MCQUEEN: Interview mit Leah Duors

13.02.2007 | 21:37

Technische Kabinettstückchen und fünfzig Riffs pro Minute sind nach wie vor nicht die ausschlaggebenden Faktoren für gute Platten. Auch MCQUEEN aus England setzen auf ihrem Debüt "Break The Silence" auf nachvollziehbare Songs, Geradeausrocken und eingängige Refrains. Frontfrau Leah Duors, die gesanglich dankenswerterweise nicht auf Säusel-Schnuckelchen macht, war auch im Interview angenehm gradlinig und angriffslustig.


Oliver:
Leah, ihr habt eure Band nach Steve McQueen benannt, was in sich ein Statement ist.

Leah:
Natürlich ist es eins! Wir wollten einen wirklich starken Namen, der Individualität und Attitüde ausstrahlt, und Steve McQueen hatte beides im Überfluss. Wir hatten am Anfang eine sehr lange Liste mit möglichen Namen für die Band, aber MCQUEEN schien zu passen – glücklicherweise.

Oliver:
Wenn ihr euch CRUISE genannt hättet, müsste man den Rock'n'Roll-Faktor auch mit der Lupe suchen.

Leah:
(lacht) Wenn wir 'ne Scientology-Rockband wären, würde es vielleicht cool sein. Ich frage mich, wie das klingen würde. Ich glaube, es würde klingen wie Katie in den Wehen – leise! Eine leise Scientology-Rockband (lacht). Man weiß nie, es könnte sogar laufen (lacht).

Oliver:
Obwohl "Break The Silence" euer Debütalbum ist, habt ihr zuvor bereits mehrere hundert Shows abgerissen und euch eure Fans neben ein paar Singles vor allem über die Live-Schiene erarbeitet. Gibt's trotzdem irgendwelche Idioten, die euch jetzt vorwerfen, 'ne zusammengecastete Plastik-Band zu sein?

Leah:
Vielleicht gibt's da welche, aber wir verschwenden keine Zeit damit, uns die Köpfe zu zerbrechen, was andere Leute denken. Genau genommen ist es uns sogar scheißegal, was die Leute denken. Wenn einige Idioten meinen, dass wir 'ne Plastik-Band sind, sollen sie sich verpissen und sich was Anderes anhören. Ich suche mit Sicherheit keine Bestätigung und versuche auch nicht, jedem zu gefallen. Die Musik, die wir machen, kommt von vier verschiedenen Musikern, die zusammen im Proberaum sitzen und organisch als Kollektiv schreiben. Wir folgen keinen Trends oder Frisuren, wir sind immer noch ehrlich zu uns selbst, und wir schreiben Musik, die wir selbst gerne hören würden. Die Tatsache, dass wir unsere Songs rausgebracht haben und es Leute gibt, die damit was anfangen können und verstehen, wo wir herkommen, ist einfach nur unglaublich. Das bedeutet uns was! Wir haben verdammt hart gearbeitet, um uns das aufzubauen, und wir treiben uns sowohl körperlich als auch geistig weiter an, um die beste Musik zu schreiben und eine hochenergetische Liveshow zu bieten, die intensiv und stimulierend ist. Wir stehen nicht einfach nur da und wippen mit den Füßen, wir lassen uns gehen, weil unsere Musik leidenschaftlich ist, und wir sind im Mittelpunkt dieser Leidenschaft. Wir strotzen nur so vor Leidenschaft! Wir sind sehr ansteckend.

Oliver:
Das Cover eurer Platte lässt wenige Rückschlüsse auf die Musik zu. Wollt ihr, dass die Hörer unvoreingenommen sind?

Leah:
Wenn man noch nie zuvor von NIRVANA gehört hätte und dann das "Nevermind"-Cover sähe, würde man wissen, welche Musik man letztlich bekommt? Das Artwork ist perfekt für "Break The Silence". Es ist nicht egoistisch, es kriecht sich nicht selbst in den Arsch. Wir hätten auch aufs Ganze gehen und ein künstlerisches Statement abgeben können, aber die Musik war das einzige Statement, das wir abgeben wollten. Ich persönlich wollte nicht, dass wir den schicken künstlerischen Weg einschlagen, weil ich glaube, dass MCQUEEN rau und bodenständig sind. Und wenn man das Ganze aufpoliert hätte, wäre es ein Frevel gewesen. Darüber hinaus ist es persönlich. Nicht viele Bands gestalten ihre Album-Cover, und wir haben das Foto selbst gemacht; das ist mein Mikrophon.

Oliver:
Warum ist es notwendig, die "Stille zu durchbrechen"?

Leah:
Es ist absolut notwendig, die Stille zu durchbrechen! Warum? Weil wir in einer Welt leben, wo die Leute denken, sie hätten keine Stimme mehr, oder es ist ihnen egal, dass sie sie auch benutzen können. Guck dir die Leidenschaft in den Sechzigern und Siebzigern an. Die Leute glaubten wirklich an die Macht einer gemeinsamen Stimme, und sie haben sie auch genutzt. Heute plagen sich die meisten nicht mal mehr damit, wählen zu gehen. Sie haben den Glauben verloren, sie denken, dass sie die Dinge nicht ändern können. Aber wir können und sollten unbedingt!

Oliver:
Im Opener 'Neurotic' wie auch in vielen anderen Tracks der Scheibe lässt du schön aggressive Vocals vom Stapel, womit du die Attitüde, die du gerade beschrieben hast, untermauerst. Fühlen sich ganz harte Möchtegern-Rocker von solchen Songs eingeschüchtert?

Leah:
'Neurotic' ist ein Song über die tiefen, dunklen Gefühle, den inneren Kontrollfreak, das verdrehte, durchgeknallte Ich, das wir hinter einem Lächeln, das wir für die Welt aufsetzen, verstecken. Ich will niemanden einschüchtern, aber in Bezug auf meine Band und Bandfreundinnen bin ich äußerst beschützerisch. Und wenn jemand versuchen würde, sich mit uns anzulegen, würde ich mit Sicherheit zubeißen – verdammt hart!

Oliver:
An wen richten sich der Text von 'Not For Sale' und coole Zeilen wie "Don't remind me I'm a girl / Stop talking to my chest"? Sind es die Leute, die sich eure Musik nicht wirklich anhören und eure Band ausschließlich darauf reduzieren, dass ihr Frauen seid? Oder sind die Lyrics eher persönlich, autobiographisch?

Leah:
Ich schreibe alle Lyrics, und deshalb ist alles sehr persönlich. Ich glaube, mit 'Not For Sale' wollte ich ausdrücken, dass ich genug von den Leuten habe, die rausstellen, dass ich 'ne Frau bin – als wenn ich das verflucht noch mal nicht selbst gemerkt hätte. Wo ist das Besondere? Ich kapiere es einfach nicht. Niemand, nicht eine verdammte Person auf dieser Welt hat jemals irgendeinen von SLIPKNOT gefragt, wie es ist, in einer "all-guy"-Band zu sein. Und genau das meine ich. Es kotzt mich an, und ich entschuldige mich nicht dafür, dass es mich ankotzt. Ich bin nicht eingeschnappt, wie es auch im Text heißt, aber wenn etwas grundlegend falsch ist und ich damit nicht einverstanden bin, mache ich meinen Mund auf, und dafür werde ich mich verdammt noch mal nicht entschuldigen (lacht).

Oliver:
Die Liste eurer Einflüsse bzw. der Bands, die ihr mögt, reicht von PANTERA über DEFTONES hin zu GUNS N' ROSES. Gibt es Namen, auf die ihr euch einigen könnt? Ihr vier werdet vermutlich nicht all diese Bands gleichermaßen gut finden.

Leah:
Doch, das tun wir. Wir sind Musiker, wir lieben Musik. Wir können uns von allen Arten von Bands und Genres Inspiration holen. Als Songwriter ist es absolut notwendig, über den Tellerrand zu schauen und etwas aus anderen Genres zu ziehen – alles, was die Kreativitätssäfte fließen lässt. Wenn du Musiker bist, ziehst du keine Trennlinien!

Oliver:
Daraus resultiert auch das musikalische Spektrum eures Albums, das sowohl Punk als auch Rock'n'Roll sowie dezente Metal-Zitate bei härteren Nummern wie 'Neurotic' oder 'Break The Silence' umfasst.

Leah:
Das Tolle an MCQUEEN und unserer Musik ist, dass wir uns keinen Stempel aufgedrückt haben, und wir passen auch nicht fein säuberlich in 'ne kleine Kiste mit einem Genre-Sticker vorne drauf. Das gibt uns die kreative Freiheit, zu erforschen und zu entdecken. Unser Album hat so viele verschiedene Facetten, man bekommt nicht zehnmal den gleichen Song, der nur unwesentlich anders gespielt wird und einen anderen Text hat. Jeder Song hat seinen eigenen Charakter, ohne vom MCQUEEN-Sound abzuweichen. Wir könnten in jede Richtung gehen, und das ist wirklich aufregend.

Oliver:
Ich finde, dass man bei euch das "britische Element" heraushören kann, obwohl ihr überwiegend von US-Bands beeinflusst seid. Was ist dieses "britische Element" in der Musik, das Ami-Kapellen nicht haben – selbst wenn sie die gleichen Zutaten zusammenrühren? Ist es die Rauheit, die englische Bands irgendwann mal ausgezeichnet hat?

Leah:
Ja, vielleicht hast du Recht. Wir kommen alle aus England, und ich glaube, das hilft. Ich denke, es hängt größtenteils damit zusammen, dass wir in den letzten drei Jahren so viel unterwegs waren und als Band in der UK-Underground-Szene aufgewachsen sind. Wenn du in eine raue Alles-ist-möglich-Szene eintauchst, kannst du dich nicht dagegen wehren, dass davon irgendwas abfärbt.

Oliver:
Ihr seid vor einiger Zeit mit den Jungs von "Dirty Sanchez" getourt (ein MTV-Format, das mit "Jackass" vergleichbar ist – Anm. d. Verf.), die auch live auftreten und ihre Schoten abziehen. Was war es für 'ne Erfahrung, mit Typen unterwegs zu sein, die sich mit diversen Gegenständen gegenseitig vor den Sack hauen?

Leah:
Weißt du was? Es war ein verdammter Mordsspaß! Diese Jungs sind verrückt. Wir hatten eine tolle Zeit, obwohl wir gleichzeitig nicht glauben konnten, was wir sahen. Einiges war echt grausam (lacht). Ich kann mich erinnern, dass Hayley Cramer, unsere Schlagzeugerin, ein Paar total gesplitterter Drumsticks auf den Foltertisch gelegt hat. Die wurden einem der Jungs gewaltsam in den Hintern geschoben. Autsch! Überflüssig, zu erwähnen, dass sie die Drumsticks hinterher behalten durften. Aber wir würden die Jungs liebend gerne wiedersehen.

Oliver:
Einen auf 'ne andere Art interessanten Trip hattet ihr Anfang Februar, als ihr nach Vietnam gereist seid, wo ihr auf dem "Ho Chi Minh City Unite"-Festival gespielt habt. Welche Eindrücke habt ihr mitgebracht?

Leah:
Wir hatten ein großartige Zeit in Vietnam. Rückblickend fühlt es sich so unwirklich an, dass wir dort waren. Uns wurde erzählt, dass wir die einzige UK-Band seien, die je in Vietnam gespielt hat. Verrückt, aber was für 'ne Ehre. Hoffentlich kommen wir noch mal dorthin und können mehr Zeit darauf verwenden, uns das Land ein bisschen genauer anzusehen. Wir waren sechzehn Stunden unterwegs und vier Tage da, aber es war unglaublich. Die Vietnamesen sind verdammt verrückt und lieben ihre Rockmusik. Sie sind mächtig abgegangen. Die Show war fantastisch, obwohl unsere Gitarristin Cat de Casanove beinahe in die Luft geflogen wäre, als sie ihr Solo bei 'Blinded' spielte. Man hatte uns gesagt, dass in drei Songs Pyrotechnik zum Einsatz kommen werde, und Cat hatte total vergessen, dass 'Blinded' einer von ihnen war. Also solierte sie vor sich hin und stand dabei genau auf einem der Dinger. Aber glücklicherweise hat niemand den Knopf gedrückt – somit hat unsere Cat ein weiteres Leben verloren, ich glaube, sie hat jetzt noch fünf übrig. Wie auch immer: Wir waren zusammen mit einer deutschen Band namens KRYPTERIA Headliner. Sie sind total cool, und ich freue mich, sie zu treffen, wenn wir nach Deutschland kommen (Ende Februar werden MCQUEEN für fünf Shows bei uns aufschlagen – Anm. d. Verf.).

Oliver:
Für eine Band, die gerade ihren ersten Longplayer draußen hat, habt ihr schon vieles erreicht. Was kommt als nächstes?

Leah:
Erwartet das Unerwartete! Alles könnte passieren. Wer weiß das schon? Ich denke, wir würden es zu schätzen wissen, ein bisschen Kohle zu verdienen, weil wir total abgebrannt sind. Aber davon abgesehen glaube ich, dass wir durch die Weltgeschichte touren, schreiben, aufnehmen, und jede Menge Spaß haben werden.

Oliver:
Stell dir vor, "Break The Silence" wäre ein Film, wie viele Sachen würden in die Luft fliegen, und wie viele Leute würden Schaden nehmen?

Leah:
Alles würde in die Luft fliegen, und jeder würde verdammt noch mal sterben (lacht). Nur ein Witz. Ich bin ein großer Fan von Action-, Fantasy- und Horrorfilmen, Psychothrillern und Komödien. Also denke ich, "Break The Silence" würde eine Art "Terminator"-trifft-"The Lord Of The Rings"-trifft-Monty-Python-in-einer-dunklen-Gasse-irgendwo-in-Mittelerde sein.

Redakteur:
Oliver Schneider

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