heilige Hure, Die - Sex aus Mitleid
- Regie:
- Laura Mañá
- Jahr:
- 2000
- Genre:
- Drama
- Land:
- Spanien
- Originaltitel:
- Sexo por compasión
1 Review(s)
25.04.2007 | 12:53Der Mann ist schon ein seltsam Ding. Seine Wünsche an die Frau könnten widersprüchlicher nicht sein. Einerseits soll die Gemahlin gewissenhaft und treu sowie häuslich und tugendhaft sein. Andererseits muss ihr etwas Verruchtes und Impulsives anhaften. Spontaneität darf ihr nicht fehlen – schon gar nicht in sexuellen Angelegenheiten. In der weiblichen Brust haben zwei Herzen zu schlagen, nämlich das der Heiligen und das der Hure. Nur die Kombination aus beiden Extremen regt die männliche Phantasie an und manifestiert sich in einem starken Sehnsuchtsempfinden.
Diese Erfahrung muss auch Dolores (Elisabeth Margoni) machen. Mit ihrem krankhaften Gutmenschentum verschafft sie sich zwar viel Respekt innerhalb der Dorfgemeinde, ihren Mann Manolo (José Sancho) vergrault sie jedoch auf diese Weise. Als durchaus aufgeweckte und aufgeschlossene Person erkennt sie, dass es nur einen Weg gibt, ihren Gatten zurück zu gewinnen. Sie muss sündigen, um wieder attraktiver für ihn zu werden. Und die wohl schlimmste Sünde in einem erzkatholischen Dorf ist es, mit einem anderen Mann zu schlafen. Gedacht, getan. Anstatt sich allerdings ins bewusste Abseits zu manövrieren, rückt sie durch ihren Ehebruch weiter ins Zentrum des Dorflebens und macht sich für Männer und Frauen gleichermaßen unentbehrlich.
Schnell spricht sich herum, dass sich Dolores fremden Männern hingibt. Doch es ist nicht der sexuelle Akt an sich, der einen Großteil der männlichen Bevölkerung dazu bewegt, der heiligen Hure einen Besuch abzustatten. Es ist vielmehr das Gefühl, das der Sex bei ihnen auslöst. Die Männer finden zu alter Kraft und Heiterkeit zurück. Ihre Arbeit macht ihnen auf einmal wieder Spaß; die stark vernachlässigten Frauen bekommen die von ihnen gewünschte Aufmerksamkeit. Die einzige, die weiterhin unglücklich ist, ist Dolores. Sie kann nicht aus ihrer Haut, schläft mit immer mehr Männern, als sie bemerkt, welch positive Energien sie freizusetzen vermag. Die Sünde pervertiert zur guten Tat, sodass sie ihr eigentliches Ziel, nämlich Manolo neu zu erobern, immer weiter aus den Augen verliert.
Mit einem Augenzwinkern dekonstruiert Laura Mañá die Figur der heiligen Hure. Indem moralische Fragestellungen dem Wohlbefinden des Menschen untergeordnet werden, verschwimmen die Grenzen zwischen Recht und Unrecht, Gut und Böse. Je anstößiger sich Dolores benimmt, desto unschuldiger erscheint sie. Ihre Sünde verkehrt sich in ein Martyrium, das ihren Heiligenstatus weiter zementiert. Anders als beispielsweise Brecht, dessen ”Dreigroschenoper” eine ähnliche Intention hatte, setzt Mañá allerdings auf eine luftige und leichte Inszenierung. Ganz in der Tradition des magischen Realismus arbeitet die spanische Regisseurin zauberhafte Momente in ein eher trostloses Umfeld ein. Auch in visueller Hinsicht: Nachdem sich die Stimmung im Dorf gebessert hatte, weicht das düstere Schwarz-Weiß plötzlich kräftigen Farben. Eine der überzeugendsten Szenen und symptomatisch für den Film.
Bezüglich der Bild- und Tonqualität gibt es nichts zu beanstanden. Für Originaltonfanatiker befindet sich eine spanische Tonspur auf der DVD, wobei die deutsche Synchronisation einen durchaus stimmigen Eindruck macht. An weiteren Extras gibt es ein Making-Of, eine Bildergalerie sowie eine Trailershow. Sowohl die Ausstattung als auch der eigentliche Film lassen wenig zu wünschen übrig. Insbesondere diejenigen, die keine Berührungsängste mit ungewöhnlichen Stoffen und originellen Umsetzungen haben, können bedenkenlos zugreifen.
- Redakteur:
- Marco Pütz