LACRIMOSA - Sehnsucht
Mehr über Lacrimosa
- Genre:
- Gothic Rock
- ∅-Note:
- 9.25
- Label:
- Hall Of Sermon/Sony Music
- Release:
- 08.05.2009
- Die Sehnsucht in mir
- Mandira Nabula
- A.u.S.
- Feuer
- A Prayer For Your Heart
- I Lost My Star In Krasnodar
- Die Taube
- Call Me With The Voice Of Your Love
- Der tote Winkel
- Koma
Ein typisches, dennoch außergewöhnliches Werk.
Knapp vier Jahre ist es her, als das letzte Studioalbum "Lichtgestalt" veröffentlicht wurde. Danach hat sich Mastermind Tilo Wolff keineswegs ausgeruht, sondern mit der Band ausgiebig getourt und eine Live-DVD beziehungsweise CD herausgebracht. Kaum waren die beiden Sachen veröffentlicht, ging er wieder ans Werk, um an einem neuen Longplayer zu basteln. Das zehnte Album der Band ist dabei herausgekommen und beschäftigt sich mit dem Thema Sehnsucht. Schon sehr oft prägte dieses Wort die Inhalte vorangegangener Songs, doch so ausführlich wie dieses Mal, wurde die Thematik an sich noch nie behandelt. Erzählt doch jedes Stück eine Geschichte über die Sehnsucht, die vielfältiger nicht sein kann.
Eine Verbindung zum vorherigen Album ist selbstredend vorhanden und der gut achtminütige Eröffnungstitel 'Die Sehnsucht in mir' führt der Hörer perfekt in das Werk hinein. Es ist auch das längste Stück auf dieser Scheibe, was den ein oder anderen verwundern mag, da Meister Wolff üblicherweise gern mal über die 10-Minuten-Marke hinauskomponiert. Das ist nicht die einzige Besonderheit an diesem Konzeptalbum, denn einige Lieder fallen für LACRIMOSA-Verhältnisse relativ kurz aus. Dieser Fakt schlägt sich aber in keiner Weise negativ auf das Hörvergnügen aus. Im Gegenteil, der Hörer hat damit weniger Probleme, sich in der Scheibe zurechtzufinden. Natürlich muss er sich intensiv mit den Stücken auseinander setzen, doch gerade die musikalische Umsetzung lässt es einfacher werden, als es in der Vergangenheit oft der Fall war. Wahrscheinlich wegen ihrer Kürze haben diesmal zehn Songs auf den Longplayer Platz gefunden, von denen immerhin drei in englischer Sprache gesungen werden. Die wichtigste Eigenheit des Werkes nun zum Schluss: Vieles in den Liedern deutet auf die Anfangsjahre der Band hin und wirkt wie ein Befreiungsschlag seitens Tilo Wolff, indem er sich auf das Wesentliche konzentriert und sich selbst keine Bürden auferlegt.
Nun aber genug der Fakten, schließlich soll es ja um die Musik gehen! Wie gewohnt, wurde mit einem Orchester gearbeitet, was bei 'Die Sehnsucht in mir' natürlich nicht fehlen darf. Das Stück beginnt mit ruhigen Klaviertönen, bevor sich Gitarrenriffs mit Orchesterklängen abwechseln. Durch den Wechsel mit ruhigen Passagen wird immer wieder eine Spannung aufgebaut, die dem Song eine besondere Note gibt und Lust auf mehr macht.
Danach wird es bei 'Mandira Nabula' mit rockenden Gitarren und tiefem Gesang gleich etwas härter. Im Gegensatz dazu sind stellenweise Akkordeonklänge eingebaut, die den Song wieder etwas versöhnlicher werden lassen. Im Stück geht es um das Zusammentreffen zweier Dinge, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Das wurde musikalisch wunderbar umgesetzt. In der gleichen Kategorie findet sich 'Feuer' wieder, nur noch einen Zacken schärfer. Tilo schreit hier stellenweise den Hörer mit seiner Wut an die Wand und lehrt ihn das Fürchten. Als abschwächenden Gegenpart ist ein Kinderchor zu hören, der die Aggressionen wieder relativiert beziehungsweise das Ganze etwas ironischer erscheinen lässt.
Weniger aggressiv, aber umso rockiger, präsentiert sich 'I Lost My In Krasnodar'. Das Stück besitzt eine, für LACRIMOSA ungewöhnliche, Leichtigkeit und wird gleich mit den ersten Tönen so etwas wie der "Gute-Laune-Hit" der Platte mit großem Ohrwurmpotenzial. Da wüsste man doch zu gern, was sich damals in dem russischen Städtchen zugetragen hat!
Nicht ganz so schwungvoll, aber dafür kraftvoll, geht es bei 'Der tote Winkel' zu. Die typische LACRIMOSA-Mischung aus Klassik und Metal tritt dabei besonders gut zum Vorschein. Das Tempo ist nicht zu schnell, dennoch treiben die Gitarren, das Stück voran und der Einsatz der Streichinstrumente beziehungsweise des Orchesters ist ausgeklügelt eingesetzt. Hier wird einmal mehr deutlich, dass Tilo Wolff ein Meister seines Faches ist.
Selbstverständlich kommt die ruhige und melancholische Seite nicht zu kurz. 'A.u.S.' erzählt uns von der Sehnsucht nach Beachtung und Anerkennung, was musikalisch durch ruhige Klavierklänge und stellenweise schweren Orchestersequenzen hervorragend übertragen wird. Der Gesang von Anne ist dabei das "I-Tüpfelchen" des Stückes und könnte nicht besser sein! Auch 'Die Taube' ist perfekt inszeniert und lässt inhaltlich viel Platz für die eigene Interpretation.
Mit 'A Prayer For Your Heart' folgt die Stunde von Anne auf dem Album. In der Ballade ist sie auf der Suche nach dem Seelenfrieden. Gitarrenklänge lassen den Song nicht zu langatmig werden und lockern gut auf, während der Hörer die stimmliche Bandbreite der Sängerin bewundern kann. Geht es noch verhältnismäßig tief los, meistert sie auch die hohen Töne mit Bravur. Die von Tilo gesungene Ballade 'Call Me With The Voice Of Love' kann man als kleinen Fehltritt der Platte werten. Der Song kommt nicht an den Rest heran und es fehlt ihm jegliche Spannung. Mag sein, dass er Live vorgetragen besser funktioniert, hier aber nicht.
'Koma' rundet das Werk wirklich gut ab und wie zu Beginn sind die symphonischen Klänge vordergründiger, wenn die Sehnsucht nach dem Leben selbst besungen wird. Es werden noch einmal alle Register gezogen, bevor mit einem fulminanten Orchestersound das Ende bevor steht und der Hörer genauso gut aus dem Album entlassen wird, wie er hinein begleitet wurde.
Wieder einmal ist LACRIMOSA ein Geniestreich gelungen. Natürlich erfindet sich die Band nicht neu oder wagt zu große musikalische Experimente. Dennoch ist die Platte in vielen Dingen anders, als es bei den jüngeren Vorgängeralben der Fall war. Der Anteil des Orchesters beispielsweise fällt nicht so opulent aus und bei vielen Songs hat sich Tilo Wolff auf das Wichtigste konzentriert und keine endlos langen und wuchtigen Stücke geschaffen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weswegen das Werk auf den ersten Blick zugänglicher ist, als Vorgängeralben. Es verfügt über eine große Anzahl eingängiger Melodien, oder gar untypischen Töne, wie das Akkordeon. Einziger Kritikpunkt ist, dass der Gesang, ist im Vergleich zu "Lichtgestalt", mehr in den Hintergrund gerutscht ist. Gerade bei Stücken wie 'Feuer' hätten dominierende Schreie noch etwas fieser gewirkt.
Was bleibt, ist die Gewissheit, dass es noch Künstler in diesem Bereich gibt, die musikalisch indirekt auf der Stelle bleiben, aber mit gewohntem Sound immer wieder neu ihre Fans begeistern. Das können nur wenige von sich behaupten! LACRIMOSA haben das mit dieser Scheibe jedenfalls eindrucksvoll bewiesen. Sie zeigen damit, dass sie genau das machen, wozu sie Lust haben und keine Gedanken daran verschwenden, was andere dazu sagen.
Für die Fans der Band ist diese CD natürlich ein Muss. Und für den Rest? Na ja, mit LACRIMOSA ist es ein bisschen wie mit Dieter Bohlen - entweder man liebt sie/ihn oder man hasst sie/ihn. Ein wirkliches Dazwischen gibt es nicht. Das wird sich auch mit diesem Album nicht ändern. Doch wer mal über seinen Tellerrand schauen möchte und wissen will, was LACRIMOSA eigentlich für Musik machen, für den ist es das ideale Einstiegswerk, was der bereits beschriebenen Eingängigkeit geschuldet ist.
Anspieltipps: A.u.S., Feuer, I Lost My Star In Kradnodar, Der tote Winkel
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Swen Reuter