Ten Minutes Older: The Trumpet
- Regie:
- Diverse
- Jahr:
- 2002
- Genre:
- Kurzfilm
- Land:
- Großbritannien / Deutschland / Spanien / Niederlande / Finnland / VR China
- Originaltitel:
- Ten Minutes Older: The Trumpet
1 Review(s)
21.02.2003 | 13:22„Ten Minutes Older” ist ein Episodenfilm, dessen Konzept es vorsieht, dass die beteiligten Regisseure jeweils einen Kurzfilm mit ungefähr zehn Minuten Länge, die sich in irgendeiner Form mit der Zeit beschäftigen, abliefern. Da das Projekt schließlich regen Zuspruch unter namhaften Regisseuren fand, beschlossen die Produzenten, die Idee zu zwei Filmen zu verarbeiten. Der erste, der hier besprochen wird, trägt den Untertitel „The Trumpet“, weil die filmischen Visionen hier in vom Trompeter Hugh Masekela vertonte Sequenzen eingebettet wurden. Der zweite mit dem Titel „The Cello“ wird noch folgen. In „The Trumpet“ sind sieben Werke zu sehen, deren Regisseure zweifellos zu den bedeutendsten Autorenfilmer unserer Zeit zählen.
Dogs Have No Hell
Regie: Aki Kaurismäki
Ein Mann hat eine Entscheidung getroffen, die nun sein Handeln verlangt. Noch am selben Tag will er gen Sibirien aufbrechen, wo er nach Öl bohren möchte. Schnell verkauft er seinen Anteil an einem Geschäft und sucht seine Geliebte auf, um ihr einen Antrag zu machen. Die will aber zumindest einen passenden Hochzeitsring. Doch die Zeit bis der Zug abfährt, ist schon knapp.
Der Finne Aki Kaurismäki vereint erneut die beiden Hauptdarsteller seines letzten Hits „Der Mann ohne Vergangenheit“ („Mies vailla menneisyyttä“), Markku Peltola und Kati Outinen, in einem Film mit dem für ihn typischen lakonischen, minimalistischen Stil. Leider reichen ihm die zehn Minuten nicht aus, um die Geschichte zu entwickeln und die Charaktere zu entfalten.
Lifeline
Regie: Victor Érice
In ruhigen, bedeutungsschwangeren Bildern erzählt Victor Érice eine surreale Geschichte. Während die Nazis 1940 halb Europa in Kriegswirren gestürzt haben, geht man in einem kleinen spanischen Ort friedlich seiner täglichen Arbeit nach. Der sich ständig vergrößernde Blutfleck in einem Kinderbett bleibt lange unbemerkt, genauso wie der Schrecken des Krieges die Gemeinde noch nicht erreicht hat.
Die komplexe, schwarz-weiße Bilderwelt, die Érice dem Zuschauer hier offenbart, ist sicherlich nicht leicht zu entschlüsseln, aber vermag es doch aufgrund interessanter Metaphorik die Neugierde des Zuschauers zu wecken. Allerdings schafft der Film es nicht, im Kontext des Episodenfilms seine volle Wirkung zu entfalten.
Ten Thousand Years Older
Regie: Werner Herzog
Werner Herzog ist einer von zwei Regisseuren, deren Beitrag ein Dokumentarfilm ist. Wieder einmal sucht Herzog den Dschungel auf, um einen brasilianischen Indianerstamm zu portraitieren. Dieser war erst vor ein paar Jahrzehnten in Kontakt mit der sogenannten zivilisierten Welt gekommen und hat dadurch innerhalb eines Tages eine Entwicklung von mehreren Tausend Jahren übersprungen. Was nun aus dem Stamm geworden ist, erfragt Herzog in einem Gespräch mit dem Häuptling und dessen Bruder.
Dieser Film leidet darunter, dass vieles von dem, was Herzog im Off-Kommentar erzählt, nicht durch Bilder gestützt wird. Vieles bleibt im Dunkeln, und ein roter Faden ist auch nicht zu erkennen. Daher schafft es Herzog leider nicht, das Interesse des Zuschauers zu befriedigen.
Int. Trailer. Night
Regie: Jim Jarmusch
Zehn Minuten hat die Schauspielerin Drehpause und zieht sich in ihren Trailer zurück. Doch auch dort hat sie keineswegs ihre Ruhe. Ständig wird sie von allen möglichen Crew-Mitgliedern gestört, so dass sie sich letztendlich nicht richtig entspannen kann.
Jim Jarmusch verzichtet darauf, eine tatsächliche Story entwickeln. Er versucht stattdessen mithilfe einer eleganten Schwarzweiß-Fotografie eine Momentaufnahme zu kreieren. Nur leider fehlt es dem ganzen an dem sonst für Jarmuschs Filme typischen Pepp, und die zugrundeliegende Idee ist einfach zu wenig, um die zehn Minuten auszufüllen. Daher verliert der Zuschauer recht schnell das Interesse am Gezeigten.
Twelve Miles to Trona
Regie: Wim Wenders
Das nächste Krankenhaus ist das Ziel eines Autofahrers, der versehentlich “Kekse für Erwachsene” gegessen und so unwissentlich einen ordentlichen Drogencocktail zu sich genommen hat. Die schreckliche Vermutung, eine Überdosis intus zu haben, steigt in ihm auf. Doch die Gegend ist verlassen und bis zum nächsten Krankenhaus in Trona sind es noch zwölf Meilen. Langsam beginnen die Drogen ihre volle Wirkung zu entfalten, und die Gegend um in herum nimmt plötzlich seltsame Farben und Formen an.
Da Wim Wenders voll auf die Visualisierung eines unfreiwilligen Drogenrausches setzt, ist sein Film der bunteste und lauteste von allen. Er lässt den Zuschauer teilhaben am Erleben seines Protagonisten und schickt ihn mit auf den Drogen-Trip. Das ist sehr spaßig, eine Aussage hinter all dem sollte man aber freilich nicht erwarten.
We Wuz Robbed
Regie: Spike Lee
Der zweite dokumentarische Beitrag stammt von Spike Lee, der anhand der Aussagen von Wahlhelfern Al Gores die Wahlnacht, in der George W. Bush vorzeitig von der Presse zum Sieger erklärt wurde, zu beleuchten versucht. Dass man von einem Film, der nur eine Seite zu Wort kommen lässt, keine Objektivität erwarten kann, ist klar, aber die Einseitigkeit ist sicherlich auch gewollt.
Lees Versuche, dem ganzen einen satirischen Touch zu geben, sind auch nicht unbedingt von überwältigendem Erfolg gekrönt. Daher ist dieser Filme wohl bloß für Leute interessant, die die Sichtweise der Demokraten von den Geschehnissen in jener Nacht erfahren möchten. Nur wirkt der Film leider viel zu hektisch und nervös, weshalb der Zuschauer schnell müde wird, dem ganzen zu folgen.
100 Flowers Hidden Deep
Regie: Chen Kaige
Ein älterer Mann beauftragt eine Spedition, ihm beim Umzug zu helfen. Nur existiert das Haus, zu dem er die Mannen der Spedition schickt, nur noch in seiner Fantasie, da die Siedlung, in der es sich befand, schon vor einiger Zeit niedergerissen wurde. Da es aber für das Herumschleppen imaginärer Möbel reales Geld gibt, sind die Spediteure dem Alten gefällig und tun so, als wären die Möbel tatsächlich existent.
Mit viel Wehmut und einem guten Schuss Tragikomik inszeniert Chen Kaige eine Geschichte über die Vergänglichkeit. Aber auch Vergangenes hat irgendwo Fortbestand, und wenn es nur in den Köpfen alter Menschen ist. Das ist eine schöne Grundidee und wurde auch auf gelungene Weise in eine Bilderwelt umgesetzt.
Es fällt mir fast schon schwer, das zu sagen, aber „Ten Minutes Older: The Trumpet“ ist trotz der hochkarätigen Regisseure eine herbe Enttäuschung (vor allem auch, da zwei meiner persönlichen Lieblingsregisseure, Herzog und Jarmusch, nichts wirklich sehenswertes abgeliefert haben). Es scheint, als seien die minimalen Vorgaben für die einzelnen Filme schon ein zu enges Korsett für die Filmschaffenden. Gelungen sind eigentlich nur „100 Flowers Hidden Deep“, „Twelve Miles to Trona“ und „Lifeline“, wobei letzterer in einem anderen Rahmen wesentlich besser aufgehoben wäre. Auch ist die Zusammensetzung der einzelnen Beiträge nicht besonders gut, da gerade am Anfang die ruhigen Filme aufeinanderfolgen und die flotteren geballt an den Schluss gesetzt wurden. Traurig, aber wahr: Dieses Projekt ging daneben.
- Redakteur:
- Andreas Fecher