Rest Stop
- Regie:
- Shiban, John
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Rest Stop - Dead Ahead
1 Review(s)
02.09.2007 | 10:11Nicole und Jessie, zwei ziemlich hirnleere US-Teenies, rollen per PKW gen Hollywood, wo sie sich im Filmgeschäft versuchen wollen. Die Fahrt ist lang, und eine von Jess gewählte Abkürzung führt sie erst recht vom Weg ab. Ein menschliches Bedürfnis zwingt zum Halt an einer abseits gelegenen Raststätte, die außer einer verdreckten Toilette und einer unbesetzten Rangerstation nichts Heimeliges zu bieten hat.
Nachdem Nicole sich in genannter Toilette erleichtert hat, muss sie feststellen, dass Jessie sie anscheinend in der Einöde hat sitzenlassen. Erst ist sie empört, dann ratlos. Furcht stellt sich ein, als Nicole an einer Anschlagtafel unzählige Plakate entdeckt, die zur Suche nach Männern, Frauen und ganzen Familien aufrufen, die in dieser Gegend spurlos verschwunden sind.
Wer dafür die Verantwortung tragen könnte, wird Nicole klar, als ein alter Pickup vorfährt und ein mysteriöser Fremder im Reckneck-Look sie zu terrorisieren beginnt. Er spielt mit ihr wie die Katze mit der Maus, sperrt systematisch alle möglichen Auswege ab, spielt Nicole blutige Beweise dafür zu, dass er Jessie in seiner Gewalt hat.
Als ein Wohnmobil auf dem Rastplatz hält, wähnt sich die junge Frau gerettet. Doch sie fällt einer Familie verrückter religiöser Fanatiker in die Hände und kann froh sein, diesen zu entkommen. Später entdeckt Nicole die junge Tracy, die vom Trucker übel gefoltert wurde, bis sie entkommen konnte. Sie stirbt in Nicoles Armen - und löst sich in Luft auf: Auf der Raststätte geht es offensichtlich auch noch um!
Wer ist Mensch, wer Geist? Wem kann Nicole trauen? Während die Attacken des Killers immer dreister werden, muss sie sich entscheiden, wem sie trauen will. Ist Officer Michael Deacon ihr Verbündeter in der Not? Der Trucker hat leider für jede Eventualität vorgesorgt, und Nicole wird klar, dass sie nun fällig ist für seine Folterbank ...
"Raw Feed" ist ein Label, das ausschließlich Horrorfilme für den DVD-Markt dreht. Im Kino hat man "Rest Stop" also nicht sehen können, was eindeutig positiv zu bewerten ist. Nicht die auf Kostenersparnis ausgerichtete Machart lässt "Rest Stop" zum (immerhin nur gelinden) Ärgernis werden, sondern die offensichtliche Faulheit des Drehbuchautors John Shiban, der dem routinierten Regisseur Shiban stark unterlegen ist.
Natürlich greift diese Kritik zu kurz bzw. läuft ins Leere: "Raw Feed" ist kein Tummelplatz für Erneuerer des Horror-Genres. Hier sollen raue, 'schmutzige', d. h. mit plakativer Grausamkeit, Blut und Gedärmen nicht sparende B-Movies für Gorehounds und Splatter-Fans produziert werden. "Direct-to-DVD" ist ein durchaus vernünftiges Konzept, das eigenen Regeln gehorcht und keineswegs mit dem Spielfilm fürs Fernsehen gleichzusetzen ist. "Rest Stop" entstand mit moderner Videotechnik und orientiert sich höchstens im Bildformat am TV-Movie, indem z. B. extreme Panoramaaufnahmen unterbleiben - sie wären für den kleinen Bildschirm verschwendet. Handwerklich lässt sich gegen "Rest Stop" daher nichts einwenden. Die Bildqualität ist sehr gut, die Kamera munter, die Tricks lassen sich sehen bzw. lassen sich als solche nicht identifizieren.
Wäre da bloß nicht diese Handlung ... Oder sollte man sagen: Wäre da bloß nicht diese ideenarm und lustlos umgesetzte Handlung? Der Plot an sich ist nicht das Problem. Diese Aussage mag überraschen, da die 'Idee' vom ebenso grausamen wie übermächtigen Killer, der hübsche Teenies jagt, quält und umbringt, nun wirklich keinen Hund mehr hinterm Ofen hervorlocken kann. Die Variation (allzu) bekannter Situationen und Konstellationen könnte dies abfedern. Drehbuchautor Shiban beschränkt sich jedoch auf platte Wiederholung.
Das "Raw Feed"-Prinzip (s. o.) soll anscheinend ein zügig und konsequent umgesetztes Geschehen ersetzen. Blut & Gekröse werden tricktechnisch einwandfrei freigesetzt. Damit füllt man allerdings keine 90 Minuten. Außerdem ärgert sich der Zuschauer, wenn er entdeckt, dass er gar zu offensichtlich manipuliert werden soll. Angst, Ekel und Spannung werden förmlich herbeigezwungen. Die Szenen aus dem Killerbus sind reiner Folter-Porno à la "Hostel", d. h. jämmerlicher Selbstzweck und für die Handlung bedeutungslos.
Shiban selbst muss die Dürftigkeit seiner Drehbuchvorlage bemerkt haben. Er verwässert den Brachialplot, indem er ihn plötzlich mit einer Geistergeschichte verschneidet. Des Killers Opfer spuken auf der Raststätte herum und sorgen für zusätzliche Verwirrung. Womöglich ist der mörderische Trucker längst selbst ein Gespenst. ("Scottys Familientagebuch", ein DVD-Special, deutet dies an.) Die Begegnungen zwischen Nicole und diversen Phantomen sorgen für Turbulenzen, doch die eigentliche Handlung bringen auch sie nie voran.
So entlarvt sich "Rest Stop" als reines Kommerzprodukt, mit dem speziell die Freunde des Horrorfilms - in Sachen Qualität (oder dem Fehlen) bekanntlich hart im Nehmen - erreicht und zur Kasse gebeten werden, die inzwischen das Kino meiden. Dass "Rest Stop" übrigens noch weitaus unterhaltsamer ist als die zweite "Raw Feed"-Produktion "Sublime", spricht zusätzlich gegen dieses zum 'Geheimtipp' hochgejubelten Label.
Horror und Schauspielkunst schließen einander keineswegs unbedingt aus. Vor allem auf einer bestimmten Budgetstufe ist letztere jedoch von sekundärer Bedeutung. Geister, Psycho-Killer und Monster jagen hier Darstellern hinterher, die vor allem jung - sie müssen rennen, klettern & raufen - und ansehnlich (für Nacktszenen zwischen den Metzeleien) sein müssen.
Jamie Alexander und Joey Mendicino sind unter Berücksichtigung dieser Fakten gar keine schlechte Wahl. Der arme Joey hat zwar kein langes Leinwandleben, aber er ist definitiv keiner der geklonten Hollywood-Mimen, die Stimmungen über betont angestrengtes Minenspiel vermitteln. Er tritt zurückhaltend auf und wirkt überzeugend als junger Mann, der sich mit großen Plänen ein wenig übernommen hat.
Wesentlich bodenständiger wirkt Jamie Alexander als Nicole, die zwar aus ihrer alten Existenz in der öden Provinz ausbrechen, sich aber keineswegs planlos in ein neues, chaotisches Neuleben stürzen will; wäre die Reise wie geplant nach Hollywood gegangen, hätte sie ihrem deutlich unorganisiertem Jamie sicherlich bald die Hölle ordentlich heiß gemacht: Nicole liebt zwar Sex im Freien, ist ansonsten jedoch ein 'vernünftiges' Mädchen, das es nach den Statuten des Horrorfilms deshalb verdient hat zu überleben sowie dem Killer mit Schraubenschlüssel, Knarre und anderen Werkzeugen zu Leibe zu rücken. (Übrigens: In der obligatorischen Nacktszene ließ sich Alexander durch ein Körperdouble 'vertreten'.)
Alexander hält sich in dem wirren Geschehen wacker. Auch sie ist kein ausdrucksloses Puppengesicht über silikonverstärkter Brustfront, sondern entspricht dem Typ "hübsches Mädchen von nebenan", wobei ihr energisches Kinn bereits signalisiert, dass Nicole in der Krise zwar schreien, aber sich wehren wird. Ihren Job - das Schauspielen - beherrscht sie gut genug, um in dieser Hinsicht keine Klagen aufkommen zu lassen.
Angenehm zurückhaltend agiert auch Joey Lawrence als vom Pech verfolgter Officer Deacon, der nicht in die Rolle des tumben Cops gedrängt wird, der einfach nicht begreifen will, dass ein Serienkiller umgeht, bis es ihn erwischt. Deacon wird sehr überraschend außer Gefecht gesetzt, und es bleibt ihm Zeit genug, sich seiner Situation sehr bewusst zu werden.
Ihrem mimischen Affen reichlich Zucker dürfen Michael Childers und Diane Salinger als durchgeknallte Biblebelt-Fundis geben. (Wieso Sohn Scotty ein missgestalteter Zwerg ist, bleibt unklar; für die eigentliche Handlung bleibt das wieder einmal unerheblich.) Welches (komische) Potenzial in diesen Figuren steckt, dürfen sie in einem eigenen Kurzfilm zeigen, der als "Scottys Familientagebuch" dem Hauptfilm folgt.
Weitgehend unsichtbar bleibt unser Killer; wie richtig dies ist, belegt eines der alternativen Enden (s. u.), das ihn in vollem Licht zeigt: Plötzlich steht da nur noch ein lächerlicher Hillbilly.
~ Exkurs: Eine lange Nase für die deutschen Splatterfans ~
Die Bedeutung der blutigen Effekte in einem ansonsten eher blutarmen Film wurde weiter oben bereits angesprochen. Unter dieser Voraussetzung sind die deutschen Zuschauer freilich doppelt angeschmiert: "Rest Stop" erschien hierzulande keineswegs in einer "unrated"-Version. Das merkt auch der Laie, wenn die Handlung dort, wo es endlich 'interessiert' (= garstig) zu werden verspricht, plötzlich einen unerklärlichen Sprung macht. Wieso läuft Nicole plötzlich mit verbundener Hand durch das Bild? Der perverse Killer hat ihr einen Zeigefinger abgebissen. Das muss sich der Zuschauer selbst zusammenreimen; die Bilder blieben in der Schublade einer der zahlreichen Institutionen, die in Deutschland die ja nicht mehr existierende Zensur ersetzt haben.
Es fehlen weiterhin: Killers Foltereinsatz per Bohrmaschine (im Covertext eigens erwähnt); Deputy Deacons nach Kopfschuss Nr. 1 über den Boden kreiselndes Ohr (Kopfschuss Nr. 2 dürfen wir dagegen in voller Pracht bewundern); Jessies Zungencut per Gartenschere. Man würde dies nicht vermissen, wäre es filmisch verfremdet oder weniger explizit dargestellt worden. Hier, wo kristallklar gezeigte Brutalität integrales Element des Films ist, wirkt diese Bevormundung wie ein Schlag ins Gesicht - und Bevormundung ist es, wird "Rest Stop" doch ohnehin nur an volljährige Zuschauer entliehen und verkauft.
Wieso kann nun Ihr Verfasser die gekappten Szenen so deutlich beschreiben? Nun, sie werden in voller Länge im DVD-Feature über die Special Effects gezeigt ... sogar mehrfach und in bester Bildqualität. Was dies über Schizophrenie oder Scheinheiligkeit der deutschen Quasi-Zensoren aussagt, möge sich jede/r Leser dieser Zeilen selbst beantworten.
~ Daten ~
Originaltitel: Rest Stop - Dead Ahead
USA 2006
Regie: John Shiban
Drehbuch: John Shiban
Kamera: Mark Vargo
Schnitt: Richard Byard
Musik: Bear McCreary
Darsteller: Jamie Alexander (Nicole Carrow), Joey Mendicino (Jess Hilts), Deanna Russo (Tracy Kress), Joey Lawrence (Officer Michael Deacon), Michael Childers (irrer Fundamentalisten-Vater), Diane Louise Salinger (irre Fundamentalisten-Mutter), Gary Entin, Edmund Entin (irre Fundamentalisten-Zwillingssöhne), Mikey Post (Scotty), Jennifer Cormack (Studentin), Nick Orefice (Killer) u. a.
Anbieter: Warner Home Entertainment
Erscheinungsdatum: 13.07.2007 (Verleih-DVD u. Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (1,85 : 1 anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (deutsch, englisch, spanisch)
Untertitel: Deutsch u. Englisch (auch für Hörgeschädigte), Spanisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: ca. 85 min.
FSK: keine Jugendfreigabe
~ DVD-Features ~
- Feature 1 - "Im Bus": Längere Version der Szenen, die im Folterbus des Killers spielen (und die der deutsche Zuschauer im Hauptfilm nur ansatzweise zu Gesicht bekommt).
- Feature 2 - "Scottys Familientagebuch": Scotty bannt Szenen aus dem Leben seiner übergeschnappten Familie auf Video; dieser kurze Streifen übertrifft den Hauptfilm zumindest in seinem kruden Einfallsreichtum und Witz um Längen.
- 5 Alternative Enden: Interessant anzuschauen, weil sie viel über die Ratlosigkeit des Regisseurs und Drehbuchschreibers darüber verraten, was er uns eigentlich erzählen wollte. Die Entscheidung für das 'offizielle' Ende war übrigens die richtige.
- Hintergrund-Info: Regisseur John Shiban über die Special Effects: Hier sehen wir, wie die (in der deutschen Fassung drastisch geschnittenen) Splatterszenen entstanden. Damit wir begreifen, werden sie gleich mehrfach gezeigt und sprechen den Übergriffen der deutschen Zensur zwar unfreiwillig aber wirksam Hohn.
- Interview mit Jamie Alexander: Die junge Darstellerin erzählt von ihrer Herkunft, ihrer noch kurzen Karriere und den Dreharbeiten zu "Rest Stop". Da immer wieder Szenen von den Dreharbeiten eingespielt werden, gleicht dieses Feature eher einem Making-of.
- Trailer
- Redakteur:
- Michael Drewniok