METALLICA - St. Anger
Auch im Soundcheck: Der METALLICA-Soundcheck
Mehr über Metallica
- Genre:
- Heavy Metal
- Label:
- Vertigo/UMG
- Release:
- 05.06.2003
- Frantic
- St. Anger
- Some Kind Of Monster
- Dirty Window
- Invisible Kid
- My World
- Shoot Me Again
- Sweet Amber
- The Unnamed Feeling
- Purify
- All Within My Hands
Sechs lange Jahre ließ des Planeten verkaufsträchtigste metalartige Kapelle sich Zeit, um mit dem Nachfolger zu ihrem letzten regulären Studioalbum "Reload" aus den Startlöchern gekrochen zu kommen und den Ankündigungen nach sollte alles besser, metallischer, aggressiver und extremer werden, so dass sich das Gefolge im Jahre 2003 erwartungsfroh, gespannt oder skeptisch fragte, was den nun in Wirklichkeit draus geworden ist, aus den vollmundigen Versprechungen. Dann liegt "St. Anger" auf dem Tisch, und ja, es ist in der Tat viel heavier als die drei Alben zuvor, und es ist lärmiger und aggressiver, aber es ist auf keinen Fall mehr Metal und schon gar nicht besser. Für diejenigen, welche immer nach einer traurigen Mischung aus verkümmerten Metal-Strukturen und weinerlichem Alternative gesucht haben, welche ein Tächtelmächtel mit einer Prise Stoner Rock und einem Spritzer Noise Core eingeht und daraus einen ärgerlichen Bastard aus totgenudelter Einfallslosigkeit gebiert, ist "St. Anger" wahrlich der neue Messias.
Ich hingegen frage mich ernsthaft, wie diese einstmals wegweisenden und fraglos sehr talentierten Musiker und Songwriter es schaffen konnten, ein absolut glanzloses Album ohne jedes Highlight abzuliefern. Sogar "Load", "Reload" und "Garage Inc." hatten hier und da ihre großen Momente, aber hier haben wir das blanke und entsetzliche Nichts. Wäre es den Jungs darum gegangen, ein Konzeptalbum über die Erschaffung langweiliger und inspirationsfreier Musikstücke aufzunehmen, so müsste man ihnen gratulieren, aber als ein Album, das nach der Absicht der Schöpfer ein gutes Album hätte werden sollen, kann ich es nur als grandiosen Schuss in den Ofen bewerten. Gut, wenn ihr den Schock des ersten Hördurchlaufes mal überstanden habt und euch danach noch zweimal durch die Scheibe gekämpft habt, dann tut es gar nicht mehr so sehr weh. Man stumpft ab und das Schmerzempfinden lässt nach. Aber das war es dann auch. Für mich ist "St. Anger" eines der ganz wenigen Alben, zu dem ich auch nach bald hundert Hördurchläufen nicht den geringsten Zugang finden kann. Schon der Opener 'Frantic' ist für mich unumstößlich zum Synonym für "nervig" geworden, und das folgende Titelstück hat zwar ein oder zwei ganz coole Abschnitte, aber man fragt sich doch sehr schnell, wer Rob erlaubt hat, ein Mikrophon zu benutzen. Hätte er mal lieber ein Basssolo gespielt und damit nicht den ganzen Song versaut.
Es folgen 'Some Kind Of Monster' und 'Dirty Window', die ich als erträglich einstufen würde, die aber weit davon entfernt sind, Hits zu werden. "Fast überzeugend" wäre ganz treffend. Auch 'Invisible Kid' hat ein paar nette Momente, aber dann wird es von James heutzutage allzu traurigen und todlangweiligen Sing-Versuchen gnadenlos verschandelt. Das gilt für fast alle Songs. Der Mann hatte einstmals ein derart lässiges und cooles Organ und heute nölt und jault er sich wie ein angeschossener Hund durch Lärmorgien ohne Kontur und ohne Dreh- und Angelpunkte. Vom übrigen Gewurstel finde ich 'Sweet Amber' und vor allem 'The Unnamed Feeling' am wenigsten abstoßend und überraschenderweise hat auch 'Purify' einige Bauteile, die nicht unbedingt als widerlich gelten müssten. Doch zum Glück zeigt das abschließende 'All Within My Hands' nochmal eindrucksvoll wie unglaublich lahm Hetfields Gesinge sich auf diesem Album präsentiert. Dazu kommt ein Ölfass-Snare-Sound der so dermaßen daneben ist, dass es selbst mir auffällt, und die Band sich fragen lassen muss, warum die Proberaum-Rehearsals der Scheibe so viel besser klingen, als Bob Rocks Mega-Produktion. Weiter geht es mit nahezu komplett fehlenden Soli und einem Übermaß an Riffs, die jegliche Widerhaken vermissen lassen und sowas von langweilig aus den Boxen blubbern, dass man sich kein Bild davon machen kann, ohne es selbst gehört zu haben. Zu guter Letzt hält es die Band für erstrebenswert, die anderthalb Ideen, welche sie pro Song in etwa hatte, auf Spielzeiten von regelmäßig über sieben Minuten aufzublähen, was den Hörverdruss natürlich multipliziert.
Sagt, was ihr wollt, und unterstellt mir ruhig, dass der arme kleine Rezensenten-Wicht versucht, sich auf Kosten der größten Helden des Metal-Universums zu profilieren. Ist mir egal. Wer mich kennt, der weiß, dass ich (wenn irgend möglich) stets wohlwollend rezensiere. Aber bei "St. Anger" war ich mir schon bei Erscheinen sehr sicher, dass dieses Album auch bei den eifrigsten Metallicats dieses Erdenrunds bald im Regal verstauben, und nach drei Jahren kein einziger Song mehr im Live-Set überlebt haben würde. Nun, heute sehe ich mich bestätigt. Sicher gibt es den einen oder anderen, der sogar diese Scheibe gut findet, keine Frage, und als Alibi werden Hetfield, Ulrich & Co. vielleicht auch noch das Titelstück mit auf Tour nehmen, weil sie ja sonst die Bauchlandung eingestünden, aber im Großen und Ganzen ist die Platte auf ganzer Linie durchgefallen, und das mit Fug und Recht. Nicht jedes Album, das nicht unmittelbar das Mittagessen zur Kehrtwende bewegt, ist ein gutes Album, und eine Band wie METALLICA ist dazu verdammt, etwas Besseres abzuliefern als nur ein gutes Album: nämlich überragende Scheiben. Das ist ihr seit nunmehr siebzehn Jahren (manch böser Zeitgenosse wird sagen seit über zwanzig Jahren) nicht mal mehr im Ansatz gelungen. Lasst uns von daher mal gemeinsam gespannt sein, was in Kürze "Death Magnetic" so zu bieten haben wird. Tröstlich auf jeden Fall: Schlechter als "St. Anger" kann es - zumindest aus meiner Sicht - gar nicht werden. Das ist bislang keinem einzigen Metal-Album gelungen, das ich jemals gehört habe, und das waren etliche Tausende.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle