Attack The Gas Station
- Regie:
- Kim Sang-Jin
- Jahr:
- 1999
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Südkorea
- Originaltitel:
- Juyuso seubgyuksageun
1 Review(s)
21.05.2007 | 13:34Langeweile ist lästig. Das ist bekannt. Wenn nichts los ist, kann man auf abgefahrene Ideen kommen. Und dies kann sowohl positive als auch negative Konsequenzen nach sich ziehen. Viele Großtaten – insbesondere im künstlerischen Bereich – wären niemals zustande kommen, hätten die Verantwortlichen einen vollen Terminkalender gehabt, der für Kreativität keinen Platz lässt. Wenn man Quentin Tarantino in seiner Videothek mit Arbeit zugeschmissen hätte, wäre jetzt vermutlich einiges anders – und schlechter. Okay, John Travolta wäre ausschließlich der gealterte Tänzer aus "Saturday Night Fever" und "Grease", womit man durchaus leben könnte. Aber der Rest wäre schlechter. Die Schattenseiten der fehlenden Auslastung sind allerdings ebenso geläufig. Langeweile hat aus Arnold Schwarzenegger keinen Schauspieler und aus Michael Bay oder Uwe Boll keine Regisseure gemacht.
Auch die vier Protagonisten in Kim Sang-Jins Anarcho-Komödie "Attack The Gas Station" wissen nichts mit ihrer Zeit anzufangen. Und auch ihre Antriebslosigkeit bringt das eine oder andere Problem für ihre Umwelt mit sich, wenn auch in einem etwas kleineren Rahmen als bei den genannten Herren. Frustriert vom Leben und auf der Suche nach Beschäftigung tun sie das, was jeder an ihrer Stelle tun würde: eine Tankstelle überfallen. Logisch! Alles funktioniert sogar reibungslos. Die Taschen werden voll- und die Tankstelle kaputtgemacht. Die Stimmung ist gut – so gut, dass man sie in den nächsten Tag herüberrettet und die Aktion an demselben Ort gleich noch mal stattfinden lässt. Diesmal geht der Raubzug natürlich gründlich in die Hose, was in einer keineswegs ohne Spannungen verlaufenden Geiselnahme mündet.
Für "Attack The Gas Station" gebührt Kim Sang-Jin Anerkennung. Anerkennung dafür, dass sein Film konsequent respektlos ist und der ausgestreckte Mittelfinger von rechts nach links durchs Bild wandert, ohne dabei Anarchie zu propagieren. Die vier Hauptfiguren lehnen sich gegen das System auf, haben aber Prinzipien und sind keineswegs unbelehrbare asoziale Spinner, obwohl sie teilweise nicht zimperlich sind (einer der Jungs trägt den feinen Spitznamen "Bulldozer") und etwas abdrehen. Diese Abgedrehtheit wird durch einen gewagten Klamottenstil, der modische Fouls wie Buxen in Schlangenlederoptik, fiese Jacketts und einem Südwester nicht unähnliche Kopfbedeckungen zulässt, von Beginn an nach außen gekehrt.
Koreaner haben genau wie Chinesen und Japaner ein Faible für direkten und "physischen" Humor, der von Overacting begleitet wird, so dass sich einige Elemente von Kim Sang-Jins Welt für gewisse Publikumsschichten nicht unbedingt erschließen werden. Allerdings hat man zu keiner Sekunde das Gefühl, von Albernheiten belästigt zu werden, was man beispielsweise von den nett gemeinten, aber vollkommen unlustigen und daher entbehrlichen Gagversuchen eines Michael Herbig nicht behaupten kann. Und selbst in der wie immer allerhöchstens durchschnittlichen deutschen Synchronisation dringt sogar mal ein bisschen Wortwitz bis zum Zuschauer vor (wer bei großen Hollywoodproduktionen über die deutsche Fassung meckert, hat noch nie asiatische Filme gesehen).
Dass "Attack The Gas Station" kein plattes Slapstick-Vehikel ist, machen die zahlreichen ernsten Zwischentöne deutlich. Themen wie Korruption, Leistungsdruck, Perspektivlosigkeit oder Machtmissbrauch werden angeschnitten, zwar nicht in allen Einzelheiten auseinandergenommen und aufgearbeitet, aber auch nicht so oberflächlich behandelt, dass der Eindruck entsteht, sie wären nur in die Handlung gebettet, um Anspruch vorzutäuschen. Und dieser Balanceakt zwischen Komik und der Vermittlung einer Botschaft gelingt nicht vielen Streifen.
Als Freund des asiatischen Films sollte man "Attack The Gas Station" gesehen haben, und wer die Ami-Komödien-Dutzendware satthat, findet hier eine willkommene Alternative.
- Redakteur:
- Oliver Schneider