NUCLEUS TORN - Knell
Mehr über Nucleus Torn
- Genre:
- Neofolk/Metal/Doom
- Label:
- Prophecy Productions
- Release:
- 22.02.2008
- I
- II
- III
- IV
Mit "Knell" erreicht uns ein Werk aus der Schweiz, das nicht nur Teil zwei einer konzeptionell zusammenhängenden Trilogie darstellt, sondern vor allem einen düsteren und kantigen, aber auch kontrastreichen und atmosphärisch dichten Brocken, mit dem man erstmal warm werden muss. Dieser ist alles andere als massentauglich ausgefallen und kann mitnichten als eingängig oder harmonisch bezeichnet werden, auch eignet sich "Knell" keinesfalls zum nebenbei Anhören.
NUCLEUS TORN nennt sich das aus sieben Musikern bestehende Ensemble, und wer aus der Anzahl der Bandmitglieder auf die Verwendung einer Vielzahl verschiedener Instrumente schließt, liegt damit nicht falsch. Neben den üblichen Verdächtigen kommen u. a. Violine, Cello, Querflöte, Kirchenorgel sowie die "Exoten" Hammered Dulcimer, Irische Bouzouki und Oud zum Einsatz - es geht also instrumentell schon deutlich in Richtung Klassik, wenngleich die musikalische Zusammensetzung dann doch ein ganz eigenes Gesicht hat.
Die Schweizer gehen durchaus experimentierfreudig zu Werke, was das Verknüpfen von eigentlich sehr verschiedenen Sounds und Stilistiken betrifft. Das Ganze wird dabei aber immer auf das Wesentliche reduziert, kommt beinahe minimalistisch und ohne schmückendes Beiwerk daher, d. h. die verschiedenen Instrumentierungen wechseln sich eher ab, als dass sie sich überlagern. Dadurch wirkt die Musik zu keinem Moment überladen, es ergibt sich vielmehr ein fokussiertes, aber trotzdem stets homogenes Bild. Das Spiel mit verschiedenen Stimmungen kann somit noch viel besser zur Geltung kommen. Die so erzeugte Atmosphäre wirkt teils bedrohlich, teils melancholisch, weckt aber niemals fröhliche oder generell "positive" Assoziationen.
Auch der Wechselgesang zwischen männlichen und weiblichen Vocals hebt sich von den gängigen Standards ab, wie man sie von unzähligen Gothic-Metal-Bands kennt. Während der männliche Part mit cleaner Stimme und klagendem Pathos die Songs intoniert, kommt der weibliche Gesang, welcher zarter, aber nicht viel weniger eindringlich klingt, seltener zum Einsatz. Dabei sind die Stimmen kein bestimmendes Element, sondern stellen vielmehr ein weiteres Stilmittel dar, welches nur dann zum Einsatz kommt, wenn die jeweilige Stelle in musikalischer Hinsicht danach verlangt.
NUCLEUS TORN klingen organisch, unpompös und bieten dennoch ein reichhaltiges Sammelsurium an Stimmungen, wobei auch atonale bzw. disharmonische Klänge, also Töne, die sich aneinander "reiben", recht häufig auf "Knell" zum Einsatz kommen. Die Dramaturgie des Albums ist geprägt von der düsteren, kalten Grundstimmung und vor allem von den starken Kontrasten. Man kann sich kaum einer von der Musik ausgelösten Stimmung hingeben, rasch tut sich ein deutlicher Kontrast auf und der Hörer wird unvermittelt in eine andere Songstruktur hinein katapultiert.
Wie bereits angedeutet, ist "Knell" der mittlere von drei zusammenhängenden Teilen, wobei sich leichte musikalische Unterschiede dennoch erkennen lassen. Im Vergleich mit "Nihil", dem ersten Teil der Trilogie, kommt das Album etwas weniger roh, aber atmosphärisch um einiges dichter daher. Der abschließende Part mit dem Titel "Andromeda Awaiting" ist übrigens bereits vollständig komponiert und wird momentan in seine fertige Form gegossen.
Die vier auf "Knell" vertretenen Songs sind lediglich, ihrer Reihenfolge auf der Scheibe entsprechend, mit römischen Ziffern bezeichnet. Hervorzuheben ist dabei der Mammutsong 'III', der eine knappe halbe Stunde dauert. Selbiger bewegt sich zwischen langgezogenen, sanft und zugleich schwermütig tönenden Passagen und kurzen, derben Ausbrüchen (die auch in die Doom-Ecke passen würden). Das Ganze mündet dann im Song 'IV', ein ruhiges und beinahe zerbrechlich wirkendes Stück, das nur aus einer bedächtigen Piano-Melodie besteht und damit das Album in sanfter Harmonie ausklingen lässt.
Fazit: "Knell" ist ein Werk, für das mehr noch als sonst gilt, dass der geneigte (sprich vorurteilsfreie und aufgeschlossene) Hörer sich nicht entmutigen lassen sollte, wenn er/sie nach dem ersten oder zweiten Durchlauf noch keinen Zugang zum Klangkosmos derer von NUCLEUS TORN gefunden haben sollte. Die Wirkung stellt sich definitiv erst mit der Zeit ein - und sie ist eine nachhaltige und fesselnde.
Anspieltipp: III
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer