BETHLEHEM - Mein Weg
Mehr über Bethlehem
- Genre:
- Dark Metal
- Label:
- Red Stream
- Release:
- 15.11.2004
- Aalmutter
- Allegorie
- Knochenkorn
- Frl. Deutsch
- Felbel Fittich
- Dr. Miezo
- Elf Soffitten
- Einsargen
- Im Sog
- Maschinensatan
"Mein Weg" ist Balsam für die Ohren, Heilmittel für kranke angeschwärzte Seelen, Trost für alle Verlassenen und Einsamen, Honig für heisere Hälse, Vitamin in der einläutenden dunklen Jahreszeit und vor allem eines: Liebe pur. Träumerische Melodien am Piano und den Saiten - so schwebend und zart wie bei DEAD CAN DANCE oder THE CURE. Und dazwischen brutalster Grind Core oder auch mal Death Metal. Entsprechend variiert auch die Sängerstimme von tiefstem Gegrunze bis zum höchsten Chorknabengesang. Melancholie kann so, wie BETHLEHEM sie intonieren, tatsächlich auch Metaller im Herzen bewegen. Mir ist keine andere deutsche Band bekannt, die solch seicht plätschernden Melodiezartheiten dermaßen elegant mit düsteren, heftigen Gitarrenriffs und zum Teil schon fast grindigem Drumming verbindet. Eine 'Allegorie', wie sie OPETH nicht stimmungsvoller hätten komponieren können. Dazu schizophrene Texte, die Realitätsverlust auf breiter Ebene widerspiegeln und dennoch näher am wahren Leben sind, als alles, was man Realismus nennt. Bassist Jürgen Bartsch schreibt Zeilen, die direkt dem alltäglichen Leben entnommen sind - nur dass sein Leben alles andere als alltäglich ist. Da hüpfen sieben Kröten über die Straße, vorbei an sieben Bäumen, überall die gute Sieben. Dazu gurgelt sich der Sangesmann in Mike-Patton-Manier die Kehle aus dem Hals. Hard to the bone! Der Titel sagt es ja schon: 'Knochenkorn'. Irgendwo schnabelt traurig eine Meise fern vom Paradies ihr Liedchen. Der Song dazu heißt 'Frl. Deutsch', verarbeitet Kindheitsträume in zartbitterer Weise, zergeht im Ohr wie ein Stückchen Schokolade auf der Zunge, so süßlich schmelzen die E-Saiten das Eis auf dem See einer im Grunde verletzten Seele. Doch was ist das nun? Ein blökendes Schaf mitten in dieser schmerzlichen Allegorie?! Plötzlich drängen sich Drum'n'Bass-Rhythmen in die Harmonien der 'Frl. Deutsch'. Und die Schwalbe findet ihr Ende bei den Maden.
"Mein Schuh folgt mir meist zu Fuß ..." so wendet sich der Blick bedacht zu Boden, klebend an den Schritten des Wandersmannes 'Felbel Fittich', der einst mit der Akustikgitarre auszog und Tod brachte in jedes Haus. Totmetal fällt ein ins gelobte Land, wie mit dem Vorschlaghammer dreschen hier plötzlich die Drums los, sägt der Tiefenstahl die Sarglatten zurecht ... aber gefühlvoll.
'Einsargen' ist definitiv mein Favorit, ein Ohrwurm, doomlastig, träge, schwer, unterseeisch - eine Killermelodie und eine Gothic-/Industrial-Sequenz. Ich möchte darin untertauchen und nie mehr zurück zur Oberfläche!
'Maschinensatan' hat Stellen, die an die 'My Angel'-7'' von ARCTURUS erinnern, auf der sie 1991 zum ersten Mal mit Drum 'n' Bass und Trip Hop experimentierten und das mit Black Metal vermengten. Welche Dunkelheit!!! Und nun wird eine weitere Brücke geschlagen: In 26 Minuten mutiert dieses Monster zum klimpernden Salonsong 'My Way' des verehrungswürdigen FRANK SINATRA, freilich nicht ohne plötzliches Abdriften in stahlharte Death-Metal-Gefilde inklusive Growling. Und des Sängers wandelhafte Stimme klingt tatsächlich wie das Original. So hat das nicht einmal ROBBIE WILLIAMS hingekriegt.
BETHLEHEM, ich danke euch für diese Freiheiten! Ihr seid mir vielleicht ein paar Amerikaner. Euch die neue Welt und ein amerikanisches Publikum zwischen EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN-Liebhabern und KRISIUN-Fans. Das wünsche ich euch und der Welt.
Dennoch, zu irgendeinem Schluss muss ich noch kommen und ich schließe: BETHLEHEM ist mit "Mein Weg" eine deutsche Antwort auf die Musik der amerikanischen A PERFECT CIRCLE gelungen. Für mich ist "Mein Weg" in jeder Hinsicht das Album des Jahres - lyrisch, gesanglich, kompositorisch, atmosphärisch - ein Traum! Ich bin gespannt, was diese Band als nächstes ausheckt.
Anspieltipps: Aalmutter, Knochenkorn, Dr. Miezo, Elf Soffitten, Einsargen
- Redakteur:
- Wiebke Rost