Frank Patch - Deine Stunden sind gezählt
- Regie:
- Don Siegel / Robert Totten
- Jahr:
- 1969
- Genre:
- Western
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Death of a Gunfighter
1 Review(s)
31.07.2007 | 18:13Actionreich und spannend: Tod eines Gunfighters
Seit zwanzig Jahren sorgt Marshall Frank Patch (Richard Widmark) im texanischen Städtchen Cottonwood Springs für Recht und Ordnung. Als er eines Tages in Notwehr einen Mann erschießt, wollen die Mächtigen der Stadt ihn stürzen, obwohl er auf Lebenszeit in sein Amt gewählt wurde. Plötzlich steht Frank Patch selbst auf der Abschussliste ...
Filminfos
O-Titel: Death of a Gunfighter (USA 1969)
Dt. Vertrieb: Koch Media (22. Juni 2007)
FSK: ab 12
Länge: ca. 94 Min.
Regisseur: Don Siegel, Robert Totten (im Vorspann als "Allen Smithee")
Drehbuch: Joseph Calvelli, Lewis B. Patten nach Pattens Romanvorlage
Musik: Oliver Nelson
Darsteller: Richard Widmark, Carroll O'Connor, David Opatoshu, Dub Taylor, Jacqueline Scott, John Saxon, Kent Smith, Larry Gates, Lena Horne, Morgan Woodward u. a.
Handlung
Der junge Dan Joslin besucht seinen väterlichen Freund Marshall Frank Patch (Widmark). Da nichts los ist in Cottonwood Springs, ruht sich Frank in seiner eigenen Knastzelle aus. Dann reitet Frank seine abendliche Patrouille durchs das aufstrebende Städtchen. Doch ein Saufbold namens Luke Mills kommt gerade frustriert und gedemütigt von einer Nutte und will Dampf ablassen. Als Frank durch den Mietstall reitet, ballert Luke los, verfehlt den Marshall aber. Doch Frank zielt wesentlich besser als Luke und schießt Luke an. Er bringt den Verletzten in den Saloon von Claire Quintana (Lena Horne) und legt ihn auf den Billardtisch. Schließlich ist ein Polizist ja kein Arzt.
Einer der Mächtigen der Stadt, Ivan, und seine Frau sehen den Vorgang mit Entrüstung. Luke ist in den 20 Jahren von Frank Patchs Dienst als Dorfpolizist schon das 13. Opfer. Nun reicht es, finden sie. Als Bürgermeister Chester mit seinem nagelneuen Auto - man schreibt immerhin schon das 20. Jahrhundert - vor dem Saloon vorfährt, wird er Zeuge der Letzten Ölung für Luke Mills. Nach Lukes Tod landet seine Leiche beim Bestatter. Dan lauscht ein bisschen am Fenster: Die Gerüchte, die da ausgetauscht werden, klingen nicht gut für seinen Freund Frank. Es heißt, der Stadtrat wolle ihn loswerden. Und zwar nicht nur wegen der Leichen, die Franks Weg pflastern, sondern vor allem wegen de vielen intimen und peinlichen Details, die der Marshall über die Stadtgewaltigen erfahren hat. Er könnte jeden einzelnen von ihnen erpressen, wenn es ihm einfiele. Dan warnt Frank vor dem kommenden Unheil.
Als Frank und Dan friedlich am Bach angeln, taucht der vollzählige Stadtrat auf und übergibt Frank den Beschluss seiner Entlassung. Das Versprechen, das man ihm einst gab, er werde auf Lebenszeit eingestellt, könne er vor Gericht nicht einfordern. Unter den Anwesenden ist auch der Zeitungsmann Andy Oxley, der Frank beleidigt. Frank schlägt ihn nieder und deutet seinerseits gewisse Charakterschwächen Oxleys an, bevor er davonreitet. Oxleys Adoptivsohn Will fragt den Mann, den er bisher für seinen leiblichen Vater gehalten hat, was dahintersteckt, doch die Scham verschließt Oxleys Mund.
Wieder wird Dan zufällig Zeuge (er ist unser Gewährsmann) eines bedrohlichen Vorgangs. Andy Oxley legt sich in einem vergessenen Zimmer des Saloons "The Alamo" auf die Lauer, um Frank Patch, der ihn an einen schwarzen Fleck in seiner Vergangenheit erinnert hat, aus dem Hinterhalt zu erschießen. Frank, der schon auf der Hut ist, bemerkt die Gefahr, geht aber trotzdem erst zu Claire Quintana in den Saloon. Als ein naiver Junge in den Saloon platzt und die Nachricht verbreitet, Oxley wolle den Sheriff erschießen, sind erst alle peinlich berührt, dann rennen die Gäste in Scharen davon.
Frank Patch macht sich eilends auf den Weg zu Andy Oxley, um diesen Konflikt friedlich beizulegen. Doch er kommt zu spät ...
Mein Eindruck
Andy Oxley dient nur als Beispiel für die Altlasten der Vergangenheit, die auf Cottonwood Springs lasten, das sich nun endlich in die Zivilisation des 20. Jahrhunderts einreihen will. Doch die Last wird ungleich bewältigt. Frank Patch kann schweigen wie ein Grab und seine Arbeit tun. Er kennt seine Verantwortung und erklärt sie auch seinem Ersatzsohn Dan Joslin. Es ist das gleiche Argument, das John McClane anführt: "Jemand muss diese Aufgabe übernehmen." Frank hat sich seiner Verantwortung gestellt, doch seine Methoden sind die blutigen Du-oder-ich-Methoden des alten Westens. Damit können die Stadtväter nichts mehr anfangen, obwohl sie ihn einst angestellt haben.
~ Opportunisten ~
Die Stadtväter haben die Jagdsaison eröffnet, um Frank loszuwerden, egal wie. Das weiß auch der Saloonbesitzer Lester, der sich bei ihnen einschleimen will. Auf einmal hat Frank nicht nur Oxley und Oxleys Sohn am Hals, sondern auch Lesters opportunistische Ballermänner. Frank kann Lester mit dem Lasso einfangen - eine ganz neue Methode, die zeitgemäß erscheint. Doch Frank weiß, dass die eigentliche Gefahr nicht beseitigt ist. Der Bezirkssheriff Lou, den er einst ausbildete, will Frank zum Rücktritt von seinem Amt überreden, fängt sich aber nur Schrammen ein. Die Revolverhelden der Stadtväter warten schon ...
Es ist also höchst ironisch, dass die Stadtväter, die ihrer Stadt doch die Zivilisation bringen wollen, zu allen Mitteln greifen, um den Gesetzesvertreter loszuwerden. Dass sie dabei selbst die Gesetze von Anstand, Moral und des Strafgesetzbuches brechen, scheinen sie billigend in Kauf zu nehmen. Sie desavouieren dabei ihren eigenen Vorsatz und die hehren Ziele, die sie anzustreben vorgeben. Dabei geht es ihnen lediglich um gute Geschäfte, die sie in einer Stadt ohne Sheriff besser, das heißt skrupelloser verfolgen können als je zuvor. Herr Pate, bitte übernehmen Sie!
~ Zeitenwende? ~
Dieser actionreich von Don Siegel ("Dirty Harry") inszenierte Spätwestern schildert also eine Zeitenwende, doch es ist höchst fraglich, ob sich durch den Mord an Marshall Patch alles zum Besseren wenden wird. Wieder ist eine Altlast hinzugekommen und die Stadtväter werden bemüht sein, sie unter den Teppich zu kehren, genau wie alle anderen Altlasten zuvor. Ihre Methoden haben sich im Gegensatz zu denen des Marshalls nicht geändert. Sie setzen nicht auf Anwälte, sondern auf blaue Bohnen. Ausgerechnet der Jude Henry ist gegen diese Haltung. Und Oxley gibt als ewiger Mitläufer zu allen Schandtaten sein Plazet.
~ Vorbilder ~
Nun kann man sich fragen, ob "Frank Patch" eine späte Reaktion ist auf Fred Zinnemans Klassiker "High Noon". Darin erhielt Gary Cooper von niemandem in seiner Stadt Hilfe gegen die Schurken, außer von seiner Verlobten (Grace Kelly). In der direkten Reaktion trat John Wayne als entschlossener Sheriff in "Rio Bravo" auf. Und darin schart er eine Schar unwahrscheinlicher Helfer um sich, um sich der Gefahr entgegenzustellen. Doch "Frank Patch" steht letzten Endes wie Gary Cooper ganz allein, denn es gibt niemanden an seiner Seite, nicht einmal seine frisch angetraute Frau, Claire Quintana.
Frank wehrt sich lange gekonnt seine Haut, während sich die Stadt und ihre Einwohner immer wieder gegen ihn wenden. Er ist nun wie Dirty Harry ein Einzelkämpfer, der keinen sozialen Rückhalt mehr hat (außer einen ideellen und moralischen). Auf seinem letzten Gang mutete er mich an wie Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung, und in der Tat wirkt sein Ende wie ein Märtyrertod, herbeigeführt von den Philistern.
~ Die Gretchenfrage ~
In diesem religiösen Kontext spielen die Figuren der zwei Kirchenvertreter eine bedeutsame Rolle. Es gibt den evangelischen Pastor, der Claire und Frank traut. Doch er sitzt nicht im Stadtrat. Dort tritt vielmehr der katholische Priester auf, der seine Predigten etc. noch in Latein rezitiert. Er hat zwei bedeutsame Szenen. Als der junge Priester das Glaubensbekenntnis zu Ehren des aufgebahrten Luke Mills spricht, verfälscht er den Text in der deutschen Synchronisation zu "Dein Sohn Jesus, gekreuzigt, gestorben und niedergefahren zur Hölle" statt "aufgefahren zum Himmel". In der zweiten Szene erweist Frank dem aufgebahrten Luke und dessen trauernder Witwe seine Reverenz, erntet aber kein Wort des Verständnisses vom Priester, der ja schon vom Verrat des Stadtrats an Frank weiß. Der Priester ist zum Judas geworden. Folgerichtig betet er nicht für Frank, sondern für sein eigenes Seelenheil.
~ Engagierte Kritik ~
Wenn man also genauer hinsieht und hinhört, so weist dieser Spätwestern ganz schön viel Biss auf. Die Schießereien kommen in schöner Regelmäßigkeit und zwar deshalb, weil jede von ihnen einen der fünf Akte als Höhepunkt abschließt. Diese Tragödie hat nicht nur wie das antike Vorbild fünf Akte, sondern endet auch folgerichtig mit dem - unverschuldeten - Tod des Helden. Er stand bis zuletzt für das Ideal, das er verteidigte: das Recht auf die Bewahrung und den Schutz von Leben und Eigentum, sein eigenes wie auch das seiner ihm anvertrauten Mitbürger (Dan Joslin, Claire Quintana, Laurie Mills). Dass dieses Recht von den Stadtvätern mit Füßen getreten wird, lässt für die Zukunft von Cottonwood Springs nichts Gutes erwarten. Und Cottonwood ist überall.
Epilog: Wie schon im Prolog verlässt eine Witwe in einem Zug die Stadt, in dem ein Sarg abtransportiert wird. Und Lena Horne (alias Claire Quintana) singt im Titelsong elegisch von einer verlorenen Liebe ...
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: keine
Extras:
- 4-seitiges Booklet
- Bildergalerie
- US-Kinotrailer
Mein Eindruck: die DVD
Die restaurierte und digital bearbeitete Fassung des Klassikers lässt die Farben wieder in alter Pracht erstrahlen, so dass sich das Auge des Westernfreundes sattsehen kann. Auch der Sound liegt als Dolby Digital 2.0 in einem sehr akzeptablen Qualitätsstandard vor. Untertitel gibt es wie in Koch-Medias Westernreihe üblich keine.
Der originale US-Kinotrailer wird seiner Aufgabe, dem Publikum Appetit auf diesen Streifen zu machen, hundertprozentig gerecht. Die von Don Siegel inszenierten Shootouts sollten selbst Tote aufwecken können. Eine deutschsprachige Entsprechung wurde offenbar nicht gefunden. Der Trailer weist ausdrücklich auf "High Noon" hin.
Die Bildergalerie läuft nicht von selbst ab wie früher, sondern lässt sich nun Bild für Bild anklicken. Sie enthält zahlreichen Szenenfotos, sogar ein Foto vom Dreh, aber keinerlei Starfotos, wie man sie aus dem früheren Studiosystem der fünfziger Jahre kennt. Auch ein deutsches Presseheft sucht man vergeblich.
Im vierseitigen Booklet mokiert sich der Journalist Richard Oehmann köstlich und mit wohlgesetzten Worten über die Tatsache, dass hier "Alan [oder Allen] Smithee" sein Regiedebüt gab. Das Pseudonym Smithee wird seither immer für Regisseure verwendet, die nicht ihren - mehr oder weniger - guten Namen für ein Machwerk hergeben.
Und das kam so. Robert Totten sollte hier seinen Erstling abdrehen, aber Richrad Widmark, der unbestrittene Star des Films, kam nicht mit ihm zurecht, so dass Totten nach nur drei Wochen gefeuert wurde. "Don Siegel drehte den Rest, lehnte es aber ab, als Regisseur genannt zu werden. So wurde geschwind Alan Smithee erfunden, um die Verantwortung zu übernehmen. Joe Calvelli zog seinen Namen nicht zurück, obwohl die Geschichte ihm (als Drehbuchautor) ihre Überfrachtung verdankt." Totten inszenierte später nur noch fürs TV, von "Bonanza" bis "Magnum" und dürfte so sein gutes Auskommen gehabt haben.
Dieser kleine Film-Essay ist kenntnisreich und weist auf weitere Aspekte der Handlung hin, das Booklet bildet also eine willkommene Ergänzung. Und das mit der "Überfachtung der Handlung" sehe ich als nicht so schwerwiegend an. Zwei Vierfarbfotos von Widmark zieren das Booklet. Sogar die CD ist mit einem Szenenfoto bedruckt: Claire steht sich anlehnend hinter ihrem Mann Frank.
Unterm Strich
Hier kommt keine Langweile auf. In jedem der fünf Akte bildet eine Schießerei (oder zumindest ein tödlicher Schuss) den Höhepunkt. Dass sich die Spannung zum dramatischen und tragischen Schluss hin steigert, ist folgerichtig und willkommen. Actionspezialist Don Siegel, vor allem für seinen "Dirty Harry"-Film sowie "Flucht von Alcatraz" bekannt, inszeniert die Tragödie eines aufrechten Mannes, der für ein scheinbar veraltetes, auf jeden Fall aber unwillkommenes Ideal kämpft: das Recht auf körperliche Unversehrtheit und den Schutz von Leben und Eigentum.
Richard Widmark wird der Rolle als letzter Gunfighter vollauf gerecht, auch wenn die Geschichte an sich ein wenig mit Themen und Konflikten überfrachtet wirken könnte. Aber so waren die Antiwestern jener Zeit. Dies ist eine der letzten Einzelgänger-Tragödien, im Stil von "High Noon" oder "Rio Bravo", aber viel pessimistischer und "dreckiger". Die nächste Stufe sind Sozialstudien wie "McCabe und Mrs Miller" (1971) von Robert Altman sowie "The Wild Bunch" (1969) von Peckinpah, die Antithese bildeten m. E. die Spaghetti-Western, etwa Leones Dollar-Trilogie (bis 1966).
Die DVD mit der restaurierten Fassung ist ein Sammlerstück und gehört in jede wohlsortierte Westernsammlung. Booklet, Trailer und Bildergalerie liefern willkommene Hintergrundinformationen und viele weitere Bilder. Da lassen sich die fehlenden Untertitel gut verschmerzen.
Fazit: ein Volltreffer.
- Redakteur:
- Michael Matzer