Kreis, Der
- Regie:
- Jafar Panahi
- Jahr:
- 2000
- Genre:
- Drama
- Land:
- Iran
- Originaltitel:
- Dayereh
1 Review(s)
01.09.2007 | 05:59Hintergrund
Jafar Panahi ist einer der wichtigsten Regisseure der Iraner New-Wave-Bewegung im Film. Er drehte bereits mit zehn Jahren seinen ersten 8-mm-Film und während seines Wehrdienstes im ersten Irakkrieg eine Dokumentation über eben jenen Konflikt.
Panahi ist eine der wenigen öffentlichen Personen des Iran, die sich traut, die Missstände in diesem islamischen Staat anzusprechen. So zeigen seine Filme eindringlich die strikten und sturen Strukturen der religiösen Männergesellschaft, mit allen unangenehmen Folgen.
Panahis Filme werden weltweit von Kritikern und Filmjurys gefeiert. Sein 2000er Werk "Der Kreis" über die unvorstellbare Behandlung von Frauen im Iran wurde auf den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.
Handlung
Ein Kreisssaal in irgendeinem Krankenhaus. Ein Baby wird geboren. Laut Ultraschall soll es ein Junge werden. Die Familie verharrt im Warteraum, während die junge Mutter ein neues Leben zur Welt bringt. Doch dann der Schock - es ist ein Mädchen!
Unterdessen streifen zwei Frauen auf den Straßen der Stadt herum. Um diese Uhrzeit kein leichtes Unterfangen, da es Frauen verboten ist, sich in bestimmten Gegenden aufzuhalten ...
Zeitgleich hat eine Freundin der beiden andere Probleme. Sie ist gerade aus dem Gefängnis geflohen, um ihre Schwangerschaft abzubrechen. Von ihrer Familie verstoßen, von ihren Brüdern bedroht, wendet sie sich an eine alte Bekannte. Diese ist nun Krankenschwester und mit einem Arzt verheiratet. Die Krankenschwester ist ihre einzige Hoffnung auf eine verbotene, geheime Abtreibung.
Während eine unverheiratete Frau ihre Tochter aussetzt, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen, wird eine weitere Frau verhaftet, weil sie mit einem mit ihr nicht verwandten Mann im Auto gefahren ist.
All diese Geschichten ereignen sich an einem ganz normalen Tag in der iranischen Hauptstadt Teheran.
Kritik
Iranische Filme stellen eine Seltenheit in den Regalen der örtlichen DVD-Händler dar. Die staatliche Zensur im Iran macht es vielen Regisseuren schwer, ihrem Beruf nachzugehen. Umso bemerkenswerter sind das Engagement und der Mut von Jafar Panahi, der den iranischen Zensoren allerlei Material für deren Berufsausübung gibt. Vor diesem Hintergrund überrascht es auch wenig, dass sowohl "Der Kreis" als auch Panahis vorletzter Film "Crimson Gold" auf dem iranischen Index stehen.
Seine Filme sind sozialkritisch, offen und ehrlich, aber auch alles andere als leichte Kost. Freunde abendfüllender Spielfilme werden sicherlich keine Freude mit Panahis Filmen haben.
"Der Kreis" zeigt das Leben von acht Frauen auf den Straßen Teherans und beschreibt ihren aussichtslosen Kampf um das Überleben in einer Gesellschaft, die offensichtlich keinen Platz für Frauen hat. Die Diskriminierung beginnt schon im Kreisssaal. Gebärt eine Frau eine Tochter, ist sie ebenso wenig wert wie das neue Leben. Auf den Straßen werden Frauen nur in Begleitung ihrer (verwandten oder verheirateten) Männer geduldet, beim Autofahren sieht es ähnlich aus. Zuwiderhandlungen werden umgehend mit Haft bestraft.
Die Zustände erinnern an die Apartheid und schockieren in gleichem Maße. Während in unserem Land durch das Anti-Diskriminierungsgesetz jeglicher nachteiliger Behandlung der Riegel vorgeschoben wird, zieht die iranische Gesellschaft bzw. Männerwelt einen klaren Strich. Das Resultat ist eine radikale Trennung, die Frauen nahezu jedes Recht nimmt. Einzig das Gebären männlicher Nachkommen scheint ihnen eine Daseinsberechtigung zu verschaffen.
Regisseur Jafar Panahi zeigt diese erschreckenden Zustände in einem semi-dokumentarischem Stil, wodurch ein eindringlicheres, intensiveres Filmerlebnis geschaffen wird. Die Handkamera ist größtenteils statisch und verharrt in Positionen, selbst wenn kurzzeitig Gegenstände oder Menschen das eigentliche Geschehen verdecken. Zudem zeigt er eine ausgefeilte Vorliebe für lange Takes, die teilweise mehrere Minuten dauern und den Darstellern alles abverlangen.
Diese (zumindest die weiblichen Hauptfiguren) agieren auf höchstem Niveau und liefern ein glaubhaftes und bodenständiges Spiel ab. Es ist vor allem ihrem Spiel zu verdanken, dass sich "Der Kreis" wie eine Dokumentation anfühlt.
Trotz all dieser positiven Worte dürfte der Film durch seine Sperrigkeit vielen vor den Kopf stoßen. Die Geschichte spielt sich völlig im Hintergrund ab und folgt keinem wirklichen roten Faden. Man könnte fast von miteinander verwobenen Episoden der einzelnen Frauen sprechen, deren Erlebnisse auszugsweise dem Zuschauer näher gebracht werden. So wird zwar der dokumentarische Stil gestärkt, jedoch auch jegliche Dramatik im Sinne eines Spannungsbogens genommen.
Ein weiterer Kritikpunkt schlägt in dieselbe Kerbe. Da man von relativ losen Episoden sprechen kann, zeigen sich einige Probleme in der Charakterzeichnung. Den einzelnen Protagonistinnen wird viel zu wenig Zeit eingeräumt, um ihre Hintergründe und Intentionen zu beleuchten. Ferner werden die meisten Schicksale nicht aufgelöst, was in einem Spielfilm besonders negativ wiegt.
Es beleibt also eine Frage des Standpunkts. Von der dokumentarischen Perspektive betrachtet, ist "Der Kreis" ein ausgezeichneter Film, der erschütternd die unglaublichen und untragbaren Lebensumstände der Frauen in ein einer religiösen Männerwelt beschreibt. Von der Spielfilmseite betrachtet, gilt zunächst das Gleiche, wenn auch das Fehlen einer in sich geschlossenen, fortlaufenden und zusammenhängenden Geschichte und die dürftige Charakterzeichnung negativ ins Gewicht fallen.
Letzten Endes führen diese beiden Standpunkte jedoch nur zu einer Unterscheidung zwischen einem ausgezeichneten und einem guten Film.
Die DVD
Das Bild in 1,66:1 kann erwartungsgemäß nicht wirklich überzeugen. Die Schärfe ist mittelprächtig, der Kontrast bei weitem nicht optimal und die Farben ausgewaschen. Immerhin ist der Schwarzwert recht gut, was den vielen dunklen Szenen zu gute kommt. Einige Bildeffekte in Form von Dropouts stören zudem.
Ähnliches gilt für den Ton (Deutsch und Persisch je DD 2.0). Da es sich hier aber um einen dialoglastigen, ruhigen Film handelt, kann man das Fehlen großartiger Umgebungsgeräusche durchaus tolerieren. Die Dialoge sind in beiden Tonspuren zu jeder Zeit gut verständlich, grobe Tondefekte sind nicht zu vernehmen. Die Wahl der Tonspur ist themenbedingt eindeutig. Um die Authentizität des Films zu wahren, sollte die persische Originalspur gewählt werden.
Die Extras reihen sich unauffällig ein. Außer dem Originaltrailer und der hauseigenen Trailershow gibt es lediglich ein ca. 15-minütiges Interview mit Regisseur Jafar Panahi, in dem er über seinen vorletzten Film "Crimson Gold" referiert. Das fällt zwar interessant aus, liefert aber im Zusammenhang mit "Der Kreis" keine neuen oder interessanten Erkenntnisse.
Fazit
Es gibt ausgezeichnete Filme, die nie ein ihnen würdiges Publikum erreichen. Jafar Panahis gesellschaftskritischer "Der Kreis" ist einer davon. Durch und durch erschütternd und augenöffnend, zeigt er das traurige Bild der Frauen in der iranischen Gesellschaft. Aufgrund seines schwierigen Themas und seiner sperrigen Machart wird er sicherlich nicht den Weg in die Wohnzimmer der breiten Masse finden. Selbst den weiteren Kreis verfehlt er.
Dennoch sollte wirklich jeder diesen Film sehen, um sich ein Bild von den schrecklichen Zuständen im Iran zu machen - Arthouse-Fan hin oder her. Die 88 Minuten des Films sind wahrlich kein Genuss (sollen sie auch nicht), erfüllen aber definitiv ihren Zweck. Empfehlung!
- Redakteur:
- Martin Przegendza