hannah deswegen zur Rede. Hat sie ihrem Mann Hörner aufgesetzt? Sie war ihm wohl kaum so treu wie Penelope ihrem Odysseus, oder? Sie verteidigt sich vehement und so geschickt, dass Harry beschämt schweigen muss.
Am nächsten Tag schlägt er überall in der Stadt die Bekanntmachung an, dass Hannah Collings keine Landarbeiter mehr suche. Prompt scheint sich Hannahs Reputation zu heben, denn die Vorsitzende des Nähklubs, Mrs. Sorensen, lädt sie ein und grüßt ihren Mann. Hannah wusste nichts von Harrys Initiative, aber sie hat auch nichts dagegen. Es ist klar, dass Harry nun Anspruch auf sie erhoben hat.
Als Hannah nicht auf Archs zaghaften Annäherungsversuch eingeht, entschließt dieser sich, die Farm zu verlassen. Er weiß, dass er nur im Weg ist und das Ehepaar belastet. Der Abschied fällt allen schwer, denn Harry ist dagegen, weil er Arch für die Arbeit braucht. Hannah ist dafür, weil sie Angst hat, dass Harry sie erneut verlassen könnte, um mit Arch sonstwohin zu ziehen. Sobald Arch weg ist, verspricht Hannah, Harry eine gute Frau zu sein und sie schlafen zum ersten Mal seit sieben Jahren miteinander.
Das Familienglück ist nicht von langer Dauer. Als ein Fremder als Bote von Sam auftaucht und Harry einen Finger zeigt, den Sam Arch abgeschnitten habe, packt Harry sofort seine Sache. Sams Drohung, für jede Woche, die Harry verstreichen lasse, Arch einen weiteren Finger und dann dessen Zehen abzuschneiden, ist Drohung genug, denn Harry weiß, dass sich Sam nur an ihm, Harry, rächen will. Gegen den heftigen Protest Hannahs reitet Harry mit dem Boten los.
|Del Norte revisited|
Als er in Del Norte eintrifft, hat er den Boten bereits erschossen, denn er braucht das nun freie Pferd ja für Arch. Doch er wird sehnlich erwartet. Sam und seine Revolvermänner sind bereit. Sams trägt keine Schuhe, sondern Wickel um seine Füße, da Harry sie ihm beide zerschossen hat. Arch hockt im Gefängnis und bekommt von Sams Sklavin Magdalena (Rita Rogers) etwas Wasser. Aber sie weigert sich, ihm eine Pistole zu verschaffen, weil Sam sie sonst umbringt. Aber sie gibt Arch eine winzige Chance, indem sie den Riegel seiner Zellentür öffnet ...
Der Showdown kann beginnen.
Mein Eindruck
"Das Königreich meines Vaters ist auf Erden, doch kein Mensch kann es sehen." So steht es im apokryphen Evangelium nach Thomas dem Zweifler, das Arch am Grabe von Dan vorträgt. Oberflächlich betrachtet scheint es sich bei "Der weite Ritt" um eine Rache-Story zu handeln, doch der Schein trügt. Es ist eine Art Passionsgeschichte nach dem Evangelium von Peter Fonda dem Revisionisten. Folgendes weiß der Regisseur über die Symbolik seines Filmes im Audiokommentar zu sagen ...
Am Anfang herrschen die vier natürlichen Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Die Unschuld, verkörpert in Dan, badet sich darin und fällt wie ein Neugeborenes auch mal auf den Hintern. Arch, die Weisheit, und Harry, die Unentschiedenheit (ambiguity), ist ein ewig Zerrissener, der niemals Erfüllung finden kann.
Der Rio Grande entspricht dem Unterwelt-Fluss Styx, denn hier treiben Leichen. Als sie den Styx überqueren, geraten sie ins Land des Todes (der Styx fließt optisch in die Stadt): Del Norte ist Purgatorium, das Fegefeuer. Hier werden Weisheit, Unschuld und Zweifel geprüft. Unter der Stadt mit dem sinister aussehenden Berg herrschen sündige Zustände, beherrscht von Sam und seinen Schergen. Sam verfügt sogar über seine eigene Maria Magdalena (Rita Rogers), eine sündige Frau. Sam begehrt Dans Pferd, und für dieses Pferd muss die Unschuld sterben. Sam inszeniert einen Sündenfall, indem er Dan und Magdalena zusammenbringt und dann Dan bestraft. Dan ruft in seinem Sterbemoment nach seiner Mutter.
Beim Begräbnis Dans zitiert Arch aus dem apokryphen Evangelium von Thomas dem Zweifler (s. o.). Dann üben Weisheit und Zweifler Gerechtigkeit, indem sie sich für Dans Tod an Sam rächen. Doch sie wissen, dass auch dafür ein Preis zu zahlen sein wird. Man kann nicht zurückgehen.
Auch nicht in den Garten Eden, in den sie nun heimkehren (Texas). Hier herrscht Hannah als Königin mit ihrem Kind. Sie braucht Harry nicht, denn sie weiß sich durch "hired hands" zu trösten. Durch tätige Buße als weitere "hired hand" gelingt es Harry, die Liebe seiner "Witwe" wiederzuerlangen. In dieser Dreiecksgeschichte gibt es jedoch einen zu viel. Arch macht sich wieder auf den Weg, nachdem ihn Hannah abgewiesen hat. Er wird von Sam gefangen.
Der Todesbote verlangt Harrys Rückkehr ins Purgatorium, auf dass er noch einmal geprüft werde, vorgeblich um seinen Freund Arch zu erlösen. Prosteste und Klagen der Königin sind vergebens. In Del Norte lässt sich Sam in einer Jesus-Parodie von seiner Maria Magdalena die zerschossenen Füße waschen und bespuckt sie für ihren Dienst. Für diese Demütigung verrät sie ihn, indem sie Archs Zellentür entriegelt.
Als Harry in Del Norte einreitet, geschieht dies nicht auf einem Esel. Dies ist nicht Jerusalem und Harry ist nicht Jesus, hat er doch gerade den Boten des Todesfürsten erschossen. Aber er ist bereit, sich notfalls für seinen Freund zu opfern. Es ist eine Sache, die er tun muss: für die Freundschaft, die Liebe zu seinem langjährigen Weggefährten (= Weisheit), für seine moralische Integrität. Der Zweifler hat seine Bestimmung gefunden. Er verlangt nichts für sich selbst, sondern gibt sein Leben für einen anderen hin, auch als Sühne, um den Preis für seine damalige selbstherrliche Tat gegen Sam zu büßen.
Im Showdown wird die komplette Tyrannenclique des Purgatoriums ausgelöscht. Der Ort wird befreit durch eine einzige Tat der Erlösung. Der Preis wird bezahlt. Harry stirbt in Archs Armen wie Jesus in den Armen seiner Mutter, die "pietà" ist vollständig. Der "Fischer der Menschen" (so nannte sich Jesus selbst) hat sein Werk vollbracht.
Als die Königin der Farm das Pferd Harrys erblickt, flackert ihre Hoffnung wieder auf. Doch dann sieht sie, dass nicht Harry im Sattel sitzt, sondern Arch. Sie geht in ihr Haus und schließt die Tür (nur schwach zu hören), denn nun ist auch der letzte ihrer Träume zerschmettert worden. Folgerichtig begrüßt Arch nicht die Herrin, sondern begibt sich mit seinem Pferd in den Stall - die ewige "hired hand". Die Welt verdunkelt sich.
Nochmal möchte ich betonen: Alle Charakterisierungen etc. stammen von Peter Fonda, nicht von mir. Weitere Erläuterungen siehe unter "Audiokommentar".
Die Director's Cut DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: keine
Extras:
- Audiokommentar von P. Fonda
- Doku "The Return of The Hired Hand"
- Einführung von M. Scorsese
- Deleted Scenes
- Trailer
- TV- u. Radiospots
Mein Eindruck: die DVD
Mit der Hilfe diverser Filmkunststiftungen - u. a. seitens Martin Scorseses - konnte der Regisseur genügend Geld aufbringen, um zusammen mit seinem Cutter Mazzola die Restaurationsarbeiten an der von Universal und NBC verstümmelten Version von 1971 vorzunehmen. Mazzola standen die neuesten Mitteln zur Verfügung, so dass die neuen Kopien des Films keinerlei Altersspuren mehr aufweisen. Es ist unglaublich, wie prachtvoll die Farben der zahlreichen Sonnenuntergänge erstrahlen. Die Augen können sich an den verschiedenen Grünschattierungen sattsehen, die das Umfeld von Hannahs Farm bietet. Kameramann Zsigmonds ausgeklügelte Arbeit mit Licht und Schatten kommt hier voll zur Geltung (er erklärt dies ganz genau in der Dokumentation).
Ebenso umwerfend ist der glasklare Sound, in dem die Musik erklingt. Obwohl nur der Tonstandard DD 2.0 unterstützt wird, gab es Stellen, an denen mir eine Gänsehaut entstand, so präsent ist manchmal die großartige Musik von Bruce Langhorne (der schon mit Bob Dylan zusammen spielte). Insbesondere die indianischen Flöten haben es mir angetan, die erklingen, als Harry auf das Windrad klettert, um es zu reparieren.
~ Der Audiokommentar von Peter Fonda ~
Peter Fonda liebt diesen Film in seiner restaurierten Fassung und er liebt es, sich an jene Zeit der künstlerischen Freiheit und menschlicher Harmonie zu erinnern. Er zitiert Briefe seines Vaters, der ihn für seine Arbeit lobte. Außerdem liebt Fonda eine ganze Menge Hinweise auf die tiefere Bedeutung der Symbolik, die er verwendete, geht aber nicht so weit, einen kompletten Filmessay abzuliefern - das betrachtet er als das Vorrecht des Publikums. Aber er liefert zahlreiche hilfreiche Hinweise, auf die ich in meiner Interpretation zurückgegriffen habe.
Es war seine erklärte Absicht, das einengende Star-Image des "Captain America" aus "Easy Rider" abzustreifen, indem er selbst als Schauspieler sehr zurückhaltend auftrat. Und er wollte sich im Unterschied zu vielen anderen "klassischen" Western an den "true grit" halten, die harsche Realität des Jahres 1881, als praktisch niemand Make-up trug und dies daher auch niemand seiner Darsteller tut.
Ein weiterer Punkt, in dem er von der Western-Klassik abwich: Die Frau als sexuelles Wesen mit Bedürfnissen wie ein Mann darzustellen, obendrein auch noch alleinstehende Mutter und autonom wirtschaftend. So etwas hatte es bis dahin noch nie gegeben, sagt Fonda. Das war wohl einer der Gründe, legt er nahe, dass NBC diese intimen Szenen zwischen Fonda und Bloom als erstes herausschnitt. Die Frauenfigur ist für Fonda die Achse, um die sich das restliche Rad der Filmhandlung dreht.
Die dritte Abweichung ist die Darstellung der Gewalt. Die Szene, in der Dan stirbt, wurde ebenfalls von NBC geschnitten, weil die Studiobosse sie als Zumutung für das Publikum betrachteten. Das Ende des Shootouts geht dem Zuschauer ebenfalls an die Nieren. Als Arch Harry in seinen Armen hält, nennt Fonda dies seine kleine "pietà", wie sie Michelangelo bekanntlich auch schuf (Mutter mit sterbendem Jesus).
~ Doku "The Return of The Hired Hand" (ca. 60 Min.) ~
Der Titel dieser Dokumentation ist angemessen gewählt, denn dieser Film "The hired hand" (= Lohnarbeiter) musste wirklich dem Vergessen entrissen werden, damit er in die Öffentlichkeit zurückkehren konnte, damit diese ihn, zwei Generationen später, endlich seiner Bedeutung angemessen würdig konnte. Die noch lebenden Macher von 1971 (Warren Oates starb bereits 1982) erzählen von der Entstehung des Films und welche Rolle sie dabei spielten.
Über die herausragende Bedeutung des Musik-Score und der fantastischen Kameraarbeit braucht man keine Worte mehr verlieren, aber es ist interessant zu erfahren, dass der Regisseur Fonda seinem Cutter Mazzola die Direktive "keine Montagen" vorgegeben hatte. Was machte Mazzola? Eine Montage nach der anderen! Zuerst wollte sich Fonda darüber aufregen, doch als er sah, welche Wirkung die Montagen in filmerzählerischer Hinsicht entfalteten, ließ er sie drin. Die Überblendungen nämlich machten harte Schnitte überflüssig.
Es mutet heute ein wenig kurios an, dass ein TV-Serienschauspieler wie Larry Hagman mitspielte - seine zwei Szenen sind nur noch in den Deleted Scenes zu sehen. Hagman spielte den Bösewicht J. R. in der "Dallas"-Serie, aber auch den gestressten Besitzer eines weiblichen Dschinns in "Bezaubernde Jeannie".
~ Trailer, TV- und Radiospots ~
Die Trailer usw. zeigen, wie das Studio Universal und der Sender NBC diesen ungewöhnlichen Antiwestern vermarkten wollten, nämlich als Fortsetzung des Kultfilms "Easy Rider" mit den Mitteln des klassischen Ballermann-Westerns. Das musste natürlich in die Hose gehen, denn der Schwerpunkt liegt auf einem um sich schießenden Peter Fonda und nicht auf einer sich in einer Männerwelt behauptenden Verna Bloom. Geboten wird ein Spaghetti-Western Marke Hollywood. Inzwischen ist klar, dass "The Hired Hand" etwas völlig anderes ist: eine Erörterung des Prinzips Verantwortung im Hinblick auf Ehe vs. Freundschaft. Es ist auch eine Meditation über das Wesen der Zeit: Man kann seine Verantwortung nicht hinter sich lassen, wie Harry es versucht, kann aber die Uhr nicht zurückdrehen, wie Dan sich wünscht.
~ Einführung von Martin Scorsese (ca. 2 Min.) ~
Martin Scorsese ("The Departed") ist wie ein guter Freund und Onkel, der einem neuen Baby den Weg hinaus in die weite Welt zeigt. Er bittet uns freundlich, diesem speziellen Baby gegenüber gnädig zu sein: "The Hired Hand" und bemerkt an, dass auch dieser Film von der Gegenkultur beeinflusst wurde. Will heißen: Etwas Ungewöhnliches ist zu erwarten.
~ Zusätzliche Szenen (ca. 23 Min.) ~
Hier sind die erwähnten zwei Szenen mit Larry Hagman als Sheriff der Kleinstadt zu sehen, in der Harry und Arch einkaufen und sich ihrer Haut und Ehre erwehren müssen. Diese zwei Szenen wurden herausgenommen, weil sie dazu dienten, dem Weggang Archs ein äußeres Argument zu liefern und in ihrer Brutalität aus dem Rahmen fielen. Stattdessen führt nun eine innere Notwendigkeit zu Archs Abschied aus dem Garten Eden und der Film ist insgesamt schlüssiger und stimmiger, wenn auch ruhiger.
Die weiteren zusätzlichen Szenen betreffen Erweiterungen, die nicht weiter wichtig sind. Harry und Arch finden im Saloon heraus, dass Hannah Collings als Witwe betrachtet wird. Witzig, dass Harry für tot gehalten wird. Die letzte Szene bietet einen anders geschnittenen Shootout in Del Norte. Nur hier ist zu sehen, dass Sam Harry zweimal in die Brust schießt. Dass Harry das überlebt, grenzt an ein Wunder. Der Rest ist wie gehabt.
~ Das Booklet ~
... umfasst nicht weniger als 20 Seiten. Davon entfallen 13 Textseiten auf den professionellen Essay von Sascha Westphal. Er greift vieles auf, was Fonda im Audiokommentar sagt, verschweigt aber die von mir oben geschilderte religiöse Überformung der Geschichte. Dass Unschuld, Weisheit und Zweifler die zentrale Rolle spielen, kann aber auch Westphal nicht verschweigen.
Unterm Strich
Wem die Symbolik, die Peter Fonda seinem eigenen Film zuspricht, seltsam vorkommt, der sollte sich in Erinnerung rufen, dass der Western Produkt und Agens der spezifisch amerikanischen Mythologie ist. Ein wichtiger Bestandteil dieser Mythologie ist die "frontier". Diese Grenze, die immer weiter nach Westen verschoben wird ("Go West, young man!"), spricht der Film bereits in der ersten Szene an, als Dan, die Unschuld, nach Kalifornien gehen will. Doch Harry, der Zweifler, will nach Hause. Nach Hause? "So eine Farbe gibt es nicht", sagt die Weisheit (Arch). Diese Dialogzeilen stammen von dem schottischen Drehbuchschreiber Alan Sharp, der offenbar ganz genau weiß, um was es in einem Western geht.
Viele weitere Bestandteile des Genre Western und seiner Mythologie werden umgewertet, umgedreht, erweitert und somit kritisierbar gemacht. Man nennt diese Art, einen Western zu machen, "revisionistisch", weil er die "klassische" Tradition des Genres revidiert. Wie auch immer: Mit hat der Western in seiner Machart ausgezeichnet gefallen, ohne dass ich dafür ein Bibelstudium absolviert habe. Die Kameraarbeit und der Soundtrack sind schlichtweg OSCAR-würdig. Ich könnte den Soundtrack den ganzen Tag hören, um zur Ruhe zu kommen. Die Montagetechnik des Cutters sorgt für eine sehr interessante Bildsprache, die noch heute Ideen liefern kann.
Der beste Schauspieler ist ohne jeden Zweifel Verna Bloom. Obwohl sie wie eine Appalachenbäuerin aussieht, stammt sie doch aus New York und aus einer russisch-jüdischen Familie. Allein mit ihrem Mienenspiel ist sie in der Lage, ganze Sätze zu sagen. Und sie bringt das Kunststück fertig, im Laufe des Films zwanzig Jahre jünger auszusehen. Hannah ist 38, Harry 28, doch als sie sich für ihre zweite Hochzeitsnacht fertigmachen, sehen sie wieder zwanzig Jahre jünger aus. Sie öffnet sich dem Traum eines Zusammenlebens wie eine Blume der Sonne. Doch als Harry sie verlässt, zerplatzt ihr Traum und sie verschließt sich wieder. Als Arch alleine zurückkehrt, schließt sie sich in ihrem Haus ein wie in einem Käfig - oder Sarg. Es lohnt sich wirklich, dieser wunderbaren Schauspielerin bei der Arbeit zuzusehen. Nur Oates kann ihr das Wasser reichen, und Fonda hat leider meist nur ein oder zwei Gesichtsausdrücke parat.
Die Special-Edition-DVD würdigt den Film seiner Bedeutung entsprechend. Der deutsche Verleih Koch Media ist für seine saubere Arbeit zu loben, indem er ein Booklet und zahlreiche Extras in das Paket aufnahm. Besonders die Doku, die für den TV-Kanal "Sundance Channel" von Robert Redford produziert wurde, liefert eine immense Fülle von Eindrücken, Statements und Informationen über den Film und seine Macher sowie das elende Nachspiel über seine Verstümmelung durch NBC.
Das Einzige, was dem deutschen Zuschauer vorenthalten wird, sind Untertitel. Es gibt sie weder in der englischen noch in der deutschen Filmfassung, von den Extras ganz zu schweigen. In der Doku lässt sich zwar Deutsch für Untertitel anwählen, doch wurden sie bei mir nicht angezeigt. Mithin eignet sich die Special Edition vor allem für Leute, die fließend Englisch sprechen.
- Redakteur:
- Michael Matzer