X-Mas Festival - Ludwigsburg

08.01.2001 | 04:00

17.12.2000, Rockfabrik

Eine Woche vor Weihnachten hat die Rockfabrik in Ludwigsburg zu einem kleinen X-Mas-Festival eingeladen. Als Headliner hat man sich für GAMMA RAY entschieden, die man im Jahr 2000 in Deutschland sehr selten zu Gesicht bekam. Somit war der Auftritt an jenem Sonntag die einzigste Möglichkeit für die Fans, Kai Hansen und Co. abgesehen vom Wacken Open Air zu Gesicht zu bekommen. Doch auch der Rest des Billings konnte sich sehen lassen: CREMATORY, ANGEL DUST und SYMPHORCE sollten für einen gelungenen Abend sorgen. Lediglich die vollkommen deplazierten NDH-ler von MEGAHERZ sorgten für Unverständnis und Missmut beim Großteil des Publikums.

However, pünktlich um 19 Uhr begannen SYMPHORCE ihren Set mit dem Opener \"Eye Of Horus\" vom aktuellen Album \"Sinctuary\". Die Jungs um BRAINSTORM-Frontmann Andy B. Franck stellten schnell ihre Qualitäten unter Beweis und zelebrierten einen kurzen, aber intensiven Set. Traurig war hierbei bloß, daß der Sound im Allgemeinen grottenübel gemischt war. Keyboarder H.P. Walter konnte sich an seinem Instrument abmühen wie er wollte, er verkam zu einer bloßen Attrappe, da der PA kein Klang zu entlocken war. Doch auch bei den anderen Musikern war klangliche Entfaltung eher Fehlanzeige. Ein schepperndes Schlagzeug mit überdrehter Snaredrum, eine undifferenziert klingende Gitarre, die einen Soundmatsch hinterliess, durch den jedes noch so gute Solo von Cedric Dupont zu einer einzigen Qual wurde. All dies war insofern schade, als daß SYMPHORCE neben dem exzellenten Songwriting vom letzten Album \"Sinctuary\" noch dazu mit klasse Livequalitäten aufwarteten. Besser spät als gar nicht, dachten sich wohl die Herren vom Mischpult und verliehen wenigstens dem Abschlusssong \"Holy Sin\" ein angemessenes Soundkleid.

Nach einer kurzen Umbaupause ging es mit den Jungs von ANGEL DUST weiter. Bereits zweimal habe ich mir diese Truppe live angesehen und sie waren in beiden Fällen eine herbe Enttäuschung. Dementsprechend vorurteilbehaftet schaute ich sie mir nun zum dritten Mal an. Und was kam dabei heraus ? Die größte Überraschung des Abends ! ANGEL DUST lieferten mit sechs Songs eine spitzen Stimmung, konnten auf ihren Instrumenten voll und ganz überzeugen und waren zudem noch mit einem astreinen Sound bestückt. Als Opener hatte man sich, wie nicht anders zu erwarten, für \"Let Me Live\" entschieden, auf dem sofort \"Bleed\" vom aktuellen Albums \"Enlighten The Darkness\" folgte. Weiter ging es quer durch die Botanik ihrer Alben und von Song zu Song steigerten ANGEL DUST sich. Nervig war einzig und allein Sänger Dirk Thurisch, der mit Kaufhaus-Ledermantel und Sonnenbrille ständig herumposte, was das Zeug hielt. Davon abgesehen lieferten ANGEL DUST einen erstklassigen Auftritt, der für sehr gute Stimmung im Publikum sorgte.

So gut der Abend angefangen hatte, so übel gings weiter. Wer, wo, wann und vor aus welchen Gründen auf die Idee kam, eine Truppe wie MEGAHERZ mit aufs Programm zu setzen konnte man sich beim besten Willen nicht vorstellen. Der Großteil des Publikums zog sich dezent zurück um ein Bierchen zu schlürfen. Platz gemacht wurde somit den MEGAHERZ-Fans, die schon ein recht ungewöhnliches Völkchen sind. Zumeist waren es jüngere Mädchen mit knappem Oberteil, die zum Takt der Musik ihren Vorbau haben mitschwingen lassen, während sie den Sänger verliebt anschauend, tausende von Plüschtieren auf die Bühne schmissen. Geboten haben MEGAHERZ zwölfmal das selbe Lied, jeweils unter anderem Titeln, aber stets mit dümmlichen, spät-pubertären Texten auf niedrigstem Niveau. Zwischen den zusammenhangslosen Musikfragmenten wurde wahlweise über das RockHard abgelästert, erzählt wie teuer die Jeans des Sängers war und herumgeprollt ohne Ende. Selten habe ich jedoch ein derart gespaltenes Publikum gesehen. Die MEGAHERZ-Fans waren außer Rand und Band und feierten die Kombo regelrecht ab, während der Rest des Publikums entnervt auf die Uhr guckte oder der Band auch demonstrativ den Rücken zukehrte. Wie auch immer, irgendwie hat jeder die zwölf Songs, inklusive einer musikalischen Vergewaltigung des FALCO-Klassikers \"Rock Me Amadeus\" überlebt und konnte sich nun auf CREMATORY und GAMMA RAY freuen.

Mit gespaltener Meinung blicke ich nun auf den CREMATORY Auftritt zurück. Der Sound war klasse und druckvoll und somit waren eigentlich perfekte Vorraussetzungen für einen gelungenen Abend mit CREMATORY gegeben. Doch irgendwie hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Irgendwie hatte ich sie vom SUMMER BREEZE OPEN AIR wesentlich besser in Erinnerung (Christian vermutete, daß dies an meinem Alkoholisierungsgrad gelegen haben könnte). Sicherlich kamen Songs wie \"Tears Of Time\" oder \"Fly\" genial an und die düster gekleideteren unter den Fans gingen auch sichtlich begeistert mit. Aber irgendwie konnten mich Felix und seine Crew an diesem Abend nicht so sehr überzeugen. Es fehlte irgendwie der letzte Kick. Was mir aber den Auftritt aber so richtig versaute waren erstens die Keyboards bei dem SISTERS OF MERCY Klassiker \"Temple Of Love\". Man kann sich gar nicht vorstellen wie dieser billige Keyboardsound einen solchen Song versauen kann. Dies ging aber anscheinend nicht nur mir so, da der anfängliche Jubelsturm bei der Ansage des Songs doch ziemlich schnell verebbte. Das zweite was mir den Auftritt versaute war diese oberpeinliche und absolut drittklassige Kopie von \"Tears Of Time\" welches auf dem aktuellen Album unter \"Time For Tears\" unters Volk gebracht wurde. Einfach unglaublich wie man seine eigenen Klassiker so schlecht und langweilig covern kann. Sieht irgendwie so aus, als ob hier CREMATORY ihre Ideen ausgingen und sie auf diesem Weg versuchen Kohle zu machen, nachdem sich es ja auch in den Charts eingebürgert hat 20 Versionen seines Hits herauszuhauen. Aber was solls. Den Fans hat es Spass gemacht und das ist ja das Wichtigste. (Georg)

Time for GAMMA RAY !!! Für das X-Mas Festival hatten die Hamburger ihre Studioarbeiten für den Powerplant-Nachfolger unterbrochen und boten ihren Fans den zweiten Auftritt in deutschen Landen im Jahr 2000. In der langen Umbaupause wurde die Bühne mit kleinen Plastikbäumchen, Lichterketten und dubiosen Aliens mehr oder weniger weihnachtlich geschmückt. Nachdem auch der Soundcheck von statten ging ertönte das \"Welcome\"-Intro aus der PA, welches mit etlichen Jubelschreien aus dem Publikum honoriert wurde. Noch größer wurde der Jubel selbstverständlich, als GAMMA RAY nach und nach auf die Bühne kamen und gleich mit \"Lust For Life\" einsetzten. Die Gammastrahlen zeigten sich, wie es nicht anders zu erwarten war, spielfreudig wie eh und je und rissen das Publikum sofort in ihren Bann. Leider zeigte sich in der Rockfabrik das berühmte Soundproblem bei den Headlinern. Hatten die Soundtechniker sowohl bei ANGEL DUST, als auch bei MEGAHERZ und CREMATORY einen erstklassigen Sound geliefert, so kam bei GAMMA RAY ein vergleichsweise matschiger Brei aus der PA, aus dem man nur schwer etwas anderes als Kai\'s Gitarrenarbeit und das Schlagzeug erahnen konnte. Der Hauptgrund hierfür lag eindeutig daran, daß man aus unerfindlichen Gründen beim Headliner alle Regler hochdreht um die Zuschauer möglichst schnell mit einem Hörschaden zu versehen. Dieser Sound, der sich zwar im Laufe der Zeit besserte, aber immer noch indiskutabel blieb, trübte leider den ansonsten in jeder Hinsicht gelungenen Gig. Die Setlist war schlichweg grandios und deckte alle Schaffensphasen seit 1989 ab. So ging es locker-flockig von Publikumslieblingen wie \"Rebellion In Dreamland\" oder \"Heaven Can Wait\", über Up-Tempo-Kracher wie \"Behind The Blackhole\" bis hin zu sehr emotional vorgetragenen Songs Marke \"Dream Healer\". Lediglich auf Lieder des 93\'er Albums \"Insanity & Genius\" wurde verzichtet. Dies tat dem Ganzen jedoch keinen Abbruch, da stattdessen mit \"Solid\" ein vollkommen neuer Song präsentiert wurde, der auf dem nächsten Album zu finden sein wird. Wie werden GAMMA RAY im neuen Jahrtausend klingen ? Laut dem Interview, daß ich mit Daniel Zimmermann im Juli 2000 geführt habe, sollte das neue Album einen deutlich progressiveren Touch bekommen. Leider Gottes kann der Vorabgeschmack \"Solid\" diese Ansprüche nicht erfüllen. \"Solid\" ist ein schneller, für GAMMA RAY-Verhältnisse recht harter und rauher, fast thrashiger Metalkracher, der zwar seine Klasse besitzt, aber keinerlei Progressivität durchblicken liess. Allerdings gebe ich diese Aussage mit Vorsicht von mir, da es bei dem miserablen Sound äußerst schwierig war, das Lied genauer zu analysieren. Im Anschluss an \"Solid\" folgte der Titelsong von \"Somewhere Out In Space\" (wie üblich mit ewiglangem Mitsingpart), bevor GAMMA RAY vorläufig die Bühne verliessen. Kaum verschwand der letzte Musiker im Backstagebereich, erfüllten Zugaberufe die Rockfabrik mit neuem Leben. Kai Hansen und Co. liessen sich auch nicht lange bitten und kamen mit \"Send Me A Sign\" zurück, was vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurde. \"Ich stehe schon seit über 10 Jahren auf dieser verfickten Bühne...\" O-Ton Kai Hansen und jeder wusste, was zwangsläufig folgen musste. Meister Hansen packt einen alten HELLOWEEN-Schinken aus und er hatte sich für \"Ride The Sky\" entschieden. Unnötig, an dieser Stelle über die grenzenlose Euphorie bei den Fans zu reden, die ohne Ende abgingen. Kaum waren die letzten Klänge des markanten Riffs verklungen verabschiedeten sich GAMMA RAY nun zum zweiten Mal. Trotz erneuter Zugaberufe kamen GAMMA RAY vorerst nicht zurück auf die Bühne, woraufhin die Rufe langsam verstummten und die ersten Zuschauer sich auf den Heimweg machen wollten. Doch wer kam da auf die Bretter, die die Welt bedeuten ? Die Nase kennt man doch ! Dirk Schlächter verkündete, daß noch nicht aller Tage Abend ist und noch in den Genuss eines weiteren Songs kommen könnte, wenn man 15 Minuten Zeit mitbringt. HEADING FOR TOMORROW !!!
Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet... Sowohl auf der Powerplant-Tour und in Balingen 1999 als auch in Wacken 2000 hatte ich vergebens gehofft, daß ich in den Genuss dieses unvergleichlichen Meisterwerkes kommen darf. Und nun wurde dieser Traum wahr und ich schwebte 15 lange Minuten in einer Traumwelt bestehend aus Klängen und Emotionen. Um kurz zu sein: die Präsentation dieses Göttersongs war nicht von dieser Welt. Unter enormen Applaus und Jubel verliessen GAMMA RAY nun endgültig die Bühne. Ein absolut gelungener Auftritt nahm sein Ende und ein Musiker soll hier ganz besondere Erwähnung finden. Henjo Richter. Mit diesem Mann hat sich Kai Hansen einen wahren Künstler auf sechs Saiten ins Boot geholt, der ihn selbst um Längen übertrifft. Es war einfach nur unglaublich, mit anzusehen, wie Henjo die schnellsten Sweeping-Soli aus dem Ärmel schüttelte, als wäre es das Selbstverständlichste auf dieser Welt. Hut ab vor diesem Mann !

Redakteur:
Christian Debes

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