HELLOWEEN - Straight Out Of Hell
Auch im Soundcheck: Soundcheck 01/2013
Mehr über Helloween
- Genre:
- Melodic Speed Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Dragnet / Sony Music
- Release:
- 21.01.2013
- Nabataea
- World Of War
- Live Now
- Far From The Stars
- Burning Sun
- Waiting For The Thunder
- Hold Me In Your Arms
- Wanna Be God
- Straight Out Of Hell
- Asshole
- Years
- Make Fire Catch The Fly
- Church Breaks Down
Die Band bleibt das unangefochtene Flaggschiff ihres Stils, und das ohne nervige Selbstzitate!
Etwas mehr als zwei Jahre nach "7 Sinners", dem sehr harten und zusammen mit "The Dark Ride" wohl auch finstersten Album der Bandgeschichte, sind die Kürbisköpfe mit ihrem inzwischen fünfzehnten regulären Studioalbum "Straight Out Of Hell" zurück, und die Band gibt sich einmal mehr nicht die geringste Blöße, so viel kann ich vorweg nehmen. Denn gleich zum Einstieg serviert uns die Truppe das progressiv arrangierte, ausladende Epos 'Nabataea', das Andi Deris mit einem sehr intensiven Refrain und tollen Hooklines würzt. Das Selbstvertrauen der Band ist also offenbar groß, denn wo andere mit kurzen, knackigen Hitsingles eröffnen, um den Hörer gleich mal auf ihre Seite zu ziehen, da wissen die Herren HELLOWEEN sehr genau, dass sie genau das auch mit einem stattlichen Siebenminüter schaffen können.
Danach gibt es mit 'World Of War' einen tonnenschweren Melodic-Speed-Brecher erster Güte, bevor der Hörer mit dem kurzen, etwas spacigen Rocker 'Live Now' erstmals etwas durchatmen kann. Dass die Geschwindigkeit mit dem rhythmisch gesungenen 'Far From The Stars' gleich wieder mächtig angezogen wird, ist Ehrensache, denn schließlich kann die Band so unmissverständlich klar machen, dass den Stil, den sie selbst erfunden hat, letztlich auch keiner besser drauf hat. Vor allem eben deshalb, weil es kein anderer Genrevertreter so gut versteht wie HELLOWEEN, den letztlich doch relativ festgelegten Stil immer wieder neu zu erfinden, oder zumindest neu und spannend zu würzen. Daher wird mit 'Burning Sun' gleich nochmal eine Schippe drauf gelegt und Andi Deris kann zeigen, dass er auch schneidend screamen kann, als gäbe es kein Morgen.
Müsste ich innerhalb der Diskographie Vergleiche ziehen, dann wäre bisher "Better Than Raw" mein naheliegendster Vergleich, und das aus meinem Munde ist ein großes Kompliment, ist die Platte um die Kürbissuppe doch mein absoluter Favorit der nunmehr auch schon zwanzig Jahre währenden Deris-Ära. Doch auch dieses Mal wird Abwechslung groß geschrieben. Im Intro zu 'Waiting For The Thunder' packt Andi mal wieder seine nicht mehr ganz so geheime Vorliebe für David Bowie aus, und dann wächst sich das Ding zu einem relaxten Power-Rocker der Marke 'If I Could Fly' oder 'I Can' aus, bevor mit 'Hold Me In Your Arms' Zeit für die obligatorische Ballade ist: Streicher und Piano stecken den Rahmen ab, eine verträumte Akustikgitarre tritt hinzu, bevor Andi die Stimme in dunkler Tonlage erhebt. Intensiv, mit leichter SCORPIONS-Schlagseite und hinzukommenden orchestralen Arrangements, aber dennoch nicht kitschig geraten, dürfen wir das Stück durchaus zu den Balladenglanzlichtern der Band zählen.
Das zweiminütige 'Wanna Be God' besteht dann nur aus Dani Löbles Perkussion und Andis Gesang, und es erinnert in gewisser Weise an Powerdrumming-Auftritte alter Trommellegenden, die von rhythmischem Gesang begleitet werden. Kurz vor Ende steigen dann schwerst riffende Gitarren ein und alles geht über in den erneut speedigen und tonnenschweren Titeltrack, der nur im Prechorus in einschmeichelnde, genretypische Melodielinien verfällt, dann aber mit einem explosiven Refrain der Extraklasse einschlägt, der sich gewaschen hat. Was Sascha Gerster und Michael Weikath hier an Riffs und Leads vom Stapel lassen, das ist nicht nur "nicht von schlechten Eltern", sondern das ist wirklich die Speerspitze. Viel mehr hat dieses Genre an zwingendem, punktgenauem, fesselndem Gitarrenspiel einfach nicht zu bieten.
Ein modern klingendes, etwas weniger straight geratenes und dafür stattlich groovendes Experiment findet sich sodann im charmant betitelten 'Asshole' bei dem Meisterbasser Markus Großkopf zusammen mit Dani Löble für die drückenden rhythmischen Akzente sorgen darf. Danach türmen sich bei 'Years' wieder wunderbare Speed-Leads über einander auf, eine Hammond-Orgel funkt mit ein wenig R.A.I.N.B.O.W. dazwischen, dezente Orchestrierungen zwinkern gen RHAPSODY und Andi Deris haut uns feinste Hooklines am laufenden Band um die Lauschlöffel. Zum Ende hin ist dann mit 'Make Fire Catch The Fly' nochmals ein intensiver Melodic-Speed-Overkill mit deftiger Doublebass angesagt, bevor das Album mit 'Church Will Fall' endet wie es begann - mit einem intensiven, epischen Longtrack, der allerdings an Härte und Geschwindigkeit nicht spart und Andi Deris mit einigen stimmlichen Glanzleistungen präsentiert, die man so von ihm gar nicht unbedingt erwartet hätte.
Es bleibt einmal mehr die Erkenntnis, dass die Jungs von HELLOWEEN auch knapp dreißig Jahre nach der Erfindung ihres Stils denselben unangefochten vollendet spielen ohne sich zu wiederholen. Sie bleiben frisch und spannend, und sie meistern dabei einmal mehr den Spagat zwischen eingängigster Melodieführung und metallischer Härte, ohne jemals vor dem Kitschabgrund ins Straucheln zu kommen. Man merkt dem Line-up mit Sascha Gerstner und Dani Löble außerdem an, dass es in dieser Konstellation inzwischen auch schon seit acht Jahren zusammen ist. Damit ist es das langlebigste HELLOWEEN-Line-up aller Zeiten, und daher könnt ihr euch auch darauf verlassen, dass sich hier eines wunderbar harmonisch, schlüssig und passend zum anderen fügt. Es bleibt zu hoffen, dass die Band sich mit solchen Killeralben in der Hinterhand endlich der Tatsache bewusst wird, dass sie auch live nur bedingt auf das alte Material der "Keeper"-Ära angewiesen ist. Mit dem Material der Jahre 1994 bis 2013 ließe sich bequem ein grandiose Setlist basteln, bei der man gerne mal auf den einen oder anderen vermeintlich obligatorischen Klassiker verzichten könnte. Langer Rede, kurzer Sinn: Wer an HELLOWEEN auch nach 1994 noch Gefallen gefunden hat, der liegt bei "Straight Out Of Hell" absolut goldrichtig und kann damit nichts verkehrt machen!
Mehr zu diesem Album:
Soundcheck 01/2013
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle