Black Box BRD
- Regie:
- Andres Veiel
- Jahr:
- 2001
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- Deutschland
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19.11.2002 | 11:59Alfred Herrhausen und Wolfgang Grams sind zwei Personen, deren Namen untrennbar mit der jüngsten deutschen Geschichte und dem Terrorismus in der Bundesrepublik verbunden sind. Grams galt als Mitglied des harten Kerns der Roten Armee Fraktion, und Herrhausen geriet als Vorsitzender der Deutschen Bank ins Fadenkreuz dieser Terroristenorganisation. Andres Veiel unternahm nun mit diesem Dokumentarfilm den Versuch, die deutsche Nachkriegsgeschichte anhand der Lebensläufe dieser beiden Männer zu erzählen.
Herrhausen steigt dank seines Ehrgeizes schon in relativ jungen Jahren rasch in der Firma seines Schwiegervaters auf. So kommt es, dass ihm recht bald ein Posten in der Führungsebene der Deutschen Bank angeboten wird. Nach einigem Zögern nimmt er an. In seiner neuen Position macht er sich durch seine neuen Idee und seine positive Einstellung zum Geldverdienen viele Freunde. Er will hoch hinaus, nicht nur national, sondern global. Auch eine Scheidung und eine erneute Heirat können seiner Beliebtheit nichts anhaben. Nach einigen erfolgreichen Jahren stoßen seine unkonventionelle Ideen aber auf immer mehr Widerstand unter den Bankiers. So setzt er sich unter anderem für einen bedeutenden Schuldenerlass ärmerer Nationen wie Mexiko ein. Am Morgen des 30.11.1989 stirbt er auf dem Weg zur Arbeit durch eine am Straßenrand platzierte Bombe. Am Tatort werden Hinweise auf eine Täterschaft der RAF gefunden.
Durch die örtliche Nähe seines Wohnortes zum Rhein-Main-Stützpunkt der US-Armee in Wiesbaden bekommt Grams während seiner Jugendzeit einiges von den gen Vietnam startenden Truppen mit. Er engagiert sich gegen den Krieg in diesem Land. In den folgenden Jahren radikalisiert er sich jedoch zunehmend und nimmt an einigen Straßenschlachten gegen die Polizei teil. Ein ungerechtfertigter Gefängnisaufenthalt und die Vorgehensweise des Staates gegen ihn und seine Freunde der linken Szene tragen ihr übriges dazu bei, Grams’ Hass gegen das System noch weiter zu schüren. Er taucht in den Untergrund ab und tritt der RAF bei. Bald wird intensiv nach ihm gefahndet. Die Polizei bringt ihn dann auch mit der Ermordung Herrhausens in Verbindung, kann eine Mittäterschaft aber nie nachweisen. Am 27. Juni 1993 kommen er und ein Polizist während eines missglückten GSG9-Einsatzes in Bad Kleinen ums Leben. Seine Begleiterin, die RAF-Terroristin Birgit Hogefeld, wird festgenommen. Die Einzelheiten dieses Einsatzes sind bis heute unbekannt.
Der Film beginnt mit einer schönen Kamerafahrt über den Main und die Machtzentralen im Frankfurter Bankenviertel. Im Innern eines der Hochhäuser findet die Vorbereitung für eine Sitzung statt. Dann folgt ein Schnitt auf eine nachgeahmte Szene, in der drei Mercedes das Anwesen Herrhausens verlassen. Seine Frau Traudl blickt ihnen hinterher. Daraufhin werden Bilder von Herrhausens zerstörtem Wagen gezeigt und seine Frau berichtet, wie sie den Morgen seines Todes in Erinnerung hat. Danach wird auf ähnliche Weise noch der Tod von Grams kurz dargestellt, ehe die Lebensläufe der beiden Portraitierten von Anbeginn an aufgerollt werden.
Dieser Anfang ist symptomatisch für die Art, wie der Film das Leben der beiden dokumentiert. Einerseits werden authentische Privataufnahmen oder Geschichtsdokumente gezeigt, andererseits begibt sich das Filmteam aber auch an die Originalschauplätze der Geschehnisse. Dabei wird auf jeglichen gesprochenen Kommentar verzichtet, weshalb doch ein wenig Vorwissen vonnöten ist, um die Bilder richtig einordnen zu können. Zu Wort kommen vor allem Verwandte und Freunde von Herrhausen und Grams, aber auch Kollegen bzw. Mitstreiter. Hervorzuheben sind hier vor allem Herrhausens Frau und Grams’ Eltern, die verständlicherweise sehr emotional reagieren. Diese Szenen lassen den Zuschauer dann auch nicht kalt, besonders da Veiel großen Wert darauf legt, diese Emotionen nicht auszublenden, sondern diesen einen gewichtigen Raum einräumt. Er zeigt damit das, was in den Nachrichten für gewöhnlich ausgeblendet wird, nämlich die menschlichen Schicksale hinter den Geschehnissen. Und auf diese Weise schafft er es auch, die deutsche Geschichte einmal aus einer sehr persönlichen Sichtweise zu zeigen. Wenn nämlich beispielsweise ehemalige WG-Mitbewohner Grams’ von den Diskussionen anlässlich Ulrike Meinhofs Selbstmord berichten oder Traudl Herrhausen unter Tränen einen Brief ihres Mannes, in dem er während Hanns Martin Schleyers Entführung geschrieben hat, wie bei einer möglichen Erführung von ihm zu verfahren sei, so wird der Zuschauer Zeuge gelebter Geschichte. Die eingestreuten Aufnahmen geschichtlicher Ereignisse tun ihr übriges, um die beiden Lebensläufe in den geschichtlichen Kontext einzugliedern. Auch ergreift Veiel dank der Ausgewogenheit in der Darstellung und natürlich dem fehlenden Kommentar nie die Partei für eine der Personen. Vielmehr wird durch die ausschließlichen Aussagen von Freunden und Verwandten ein eher positives Bild von beiden gezeichnet. In manchen Szenen erhält man dann sogar den Eindruck, dass die beiden vielleicht gar nicht so grundverschieden gewesen sind.
Den Versuch, die Geschichte der Bundesrepublik anhand der Lebensgeschichte zweier Persönlichkeiten aufzuzeigen, darf man als geglückt bezeichnen. Der Film dürfte jedem gefallen, der sich für die geschichtlichen Zusammenhänge des Terrorismus in diesem Land, aber auch für die menschlichen Schicksale, die sich dahinter verbergen, interessiert.
- Redakteur:
- Andreas Fecher