WITCHORIOUS - Witchorious
Mehr über Witchorious
- Genre:
- Doom Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Argonauta Records
- Release:
- 16.02.2024
- Monster
- Catharsis
- The Witch
- Blood
- Eternal Light
- Sanctuaire
- Amnesia
- Watch Me Die
- To The Grave
- Why
Hexenhaft-okkulter, tiefgründiger und riffgewaltiger Heavy Doom Metal mit Growerpotential.
Beiliegendes Promogedöns ist bei gänzlich unbekannten Bands ohne große Vorgeschichte zweifelsohne sehr von Vorteil, obwohl mir meine innere Stimme in Gestalt von Instinkt und Bauchgefühl bei dem vorliegenden Release dezent zuflüstert, dass das grundsätzlich durchaus etwas für mich sein könnte. Ein Blick auf das kultig-okkulte Cover-Artwork mit schaurig schöner mittelalterlicher Horror-Atmosphäre und ein Auge bzw. Ohr in die Video-Auskopplung des Vorabsongs 'Monster' räumen letzte Zweifel aus dem Weg: Das hier scheint genau in mein musikalisches Beuteschema zu passen.
Bei WITCHORIOUS handelt es sich um eine Doom-Metal-Band aus Paris, welche 2019 aus der Taufe gehoben wurde und aus den drei Geschwistern Antoine (Gesang/Gitarre) und Paul Auclair am Schlagzeug, sowie Lucie Gaget (Bass/Gesang) besteht. Ein erstes musikalisches und beachtliches Lebenszeichen hatte das Trio bereits 2020 in Form einer Doppelsingle von sich gegeben. Hier liegt nun also endlich das Debütalbum vor. Selbstbetitelt, wie es sich halt eben gehört, wenn man von der Klasse des eigenen Schaffens und Wirkens überzeugt zu sein scheint.
Der Eröffnungssong 'Monster' erweist sich bereits als wahres Riffmonster und erinnert mich nicht nur aufgrund des Gitarrensounds und der Art der ersten zu vernehmenden Akkorde sofort und unweigerlich an meine italienischen Lieblinge von MESSA. Prompt ins Ohr sticht hier bereits auch das enorm wuchtig-treibende und verspielte Drumming von Paul Auclair, sowie der immer wiederkehrende Wechsel von Growls und Klargesang, welcher uns auch im Laufe des weiteren Albumverlaufs noch viel Freude bereiten wird. Bassistin Lucie Gaget ist des Singens ebenfalls mächtig und unterstützt ihren Bruder nach Kräften (nicht nur hier), nachdem dieser sich im starken Mittelteil des Songs Wah-Wah-technisch auf seiner Gitarre austoben durfte. Phantastischer erster Song, der enorm riffmächtig aus den heimischen Boxen donnert und sich sofort in die Ohrmuscheln einfräst.
Das leicht progressiv angehauchte 'Catharsis' startet aggressiv-düster und wartet im weiteren Songverlauf mit enorm geilen Hooklines und überraschenden und wunderbaren Wendungen auf, was Struktur und Stimmung des Songs betrifft. Auch hier manifestiert sich Antoines Liebe und Neigung zu allerlei netten Gitarren-Effektspielereien, die dieser immer wieder punktgenau im richtigen Moment in den jeweiligen Songkontext einbindet. Wer kann, der kann eben. Erwähnenswert hier auch die Gabe, im passenden Moment den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, womit Lucie im Refrain dadurch Zeit und Gelegenheit eingeräumt wird, die Hörerschaft davon zu überzeugen, dass sie nicht nur perfekt und anschlagsgenau Bass zupfen, sondern auch ganz hervorragend und mit viel Gefühl in den Stimmbändern singen kann. Geheimnisvolle und gespenstische Gitarren-Arpeggien leiten 'The Witch' ein, das mich in seiner rituellen und okkulten Grundatmosphäre ein wenig an die einzigartigen belgischen Psychedelic-Doomster WOLVENNEST denken lässt. Es gibt nun aber natürlich wahrlich Schlimmeres, als bei den ersten Hördurchläufen einer unbekannten Platte an seine aktuellen musikalischen Faves erinnert zu werden. Das eindrucksvoll sinistre und basslastige 'Blood' kommt schleppend und mysteriös mit zähen, sich langsam dahinschleppenden Riffs daher. Bassistin Lucie und Gitarrist Antoine übernehmen hier wechselseitig den Gesang, was dem Song einen durchaus interessanten Kolorit verleiht: Sehr weich und tiefsinnig-poetisch auf der einen, kraftstrotzend und druckvoll auf der anderen Seite.
Auf dem hypnotisch entrückten 'Eternal Light' werden dann Einflüsse von Bands wie ELECTRIC WIZARD deutlich hörbar. Fuzzyeske und stonerartige Gitarrenläufe, von Antoine zauberhaft psychedelisch durchimprovisiert, bestimmen hier das Klangbild. Ganz wunderbar, fehlt zur zeremoniellen Vollendung eigentlich nur noch das passende Räucherwerk auf dem Tisch. Auf dem über siebenminütigen 'Sanctuaire' dominieren wiederum die von Antoine intonierten Wechsel von wütenden und verzweifelten Growls und cleanen, feinfühligen Gesangspassagen. Allerdings muss dabei erwähnt werden, dass bei den Growls prinzipiell nicht nur guttural drauflosgebrüllt wird, um dadurch eine wie immer geartete schwarz durchtränkte Stimmung zu erzeugen, sondern Antoine dabei auch enorm viel Tiefgang und Emotionalität an den Tag legt. Das Schlagzeug trommelt dabei wieder herrlich unangepasst, aber präzise wie ein Schweizer Uhrwerk gegen den vorherrschenden Takt an. Mit 'Amnesia' folgt ein kurzes instrumentales Gitarrenzwischenspiel, welches in das etwas schwächere 'Watch Me Die' mündet. Obwohl: schwächer? Bei dem bisher dominierenden hohen Songniveau muss man hier wohl einfach "nur" von einem überdurchschnittlich guten Song sprechen, denn bereits mit 'To The Grave' bietet uns die Band einen solch traumhaften und wunderbaren Song feil, der wohl mit Fug und Recht als kleines Album-Sahnehäubchen betitelt werden darf und darüber hinaus beweist: Die Band beherrscht also auch die Songdisziplin 'lässige, balladeske Nummer'. Einfach unfassbar, welch magische Atmosphäre hier mit märchenhaft dargebotenen Melodiebögen, schwelgerischen Gitarrenleads und dem wiederum abwechselnden Gesang von Lucie und Antoine geschaffen wird und mich dabei in die Gefilde meines eigenes Geistes abtauchen und expressive Bilder und Gedanken vor meinem inneren Auge entstehen lässt. Kunst auf ganz ganz hohem Niveau nenne ich das! Beendet wird das epochale Werk schlussendlich mit dem großartigen und abwechslungsreichen Bonus-Track 'Why', welcher in seiner Ursprünglichkeit wohl noch als reinrassigster Doom-Metal-Song des Albums bezeichnet werden darf und nochmals alle bereits zuvor registrierten kompositorischen Elemente und Trademarks der Band kongenial in sich vereinigt.
Mit "Witchorious" ist der Band weit mehr als ein deutliches Ausrufezeichen gelungen. Atmosphärisch intensiver, emotional tiefsinniger und ideendurchfluteter Heavy Doom Metal in der Schnittmenge von CASTLE, AVATARIUM, MESSA und ein wenig JEX THOTH, der hoffentlich dafür sorgt, dass man auch in Zukunft noch viel von der Band hören wird. Ein Gesang, der zwischen Schreien und Flüstern nahezu alle Paletten menschlicher Gefühlsebenen abdeckt, flankiert von einer enorm straighten und technisch bockstarken Rhythmus-Sektion ergibt ein riffmächtiges Erstlingswerk, welches nicht mehr und nicht weniger als mein erstes persönliches Highlight des noch jungen Jahres darstellt. Zehn außergewöhnliche und abwechslungsreiche Songs, die sich auf textlicher Ebene mit psychischer Dualität, menschlichen Lastern und dem unausweichlichen Schicksal der Welt befassen. Die Band merkt in der beiliegende Bandbio an, dass man einen moderneren Sound und modernere Songstrukturen erschaffen wollte, um Doom zu vermeiden, den wir so alle schon einmal gehört haben. Die Intention ist das eine, die Umsetzung das andere. Glücklicherweise kann ich behaupten: Das hehre Vorhaben konnte die Band letzten Endes durchweg erfolgreich in die Praxis umsetzen. Ich für meinen Teil freue mich derweil, die Band irgendwann hoffentlich einmal auch live auf der Bühne erleben zu dürfen, darf mich bis dahin fürs erste aber noch mit definitiv vielen weiteren Hördurchläufen begnügen, entdecke ich doch immer und immer wieder noch weitere feine Details, welche mir bei der jeweils vorher absolvierten Audiorunde noch verwehrt geblieben sind. Aber genau das ist es doch, was spannungsvolle und vielgestaltige Klangkunst am Ende des Tages einzigartig macht und sie von manch anderen Werken abheben lässt.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Stephan Lenze