Pinocchio
- Regie:
- Luigi Comencini
- Jahr:
- 1972
- Genre:
- Märchen
- Land:
- Deutschland / Frankreich / Italien
- Originaltitel:
- Le Avventure di Pinocchio
1 Review(s)
13.08.2007 | 11:58Die sozialistische Version der Holzpuppe?
Wer kennt ihn nicht, den berühmten kleinen Jungen aus Holz, dessen Nase unweigerlich zu wachsen beginnt, sobald er eine Lüge erzählt? Die Verfilmung von Luigi Comencini zeigt die lange Nase allerdings nur ein einziges Mal, und häufig ist Pinocchio mehr Junge als Holzpuppe.
Filminfos
O-Titel: Le Avventure di Pinocchio (D, F, I 1972)
Dt. Vertrieb: Koch Media (25. Mai 2007)
FSK: ab 6
Länge: ca. 322 Min.
Regisseur: Luigi Comencini
Drehbuch: Carlo Collodi (Romanvorlage, 1881), Luigi Comencini, Suso Cecchi d'Amico
Musik: Fiorenzo Carpi
Darsteller: Gina Lollobrigida (Gute Fee) Andrea Balestri (Pinocchio), Ciccio Ingrassia (Fuchs), Franco Franchi (Katze), Jacques Herlin, Lionel Stander (Mangiafuoco), Mario Adorf (Zirkusdirektor, synchronisierte sich selbst), Mario Scaccia, Nino Manfredi (Geppetto, synchronisiert von keinem Geringeren als Hans Korte), Vittorio de Sica (Richter), Ugo D'Alessio, Zoe Incrocci, Willy Semmelrogge u. a.
Handlung der 6 Episoden
~ Episode 1: ~
Der eisige Nordwind bläst das fahrende Marionettentheater des Gauklers Mangiafuoco ("Feuerschlucker") in ein kleines, armseliges Dorf. Daraufhin will sich der arme, nach dem Tod seiner Frau seit 30 Jahren einsame Tischler Geppetto eine Holzpuppe zur Gesellschaft schnitzen. Deshalb bittet er seinen Kollegen Cilieglia um einen Holzklotz. Als Cilieglia entdeckt, dass einer seiner Klötze spricht, trennt er sich gerne von diesem unheimlichen Holzstück, doch Geppetto ist überglücklich. Seltsam nur, dass sich die fertige Puppe von alleine bewegt und sogar sprechen kann. Er nennt sie Pinocchio ("Holzauge"). Zur Verblüffung des braven Mannes hat sie sich am nächsten Morgen (nach einem Besuch von einer guten Fee) in einen lebendigen Jungen verwandelt. Der ständig Hunger hat ...
~ Episode 2: ~
Pinocchio ist unartig, will auf keinen guten Rat hören, hat Hunger, verwandelt sich abwechselnd in eine Puppe und wieder in einen Jungen, verbrennt sich die Holzfüße, schwänzt die Schule, hilft seinen hölzernen Brüdern und Schwestern und wird von Mangiafuoco entführt. Dieser verfeuert ihn um ein Haar als Brennholz, doch rechtzeitig steht Pinocchio wieder als lebendiger Junge da und hustet dem Gaukler was. Der entlässt seine zwei Diener "Katze" und "Fuchs".
~ Episode 3: ~
Als Pinocchio ihm sein Leid klagt und von der Armut Geppettos erzählt, gibt der Magier ihm fünf Goldstücke. Diese sorgen im Folgenden für Aufregung. Denn Katze und Fuchs erschleichen sich Pinocchios Vertrauen, und er lädt sie zum Abendessen ein, schließlich ist er ja jetzt reich. Die Zeche, die sie ihn zahlen lassen, kostet ihn das erste seiner fünf Goldstücke. Als er sie im Gebirge sucht, wird er von zwei Gespenster erschreckt, die ihn offensichtlich ermorden wollen. Er versteckt sein Gold, und als sie ihn erwischen und die Gute Fee ihm nicht hilft, hängen sie ihn an einem Baum auf. Da verwandelt er sich in eine Holzpuppe.
Die Fee ruft ihn in ihr Schloss am See, wo zwei Ärzte über die Ursache seines Zustandes rätseln. Ist er tot oder lebendig? Als die Fee ihn nach seinen Abenteuern fragt, lügt er, bis ihm eine so lange Nase wächst, dass sie das Fenster durchstößt. Daraufhin gelobt er ihr Besserung, und sie ruft Vögel herbei, die seine lange Nase wieder klein picken.
Als er sein Gold holen will, überraschen ihn wieder Katze und Fuchs. Fuchs verspricht ihm noch größeren Reichtum, wenn er sein Gold unter einem Baum auf dem Wunderfeld vergräbt und es gießt, bis die Goldstücke am Baum wachsen. Als er das nötige Wasser holt, verduften sie mit dem Gold.
~ Episode 4: ~
Pinocchio wartet vergeblich, dass sein Gold auf dem Baum wächst. Ein Bauer, der seine Wunderwiese pflügt, klärt ihn auf, wie man ihn übers Ohr gehauen hat. Er geht auf dessen Rat hin zur Polizei, doch der Richter dort glaubt ihm kein Wort und lässt ihn in den Kerker werfen. Ein Gefangener beutet ihn als Leibdiener aus, bis es Pinocchio einfällt, eine gute, also plausible Lüge zu erzählen. Daraufhin kommt er bei einer Amnestie frei.
Als er die Gute Fee sucht, findet er nur ihr Grab vor: Sie sei an gebrochenem Herzen gestorben. Er weint bitterlich um sie, was sie mit ihm wieder versöhnt, wie sich in Episode 5 zeigt. Er begegnet einer qualmenden Riesenschlange (ein Faschingsscherz), muss den Wachhund spielen und erfährt, dass Geppetto ihn am Meer sucht, weil er glaubt, Pinocchio sei von den nach Amerika gereisten Gauklern des Mangiafuoco entführt worden. Geppetto segelt gerade los, als Pinocchio ihn ruft. Da springt Geppetto aus seinem eh schon sinkenden Boot ins Wasser. Pinocchio springt ebenfalls ins Wasser, doch der Sturm spült nur ihn an Land, nicht aber Geppetto.
Auf dem Strand lernt er den Nichtsnutz Lucignolo kennen, beschützt ihn vor Polizei und Mutter und lernt von ihm, wie man ungestraft süße Backwaren stiehlt. Es kommt ihm vor, dass er noch nie einen so guten Freund wie Lucignolo hatte.
~ Episode 5: ~
Als Lucignolo ihn verlässt, ist der einzige Ort, wo Pinocchio Essen bekommt, ohne dafür arbeiten zu müssen, die Armenküche. Sie wird unter anderem von der Guten Fee geleitet. Sie nimmt ihn mit in ihr wieder vorhandenes Schloss am See, wo er reichlich zu essen bekommt. Sie schickt ihn zur Schule, damit er etwas lernt, doch erst die Drohung, ihn wieder zurück ins Gefängnis zu schicken, spornt ihn zu Höchstleistungen an. Das hat allerdings ein Ende, als Lucignolo in seine Klasse gesteckt wird.
Mit diesem schwänzt er sofort die Schule und treibt Unfug, während die Schüler, die er zu seiner Party eingeladen hat, im Schloss der Guten Fee ohne ihn feiern. Lucignolo plant, ins Land der Faulenzer zu reisen. Um Mitternacht werde ein Wagen alle Kinder, die ins Schlaraffenland wollen, halten und ihn mitnehmen. Als Pinocchio im Schloss der Fee nur Essen aus Stein vorgesetzt bekommt, schließt er sich Lucignolo an. Er darf auf einem Esel reiten.
Das Schlaraffenland ist wunderbar! Es ist eine Kirmes, auf der die Erwachsenen den Kindern dienen, sie mit Zuckerwatte und Musik verwöhnen. Die Kinder sollen alles vergessen, was sie gelernt haben, und wer arbeitet oder lernt, soll bestraft werden. Beruhigt begeben sich die beiden Oberfaulenzer zur Ruhe.
~ Episode 6: ~
Und erwachen mit zwei riesigen, langen Eselsohren. Wenig später sind alle Kinder, die aufs Schlaraffenland hofften, in Esel verwandelt. Diese werden von den Erwachsenen auf den Markt gebracht und verkauft. Leider werden hier auch Lucignolo und Pinocchio getrennt. Pinocchio muss im Zirkus von Mario Adorf auftreten. Hier sieht ihn die Gute Fee wieder, doch statt ihm zu helfen, beklagt sie sich nur wieder, was für ein unartiger Junge er sei. Weil er sich bei einem Sturz ein Bein gebrochen hat, ist er zu nichts mehr nutze. Der Abdecker will sein Fell zu einer Trommel verarbeiten und ersäuft ihn im Meer ...
Bekanntlich ist Holz meistens leichter als Wasser. Als Holzpuppe schwimmt Pinocchio in den Rachen eines riesigen Wals und wird verschluckt. Ein Thunfisch klagt, dass sie beide nun hier verfaulen werden, doch der Holzjunge gibt nicht auf und klettert weiter in den Bauch des Wals. Dort findet er zwischen den Bruchstücken eines Segelschiffs auch seinen Vater Geppetto wieder. Dieser ist über das Wiedersehen überglücklich, will aber sein gemütliches Heim nicht verlassen. Dort draußen will ihn ja eh niemand haben.
Aber Pinocchio will die Sterne sehen und setzt sich ins Maul des schlafenden Wals. Als Geppetto ihm nachklettert, fordert ihn sein Sohn auf, mit ihm fortzureisen, auf dem Rücken des Thunfischs. Pinocchio will zurück in die Freiheit, aber nicht ohne seinen Vater. Da schließt sich ihm Geppetto an, und zusammen reiten sie auf dem Thunfisch an Land, neuen Abenteuern entgegen. Aber diesmal wieder vereint.
Mein Eindruck
Der Florentiner Journalist, Satiriker und Schriftsteller Carlo Collodi, eigentlich Carlo Lorenzini (1828-1890), schrieb seine "Storia di un burattino" schon 1881, aber nur die ersten 15 Kapitel. Sein Verleger verlangte mehr, und Collodi lieferte bis 1883 weitere 21 Kapitel. Der Verleger änderte den Titel denn auch in "Le Avventure di Pinocchio". 1901 erschien die in Italien beliebteste illustrierte Ausgabe mit den Bildern von Carlo Chiostri (1863-1939), die auch der Regisseur Luigi Comencini für den wechselnden Vorspann seiner "Pinocchio"-Verfilmung verwendete.
Erst 1892 erschien das Buch auf Englisch, und die Volksausgabe von 1911 wurde ein Bestseller, der den Siegeszug der Holzpuppe einläutete. Die deutsche Ausgabe von 1905 mit dem seltsamen Titel "Zäpfel Kerns Abenteuer" war durch den Dichter Otto Julius Bierbaum stark bearbeitet worden. Walt Disney verfilmte die Abenteuer Pinocchios 1940, die Japaner machten 1976 eine Zeichentrickserie im Stil von "Biene Maja" daraus. Aber was 1972 in Italien und 1973 in Deutschland gezeigt wurde, war eine Heldengeschichte mit einem Touch von Bertolt Brecht.
Der Regisseur Luigi Comencini (1916-2007) wird zu den italinischen Neorealisten der fünfziger Jahre gezählt. Sein 1946 veröffentlicher Film "Razzia in Neapel" (Proibito Rubare) ist dafür ein Paradebeispiel. Berühmt wurde er mit dem OSCAR-nominierten Streifen "Pane, amore e fantasia" (1953) sowie dessen Fortsetzung "Pane, amore e gelosia" (Brot, Liebe und Eifersucht, 1954). Sie machten Gina Lollobrigida zum Star, schreibt Uwe Sommerlad, der Autor des Booklets. Außerdem drehte Comencini eine Don-Camillo-Episode (1965) und einen Film über Casanova (1969). Er arbeitete auch bei "Pinocchio" mit seinen Wegbegleitern aus der Darstellerriege: Lollobrigida, Nino Manfredi, Mario Adorf, Lionel Stander, Vittoria de Sica und andere.
Natürlich musste Comencini als einer der Drehbuchautoren die insgesamt 36 Kapitel des Buches komprimieren, um sie in knapp 300 Minuten Erzählzeit packen zu können (die restlichen 22 Minuten sind Vor- und Abspann geschuldet). Doch wichtiger als die Veränderungen im Handlungsablauf sind die Änderungen am Charakter der Darstellung an sich und an den Figuren.
Wer die Serie erstmals sieht, dürfte sich wundern, dass kein einziger Spezialeffekt zu sehen ist, allenfalls solche, die mit jeder Normalkamera und dem Schnitt zu bewerkstelligen sind (und natürlich mit Marionettenschnüren). Wo also sind die Fabeltiere des Romans geblieben? Fuchs, Katze, Schnecke, Gorilla, Riesenraupe, der Wal - sie sind entweder verkleidete Schauspieler (Fuchs, Katze, Schnecke), verkleidete Gerüste für Schauspieler (Raupe) oder ein Modell (Wal). Der Gorilla ist völlig verschwunden und zum Richter mutiert. Der Effekt ist der einer ziemlich naturalistischen Darstellung.
Das passt zur Art und Weise der Darstellung, die sich an Bertolt Brechts Theater anlehnt. Aber die Illusion des Schauspiels wird nie verfremdet (V-Effekt), keine Figur wendet sich ans Publikum. Dafür gibt es eine Menge Monologe, die indirekt den Zuschauer ansprechen, so etwa wenn sich Geppetto ständig mit sich selbst unterhält. Auch wenn Gina Lollobrigida singt (auch in der dt. Fassung in Italienisch), so tut sie dies stets für ihren "Jungen" und nur indirekt für den Zuschauer.
Aus der moralisierenden Fabel des Originals, die den jungen Leser à la "Struwwelpeter" erziehen sollte, wird unversehens ein "Oliver Twist" à la Dickens. Hier überleben die verschlagenen Faulenzer, die Diebe und Lügner, wohingegen die Ehrlichen und Naiven stets auf der Strecke bleiben. Pinocchio erfährt dies alles am eigenen Leib und wird von den Obrigkeiten schikaniert, in den Kerker geworfen, von einem Diebespaar sogar gehenkt, schließlich im Meer (als Esel) ertränkt. Der Tod lauert an jeder Ecke, das Leben ist ein Kampf, und den überlebt nur der, der sich eben nicht an die hehren Prinzipien der Guten Fee hält, sondern seine eigenen Lehren aus den Erlebnissen zieht. Die Fee erzieht ihn nicht mit der Hoffnung, für sein Bravsein ein "richtiger Junge" zu sein, sondern mit der Drohung, den "richtigen Jungen" zurück ins Gefängnis werfen zu lassen. Selbst als er ein Esel ist, hilft sie ihm nicht. Er muss sich selbst helfen.
Aber Pinocchio wird trotzdem kein Zyniker. Der Grund liegt in seinem häufig als richtig erfahrenen Glauben an die Liebe, die ihm a) sein Vater Geppetto und b) die Gute Fee entgegenbringen. Als er die Chance hat, mit dem Thunfisch aus dem Gefängnis des Wals zu entkommen und zum Land zu gelangen, will er nicht ohne Geppetto gehen, wie es ein Nihilist getan hätte. Ja, er macht sich sogar die Mühe, den verschüchterten Zweifler, zu dem sein Vater geworden ist, zu überreden. Er macht ihn neugierig auf die Welt und die Sterne da oben. Er erwähnt die Fee mit keinem Wort. Eine höhere Macht, sofern sie überhaupt gibt, ist offenbar kein Grund, auf ihr Eingreifen zu hoffen.
Dieser italienische "Oliver Twist" mischt komische Situationen, etwa Pinocchios Gebell als Wachhund, mit traurigem Realismus über die Tatsache, dass Erwachsene lügen und Kinder als Wachhunde missbrauchen. Hier machen sich der bissige Neorealist ebenso bemerkbar wie der Satiriker Collodi. Beide spotten über die Erwachsenen, aber schließlich auch über die Esel, in die sich die Kinder im Schlaraffenland verwandeln. Am Ende bleibt nicht viel übrig, das man als positiven Wert anerkennen könnte. Da ist nur die Liebe zwischen Vater und Sohn, sonst nichts.
Aber weil Geppetto als Träumer der einzige Mensch ist, der Pinocchio seine unglaublichen Abenteuer glaubt (bes. die Sache mit der Verwandlung), ist er für Pinocchio, den rebellischen Jungen, die wichtigste Bezugsfigur. Er liebt seinen "Vater" und Schöpfer wirklich. Doch wenn er überlegt, wie er ihn zufriedenstellen soll, geht er gewöhnlich in die Irre. Genauso übrigens wie hinsichtlich der Wünsche seiner Ersatzmutter, der Guten Fee. Pinocchio ist also nicht ganz Waise, aber auch nicht ganz leibliches Kind, sondern etwas dazwischen, sozusagen ein geistiges Kind.
Und da sein eigener Geist eine tabula rasa ist, die erst noch mit Erfahrungen beschrieben werden muss, erlebt er auch die unglaublichsten Sachen, ohne sich darüber zu wundern. Wir wundern uns mit ihm, sofern wir noch jung genug dafür sind. Wem Pinocchios Naivität auf den Wecker geht, der ist schon zu alt für "sowas". Kein Wunder also, dass die Serie schon ab sechs Jahren freigegeben ist. Aber ich frage mich wirklich, ob man Sechsjährigen schon alles übers Stehlen, Lügen und Töten beibringen sollte.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,33:1 (Vollbild)
Tonformate: D in DD 2.0, Italienisch in DD 2.0
Sprachen: D, Italienisch
Untertitel: D
Extras:
- Booklet mit Episodenguide
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild wurde von Artefakten weitgehend gereinigt, so dass nur in seltenen Fällen ein fast unmerklicher Streifen vertikal durchs Bild läuft. Der Ton ist aufgrund des DD-2.0-Standards zwar auf Fernsehniveau, reicht aber für bescheidene Ansprüche aus. Extras gibt es keine außer dem Booklet.
Das 16-seitige Booklet bietet neben einigen Vierfarbfotos aus bekannten Szenen in erster Linie einen langen Artikel von Uwe Sommerlad über die Produktion und die Eigenheiten dieser Verfilmung des Stoffs. Ich habe mich bei der Interpretation auf diese Informationen gestützt und eigene Eindrücke beigesteuert.
Die Verpackung ist mit Zeichnungen von Figuren geschmückt, die in der Serie auftreten. Der Schuber hat einen knallroten, wie Weihnachtspackpapier glänzenden Rahmen verpasst bekommen. Dieser schillert ebenso wie die Titelfigur auf der Vorderseite in holografischen Brechungen. Eine hübsche Idee.
Unterm Strich
Wenn man die Wahl hat zwischen Disneys Süßlichkeit, japanischem Zeichentrick à la "Biene Maja" und der italienischen Realfilmversion, dann würde ich stets zu Comencinis Version greifen. Sie mag nicht die hübscheste sein und schon gar nicht die kindgerechteste, aber sie ist vielleicht die wahrhaftigste und ungeschminkteste in ihrer Darstellung von Erwachsenen, Fabelwesen und Kindern. Die Lollo war entsetzt über das, was sie als "sozialistische" Version der Geschichte ansah und bereute ihre Mitwirkung, wenn man dem Autor des Booklets, Uwe Sommerlad, glauben darf. Eines ist jedenfalls sicher: Es gibt immer neue überraschende Wendungen im Leben des zur Leben erweckten Holzpuppe.
Als Geschenk eignet sich die DVD-Box meines Erachtens für Kinder ab acht oder zehn Jahren. Sammler sollten hier aber ebenfalls zuschlagen, denn Ton und Bild sind von höherer Qualität als bei einer VHS und das Booklet bietet eine Menge Hintergrundinfos, die man sonst erst in der Wikipedia und der International Movie Database recherchieren müsste. Außerdem gibt es noch eine Reihe von Farbfotos, an die schwer heranzukommen ist, schon aus rechtlichen Gründen.
Ob Erwachsene, die eigene Filmsammler sind, der Serie etwas abgewinnen können, weiß ich nicht, aber die Episoden unterhalten zumindest, ohne dass es irgendwelche Längen gibt. Aber sie könnten sich zumindest fragen, wie sich ein Halbwaise fühlt, der in eine Welt geworfen wird, die nur darauf aus ist, ihn auszunützen, zu belügen und zu bestehlen, ja, sogar vor dem Hängen nicht zurückschreckt.
Und sie könnten sich fragen, wie all dies mit der Hauptfigur in Steven Spielbergs Science-Fiction-Film "A. I." zusammenhängt. Dort sucht nämlich ein ausgesetzter Waisenjunge nach seiner Guten Fee, um endlich ein "richtiger Junge" zu werden. Aber was ist das genau, ein "richtiger Junge", wenn so viele Menschen sich wie Automaten verhalten - oder, horribile dictu, es sogar sind?
- Redakteur:
- Michael Matzer