Lisa und der Teufel
- Regie:
- Mario Bava
- Jahr:
- 1972
- Genre:
- Horror
- Land:
- Italien
- Originaltitel:
- Lisa e il diavolo
1 Review(s)
06.04.2007 | 06:29Horror-Erotik: Unschuldsengel auf Höllenfahrt
Die junge Amerikanerin Lisa Reiner (Elke Sommer) verirrt sich hoffnungslos in den Gassen einer kleinen spanischen Stadt. Ihr Weg führt sie in eine alte abgelegene Villa. Hier leben eine alte blinde Gräfin, ihr Sohn Maximilian und der Butler Leandro (Telly Savalas). Maximilian glaubt in Lisa die Reinkarnation seiner toten Braut Elena zu erkennen und überredet seine ablehnende Mutter dazu, die Reisende in der Villa übernachten zu lassen. Auf Lisa wartet eine Nacht des Schreckens und es scheint, als wohne in diesem Haus der Teufel persönlich.
Filminfos
O-Titel: Lisa e il diavolo (Italien 1972)
Dt. Vertrieb: e-m-s
FSK: ab 16
Länge: ca. 92 Min.
Regisseur: Mario Bava
Drehbuch: Mario Bava, Alfred Leone
Produzent: Alfred Leone
Musik: Carlo Savina
Darsteller: Elke Sommer (Lisa), Telly Savalas (Leandro), Alida Valli (Gräfin), Silva Koscina (Sophia), Alessio Orano (Max), Eduardo Fajardo (Francis Lehar), Gabriele Tinti (George der Chauffeur), Kathy Leone (Schulmädchen) u. a.
Handlung
Lisa Reiner (Elke Sommer) ist auf einer Besichtigungstour durch eine spanische Stadt (es könnte sich um Sevilla handeln), als sie sich ein wenig selbständig macht, sich jedoch im Gewirr der Gassen der Altstadt verirrt. Die Frage nach der Richtung im Laden eines Puppenmachers führt leider zu nichts. Hier sieht sie erstmals den Glatzkopf Leandro (Telly Savalas), der starke Ähnlichkeit mit einer Teufelsdarstellung auf einem Fresko aufweist. Lisa fürchtet sich und haut ab.
Doch wieder begegnet sie dem Glatzkopf, der nun eine mannsgroße Puppe herumträgt und ein mechanisches Puppenspiel. Statt ihr die Richtung zu weisen, verspottet er sie nur und geht seiner Wege. Nur der Wind und ein Geisterlachen begleiten Lisa durch die leeren Gassen. Auf den Zinnen der Stadtmauer nennt ein älterer Herr sie "Elena" und stürzt in die Tiefe, als sie ihn abwehrt.
Es ist bereits Nacht, da wird sie von einem netten distinguierten Paar - Francis und Sophia Lehar - in dessen Rolls-Royce mitgenommen. Doch da der Wagen ein Oldtimer ist, gibt er schon bald den Geist auf und bleibt vor dem Tor einer Villa stehen. Dieses Tor wird von dem Lisa bereits gut bekannten Glatzkopf geöffnet. Hat sich alles gegen sie verschworen? Ein junger Mann namens Maximilian bittet die späten Gäste entgegen den Protesten seiner Mutter, einer Gräfin, herein, um ihnen Schutz zu gewähren. Doch die Gräfin besteht darauf, dass man die Gäste ins Nebenhaus bringt, und so führt Glatzkopf Leandro sie lollilutschend durch einen wuchernden Garten, in dem Säulenpavillons und verwitterte Statuen an vergangenen Reichtum erinnern.
Sobald sich die Gäste im Nebenhaus einquartiert haben, beginnt Sophia ein Liebesspiel mit ihrem Fahrer George. Unterdessen bemerkt Lisa, die gerade aus dem Bad kommt, das Gesicht eines älteren Mannes am Fenster. Sie erschrickt und fragt sich, wer das sein könnte. Leandro hat eine Erklärung: Es sei nur die Puppe, die er heute in der Stadt abgeholt habe. Korrekt, das hat sie ja gesehen. Sie beruhigt sich wieder. Offenbar gibt es für alles eine vernünftige Erklärung. Allerdings verwirrt es sie doch ein wenig, dass der junge Herr Maximilian sie für seine frühere (verstorbene?) Geliebte Elena hält - genau wie jener Mann auf der Stadtmauer.
Der Glatzkopf Leandro trägt als Butler das Abendessen auf, als die Gräfin sich als blind herausstellt. Das jagt den beiden jungen Frauen, Lisa und Sophia, Schauder des Grauens über den Rücken, umso mehr, als die Gräfin fragt, wo der fünfte Gast sei. Wen meint sie bloß? Kurz darauf hört man ein Stöhnen und Heulen durch den Palast klingen, und Lisa schwant, dass diese Nacht einen Wendepunkt in ihrem Leben bilden wird. Sie ahnt nicht, wie Recht sie damit hat. Denn bald darauf gibt es den ersten Toten, den ersten von vielen.
Mein Eindruck
~ Die Gefangenen ~
Das Geisterhaus der Gräfin ist ein psychologisch in sich gekrümmter Raum, dessen Bewohner nur nach innen, in die Vergangenheit und zu deren Gespenstern schauen können. Die blinde Gräfin lässt sich von ihrem Butler Leandro Puppen ihres Gatten Carlos anfertigen, um ihn immer wieder mit den Fingern berühren und erkennen zu können. Alljährlich, vielleicht sogar allabendlich findet deshalb eine Totenzeremonie zu Ehren des Verstorbenen statt. Die Gräfin hat ihr Leben der Erinnerung gewidmet.
Dass ihr Sohn Maximilian häufig über Eingeengtsein klagt und nach Freiheit fleht, ist deshalb nur zu verständlich. Und über kurz oder lang wird es zwischen den beiden zu einer folgenschweren Auseinandersetzung kommen. Allerdings ist er selbst auch an eine Erinnerung gekettet und kann nicht fliehen. Es ist Elena, die sein Gemüt und seine Gedanken beherrscht. Offenbar auch seinen Verstand, denn er hält die Fremde Lisa Reiner für eine Verkörperung Elenas. Die Gedanken der Insassen des Geisterhauses verlaufen immer nur in Kreisen. Die Gedanken Maximilians kreisen um Lisa / Elena, denn Elena wurde auch von Carlos quasi-inzestuös begehrt ...
~ Der Todeskreis ~
Doch wehe, etwas stört diese Kreise! Niemand darf an die schrecklichen Geheimnisse rühren, noch darf irgendjemand das Haus verlassen. Von den beiden Lehars und ihrem Fahrer bleibt keiner am Leben. Doch was ist mit Lisa? Der mentale Organismus des Gespensterhauses versucht sie zu assimilieren, indem Maximilian sie zu seiner Elena umstilisiert. Als sie sich wehrt, wird sie betäubt, um sie willenlos zu machen. Das Skelett der echten Elena beobachtet den Vorgang, wie sich Maximilian Lisas bemächtigt. Und obwohl dies nicht zu sehen, sondern nur zu assoziieren ist, gleicht das Liebesspiel nichts so sehr wie einem Akt der Nekrophilie. Auf der spirituellen Ebene - ewige Vereinigung mit der Geliebten - ist es das Gegenstück zu der Totenzeremonie der Gräfin.
~ Der Teufel ~
Nun kann man sich fragen, wo denn hier der Teufel ins Spiel kommt. Dass ein teuflisches Spiel getrieben wird, lässt sich leicht an der steigenden Anzahl der Leichen ablesen. Ein Schlächter geht im Hause um, so viel ist klar. Doch dass dies auch der Teufel des Titels ist, darf bezweifelt werden. Von Anfang an ist es Leandro (Telly Savalas), der mit dem Teufel assoziiert wird. Und seine Weigerung, der umherirrenden Lisa zu helfen, spricht Bände.
Dieser Teufel ist vielmehr eine Art Helfershelfer, ein Butler, der sich als Diener des Schreckens versteht. Ein genervter Diener zwar, wie sein langer, nun deutsch untertitelter Monolog uns verrät, aber doch ein zustimmender Helfer. Als solcher legt er niemals selbst Hand an Lisa, die Verkörperung der Unschuld. Aber er hilft Maximilian, dies auszuführen. Und natürlich nimmt er auch bei Lisa Maß, schließlich gilt es wieder eine neue Puppe anzufertigen ...
~ Gespensteroper ~
Das Personal des Film ist mit einer oder zwei Ausnahmen geradezu klassisch in seiner Zusammensetzung und könnte jeder Gespensteroper entstiegen sein. Als erste Ausnahme könnte man Lisa, die Unschuld aus der Neuen Welt, bezeichnen, doch in jeder Gespenstererzählung muss es eine Beobachterin geben, die die unheilvollen Geschehnisse für uns bewertet. Leider wird ihr Beobachterstatus bald in den eines Opfers umgewandelt.
Die zweite Ausnahme ist Telly Savalas als Butler. Savalas' Karriere begann in der blühenden Filmindustrie Italiens und er wurde erst später "Kojak" bei der New Yorker Polizeitruppe. Sein Lutschen am Lolly ist eine Vorwegnahme seines späteren Kojak-Markenzeichens, aber innerhalb des opernhaften Ambientes des Palastes der Gräfin ein Affront. Damit stellt er sich außerhalb der Konventionen. Tatsächlich ist sein Leandro, wie schon angedeutet, ein Puppenspieler par excellence. Und er weiß auch schon, wie er nicht nur Maximilian und die Gräfin, sondern auch Lisa selbst zu seiner Marionette machen kann.
~ Dornröschen ~
Lisa entsteigt dem Zauberschloss der Gräfin am Schluss wie Dornröschen oder Schneewittchen, das keinen Prinz braucht, um es zu wecken. Sie wird von den draußen an der Grundstücksmauer spielenden Mädchen folgerichtig für ein Gespenst gehalten. Der Zuschauer sollte nicht zu sicher sein, dass sie dem Spinnennnetz des Puppenspielers entkommen ist. Äußerlich scheint sie unversehrt zu sein, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen, doch wer weiß, wie ihr Innenleben jetzt aussieht ...
~ Erotik des Giallo ~
Meisterregisseur Mario Bava hat mit diesem, seinem künstlerisch unabhängigsten Film ein Meisterwerk des Neo Gothic geschaffen. Es ist mit eleganten Kamerafahrten und erlesenen Farbkompositionen inszeniert. Untermalt wird das Geschehen in emotionalen Höhepunkten wie der Nekrophilieszene mit Variationen auf die klassische spanische Komposition für Orchester und Gitarre "Conierto per Aranjuez" (1939) von Joaquín Rodrigo. Das Traumspiel hat seine eigene, in sich geschlossene Logik, die sich dem Zuschauer erst nach mehrmaligem Ansehen erschließt. (Leider war es genau diese komplexe Logik, die den Film keinen Verleih finden ließ, so dass er schließlich umgeschnitten und mit einer Rahmenhandlung versehen wurde. Das Ergebnis nannte sich "Der Teuflische" bzw. "House of Exorcism".)
Doch so sehr Bava auch in Gothic-Horror schwelgen wollte, der Zuschauer, das wusste der Produzent, will Handfesteres sehen. Und so war es wohl Alfredo Leone, der für die drei Sexszenen sorgte, die als "Alternative Szenen" heute auf der DVD zu "bewundern" sind. Der Sex gehört wie die brutale Gewalt zu den Kennzeichen des Giallo, der speziellen Horror-Comic-Spielart des italienischen Kinos, in der sich Bava ebenfalls hervortat.
Dario Argento, Martin Scorsese, Quentin Tarantino, Joe Dante, Tim Burton und John Carpenter nennen Bavas Filme als ihre Inspirationsquellen. Argento und Fulci folgten Bava direkt nach. Es gilt diesen Meister des Horrors also immer noch zu entdecken. Am besten mit einem seiner stärksten Filme, der nun endlich in der Urfassung vorliegt.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: DD 1.0
Sprachen: D, Englisch, Italienisch
Untertitel: D
Extras:
- O-Trailer (3:18)
- Trailershow: Blutige Seide (Bava-Film); Bubba Ho-Tep (Bruce-Campbell-Film); Pharao; Der Koloss von Rhodos; Die Schlangengrube und das Pendel; Im Todesgriff der roten Maske (2 Poe-Verfilmungen)
- Drei alternative Szenen
- Bio- und Filmografien von Mario Bava und Elke Sommer (51 Texttafeln)
- Booklet
Mein Eindruck: die DVD
Die Bildqualität ist erstaunlich gut, und nur in Motiven mit hohem Weißwert überstrahlt diese Fläche das Umfeld. Der Sound liegt in Dolby Digital 1.0 vor, ist also von recht bescheidener Qualität, wenn auch nicht auf Fernsehniveau. Die Bio- und Filmografien sind äußerst umfangreich und erreichen gerade bei Mario Bava das Niveau eines Lexikonartikels. Hier bekommt der Filmfreund 33 Texttafeln zu lesen, die geballte Infos und eine vollständige Filmografie liefern, bei Sommer sind es nur etwa halb so viele, nämlich 18 Tafeln.
~ Drei alternative Szenen ~
In der ersten Szene handelt es sich um eine stark ausgeweitete Liebesszene zwischen Sophia Lehar und ihrem Fahrer George. Die Ausweitung zeigt ihre entblößten Brüste, aber auch die Genitalien der beiden. So könnte ein Porno anfangen. Sophias Flucht und Ende, die alternative Szene Nr. 2, ist nicht nur wesentlich blutiger dargestellt, sondern zeigt auch den Täter in Großaufnahme - und zerstört damit sämtliche Spannung. In der dritten alternativen Szene hat Maximilian gerade Lisa betäubt und entblößt ihre Brüste, bevor er ihr auch den Rock auszieht. Alles, was sie nun anhat, sind ihr Höschen und ein paar Halskettchen.
Den Szenen ist gemeinsam, dass sie wesentlich erotischer bzw. im Fall der zweiten auch erheblich blutiger ausfallen als die Szenen der Endfassung.
~ Das Booklet ~
... enthält einen erhellenden, informativen Essay von Marcus Stiglegger (Ikonenmagazin) mit grafischen Motiven. Diese sind allerdings kaum als Filmszenen zu erkennen. Auf der vorletzten Seite sind Elke Sommer und Telley Savalas neben Mario Bava zu sehen.
Unterm Strich
Man sollte sich schon ein- oder zweimal dem italienischen Horror ausgesetzt haben, bevor man sich an diesen komplexen Film wagt. Insbesondere Bavas Werk ist eine gute Vorbereitung auf diesen Streifen, der hier erstmals in unverstümmelter Fassung präsentiert wird. Bislang war er gekürzt und von einer absurden Rahmenhandlung auf "Exorzist"-Kurs getrimmt worden, vertrieben unter dem Titel "Der Teuflische" bzw. "House of Exorcism". Doch "Lisa e il diavolo" ist viel radikaler als dieses Machwerk. Es postuliert die Existenz des Teufels, für den Menschen nur Puppen sind, die seinem Willen gehorchen - den sie natürlich für den ihren halten. Jeder Ausbruchsversuch ist obendrein zwecklos, und so ist auch der unschuldigen Heldin kein Happyend vergönnt.
Die DVD ist der achtbare fünfte Beitrag zu einer Werk-Kollektion Mario Bavas, die e-m-s veranstaltet, sorgfältig ausgestattet mit Schuber und Booklet, Bio- und Filmografien sowie einem digital überarbeiteten Bild und Ton. Allerdings können die in dieser restaurierten Fassung unsynchronisierten und deutsch untertitelten Stellen den unvorbereiteten Zuschauer verwirren, weil sie die Illusion stören, die jedem Spielfilm innewohnt. Doch nur so lässt sich die ursprünglich von Bava vorgesehene Fassung mit deutscher Synchro genießen. Wer dies vermeiden will, der sehe sich die englische oder gar die italienische Tonfassung an.
- Redakteur:
- Michael Matzer