With Full Force XX - Roitzschjora

24.07.2013 | 23:59

27.06.2013, Flugplatz

Vier Tage Geburtstagsfeier auf dem selbst ernannten härtesten Acker Deutschlands: Das With Full Force lässt es auch diesmal ordentlich krachen.

Freitag

Eine dreckige Rock-Mischung präsentieren die Herren von RED FANG. Von diesem Teil der Westküste würde man diese Musik gar nicht erwarten, denn eigentlich ist es dort viel zu grün für so eine staubige Sludge-Stoner-Masse. Ein minimalistisches Set mit dem etwas verloren wirkenden, winzigen Bandbanner ziert die Bühne, als ein Geheimtipp des diesjährigen Jubiläums die Bühne betritt. Und sofort ist klar, dass auch mit lediglich zwei Boxen ein Druck und Drive vorhanden ist, der einem die letzten Katersymptome wegbläst. Die äußerst kurzen Ansagen von Bryan Giles beschränken sich auf ein Wort: "Dankeschön". So bleibt an diesem Mittag immerhin Zeit, ein paar mehr Songs dem recht begeisterten Publikum entgegen zu schmettern. Und Nummern wie 'Hank Is Dead' oder 'Wires' wissen auch zu gefallen. Auch wenn das ein gelungener Auftritt ist, haut mich das nicht vollends um. Irgendwie fehlt mir da das Außergewöhnliche oder vielleicht ist es auch einfach zu außergewöhnlich für meinen Geschmack. Jedenfalls beenden RED FANG mit dem nun wirklich geilen Song 'Prehistoric Dog' einen gelungenen Auftritt. Und wenn man in die Gesichter schaut muss man akzeptieren: Den meisten hat es gefallen.

Melodic Death Metal aus Thüringen kommt von KALI YUGA, was so viel heißt wie "Zeitalter des Streites". Zunächst streitet man jedoch wenig, sondern sammelt eher Sympathien durch die Ansage "wir sind aus dem Osten". Prompt werden der Band zu den Klängen von ˈDesecrationˈ die Pommesgabeln entgegengestreckt. Ich gebe zu, dass mir die Band bis zu diesem Tag völlig unbekannt war, und zunächst frage ich mich, ob sich das heute ändern wird. Trotz der Bemühungen von Sänger Singer (famoses Wortspiel) fällt es den fünf etwas schwer, das Publikum wirklich mitzureißen. Mit zunehmender Spieldauer kommt etwas mehr Leben in die Sache und es entsteht zu ˈBlackcrownˈ der erste Circle Pit. Auch der Bassist bekommt zum Geburtstag einen kleinen Gruß, obwohl ihm das wohl eher unangenehm ist. Kleinere Unstimmigkeiten bezüglich der Songreihenfolge werden schnell geklärt, und so gibt's zum Abschluss dann doch erst ˈBulletheadˈ, bevor ˈIn Blood We Trustˈ einen gelungen Auftritt beendet.

[Chris Gaum]

TERROR
zählt unter Garantie zu den Bands, die zehnmal so viel Merch wie Platten verkaufen und im Underground vermutlich das derzeit heißeste Eisen in Sachen Hardcore sind. Daher darf einen die Spielzeit um 17:35 schon ein bisschen wundern. Scott Vogel und seinen Mannen ist sowas natürlich komplett scheissegal, sie reißen jederzeit und überall alles ab, was nicht bei drei auf den Bäumen ist – und manchmal selbst das. Die neueren, metallisch angehauchten Songs stehen im Set gleichberechtigt neben den Old-School-Sachen, denn die Linie ist immer die gleiche: Rastet aus, und zwar jetzt, hier und sofort! ("Step on somebody, step on somebody, step on somebody, step on somebody...") Auf etwas anderes wollen Vogels Ansagen im Prinzip nie hinaus, so dass es nicht verwunderlich ist, dass es im vorderen Bereich hoch hergeht. Eine derartige Energie verbunden mit so viel (echter?) Authentizität ist wirklich beeindruckend. Wer Hardcore mit Attitüde will, der wird hier heute, auch dem zwischenzeitlich einsetzenden Regen zum Trotz, entsprechend bedient. Dennoch ist und bleibt TERROR eine Band für kleine, dreckige und verschwitzte Clubs.

[Oliver Paßgang]

Die epische Musik von 'Requiem For A Dream' schallt über's Festivalgelände, dann kracht 'Let Me Out' aus den Boxen. Was für ein Start von Peterle und seinen PAIN-Jungs! Mastermind Tägtgren führt mal wieder eine Zwangsjacke aus, die ihn aber in seinem Bewegungsdrang kein bisschen einschränkt. Die ersten drei Songs werden ohne Ansage durchgezockt, dann lässt der schwedische Tausendsassa das Publikum empor gereckte Mittelfinger schwenken. Während sein Bassist unentwegt bangt, kommen neben alten Gassenhauern Hits wie 'It's Only Them' oder 'Same Old Song'. Stellt sich nur die Frage, warum das einstige Zweitprojekt, das HYPOCRISY inzwischen längst überholt haben dürfte, schon so früh am Abend ran muss. "It's your last chance to dance", ruft Peter Tägtgren, doch statt dem mittlerweile aus der Setlist gestrichenem 'Dancing With The Dead' kommt der Evergreen 'Shot Your Mouth'. Krönender Abschluss, der Basser wirft grinsend sein Instrument quer über die Bühne, und Peterle scheint augenscheinlich ebenso zufrieden zu sein wie die Fans.

[Carsten Praeg]

Nachdem bekannt wurde, dass der Auftritt von MOTÖRHEAD leider ausfallen muss und die Gerüchte um den Ersatz durch GHOST abgeklungen sind, setzt sich PARKWAY DRIVE gegen DOWN um den Headlinerposten durch, was sich als sichtlich gute Wahl zeigt, wie man ziemlich schnell erleben durfte. Denn obwohl die Stimmung überaus gut ist, kann man bereits nach zehn Minuten alles nur noch als tranig und oll bezeichnen. Fronter Anselmo scheint Null bei der Sache zu sein, was sich ziemlich schnell auf das Publikum überträgt. Highlight ist da schon fast das Krümelmonster aus der Sesamstraße, welches in einer Mülltonne durch die Massen schwimmen darf. Das fällt sogar Anselmo auf, der ihm darauf 'There's Something On My Side' widmet. Apropos widmen: Der Gedanke geht an Lemmy, der sich gerade in einem Berliner Krankenhaus erholt. Schnell also 'Ace of Spades' anstimmen und auf eine Genesung hoffen. Zum krönenden Abschluss darf Bryan Giles, Klampfenmann von RED FANG, auf die Bühne, um ein bisschen in die Saiten zu hauen. Alles ganz nett – DOWN haben wir aber ehrlich gesagt schon um etliches besser gesehen....

[Nadine Ahlig]

Die Gewinner des diesjährigen With Full Force sind wohl ohne größere Zweifel die Jungs von PARKWAY DRIVE, profitieren sie doch von allen Bands am meisten von der Absage MOTÖRHEADs: Fünfzehn Minuten mehr Spielzeit und zudem die Headlinerposition am heutigen Freitag. Die große Frage, die sich bei einer verhältnismäßig jungen Band dann zwangsweise stellt, ist die, ob sie dieser Aufgabe auch gewachsen sind. Wenn man vom getragenen Merch der Festivalbesucher ausgeht, dürfte es an der Popularität jedenfalls nicht scheitern. Ein gigantisches und zugleich wunderschönes Backdrop (das schlichte Motiv: eine Berglandschaft in schwarz/weiß) ziert die Bühne, zudem gibt es bandeigene Beleuchtung und hin und wieder mal silberne Schnipsel von der Decke. Mehr existiert an vorbereiteter Show nicht und dennoch füllt der Fünfer die Bühne jederzeit mit einer wahnsinnigen Präsenz aus. PARKWAY DRIVE ist der Headlineraufgabe nicht nur gewachsen, nein: Auf einem Festival wie dem With Full Force wird man kaum eine bessere Band dort platzieren können. Den Jungs stehen die Bretter, die die Welt bedeuten, richtig gut, sie agieren professionell ohne einen Hauch von Starallüren. Mit Ausnahme vom Debüt, das nur mit seinem Hit vertreten ist, stehen die Alben heute gleichberechtigt nebeneinander. Das Set kommt dementsprechend auch gut an: 'Karma' ist der Circle-Pit-Motor, 'Boneyards' der Mosher schlechthin und 'Wild Eyes' erklingt aus tausenden Kehlen. Ein Durchhänger ist hier nicht auszumachen.

In einer ruhigen Minute (die es allerdings erst nach Abschluss des Gigs gibt) darf man sich schon einmal kurz wundern, was PARKWAY DRIVE nun eigentlich so viel besser macht als nahezu alle anderen zigtausend modernen Bands dieses Planeten. Denn wenn man es nüchtern betrachtet, spielen die Australier einfach "nur" Metalcore. Das jedoch mit einer solchen Hingabe und einem derartig runden Songwriting, dass es eine wahre Freude ist. Die Hymnen sind fast schon trivial eingängig, bleiben dennoch lange spannend und sorgen immer wieder für emotionale Ausraster. Zudem hat man den Eindruck, dass man es hier mit sehr bodenständigen Jungs aus Down Under zu tun hat, die einfach Bock auf das haben, was sie da oben auf der Bühne treiben. So eine ungekünstelte, grundehrliche und leidenschaftliche Einstellung spürt auch das Publikum – und rastet deswegen vollkommen zurecht aus. Das finale, laut mitgebrüllte 'Carrion' beendet einen Gig, der mich mit kindlicher Begeisterung zurücklässt. Und sollte nun irgendjemand den Eindruck bekommen, ich hätte hier eine Liebeserklärung an PARKWAY DRIVE verfasst, dann kann ich nur entgegnen: Stimmt. Und ich werde es garantiert wieder tun.

[Oliver Paßgang]

Knüppelnacht

Nachmittags sieht man NAPALM DEATH-Basser Shane noch etwas müde hinter der Bühne lang schlappen. Doch pünktlich zu Beginn der Knüppelnacht auf der Zeltbühne ist er ebenso hellwach wie selbstredend auch Frontröhre Barney. Der charismatische wie zappelige Irrwisch wird mal wieder zur Albtraum aller Fotografen. Wohl ein kleiner Ausgleich zu einem jüngsten Auftritt in einem kleinen Club in Texas, wo Barney laut Augenzeugenbericht mangels Platz fast gegen die Wände gerannt ist. Nach einer ungewohnt längeren Pause durch die MOTÖRHEAD-Absage ist das Zelt so proppenvoll wie nie - ein halbes Metalcore-Festival plus Opener der legendären Knüppelnacht, die Kombination macht den Auftritt für die vier Briten fast zu so etwas wie einem Heimspiel. Gitarrist Mitch steuert inzwischen auch vereinzelt sowas wie annähernden Cleangesang bei, was dem Prügelsound aber keinen Abbruch tut. Grindcore-Klassiker wie 'From Enslavement To Obliteration' oder 'Suffer The Children' blasen alles weg, gegen Ende des Sets werden die Songs gewohnt kürzer. Bis hin zum Einsekünder 'You Suffer'. Den Abschluss bildet wie immer das DEAD KENNEDYS-Cover 'Nazi Punks Fuck Off', was von jungen wie alten Grindcore-Jüngern entsprechend abgefeiert wird. Kultig wie eh und je.

[Carsten Praeg]

Nachdem der Nacken von NAPALM DEATH bereits wund ist, legen die GORGOROTH-Separatisten Gaahl und King mit GOD SEED nach. Was gibt es mehr zu sagen als den relativ schlechten Kritiken zu "I Beginn" zum Trotz anzumerken, dass die Norweger live mit ihrem Material hundertprozentig in den Bann ziehen können. Übergänge verschwinden fast komplett - nicht vorhandener verbaler Kommunikation zwischen Band und Publikum zum Dank - und es folgen 40 Minuten dämonischer Kopfzersplitterer, die zwar einige Leute aus dem Zelt treibt, den Rest aber zum infernalen Träumen bringt. Daumen hoch!

[Nadine Ahlig]

Martin van Drunen ist eine coole Sau. Da muss ich meinem Kollegen Carsten einfach Recht geben. [In der Nacht hab ich wahrscheinlich viel gesagt ;-) Anm. v. Carsten] Vor dem Festival habe ich mich noch etwas geärgert, dass er mit HAIL OF BULLETS und nicht mit ASPHYX auf's Full Force kommt. Nach bereits zwei anstrengenden Festivaltagen und etlichen Litern Bier, Met und Jägermeister freunde ich mich dann doch recht schnell mit der holländischen Alternative an. Songs wie 'Ordered Eastward' sorgen aber auch dafür, dass Erinnerungen an die Legende BOLT THROWER zum Headbangen animieren. Leider ist kaum Bewegung vor der Bühne. Das ist enttäuschend, denn schließlich gibt es hier richtig geilen Old-School-Death Metal und da gehört ein anständiger Moshpit schon dazu. [Dafür hast du alleine doch Mosh-Party für zehn gemacht ;-) Anm. v. Carsten] Vielleicht sind viele auch einfach von dem NAPALM DEATH-Exzess ausgepowert. Also wird halt gut 40 Minuten zu Krachern wie 'Berlin' oder 'General Winter' mit dem Kopf genickt. Prost!

[Chris Gaum]

Bei den Schweden NAGLFAR, die bereits als einzig würdige Erben von DISSECTION gehandelt wurden, kommt man selbst neun Jahre nach dem Ausscheiden des agilen Sängers Jens nicht umhin, ein paar Worte über die Bühnenpräsenz seines glatzköpfigen Mikro-Nachfolgers Kristoffer zu verlieren. Um getrost festzustellen: Es bedarf nun wirklich keines weiteren Vergleichs mehr. Denn Mr. Olivius hat den Dreh endgültig raus. Der Bewegungsradius ist zwar immer noch geringer als beim Vorgänger, doch Kristoffers messerscharfer Blick und Gestikulationen sorgen gerade bei Nacht für eine absolut düstere Stimmung. Klassiker wie 'I Am Vengeance' oder das immer wieder genau auf den Punkt treffende 'A Swarm Of Plagues' tun ihr Übriges. Strobolicht, die Bühne wahlweise in Blutrot oder finsteres Blau getaucht - das kann eigentlich nur noch von MARDUK überboten werden.

[Carsten Praeg]

Fast alle anständigen Bands werden auf dem With Full Force dazu genommen, die Nacht und somit auch das Partyzelt zu beleben. So dürfen auch die drei Brüder von KRISIUN kurz vor Sonnenaufgang für 40 Minuten mit ihrem brettharten Death Metal den Flugplatz zum Beben bringen. Trotz der späten - beziehungsweise frühen - Morgenstunde ist das Zelt gut gefüllt, so oft verirren sich die Brasilianer leider auch nicht in das kühle Deutschland. Mit der Auskopplung 'Combustion Inferno' vom 2008er Langspieler "Southern Storm" werden die Lebensgeister der Fangemeinde geweckt. Der Song legt langsam los und steigert sich dann zu für KRISIUN typischen Gefrickel und Geknüppel. Am Ende scheint jeder, der sich nach dem langen Tag noch bewegen kann, sein Haupthaar wenigstens ein wenig im Takt zu bewegen. Nach einer kurzen Dankansage wird der Klassiker 'Vicious Wrath' angestimmt. Mittig vor der Bühne werden - wie immer - Versuche unternommen, ein ernst zu nehmendes Moshpit zu etablieren. Als sich das Set mit 'Blood Of Lions' dem Ende neigt, bedankt sich Alex wieder einmal bei den Fans. Und kündigt einen Song für Lemmy an, welcher bekanntlich krankheitsbedingt den für heute geplanten MOTÖRHEAD-Gig absagen musste. Um die Bühne anschließend an MARDUK zu übergeben.

[Stefan Brätsch]

Nachdem es bei KRISIUN schon recht leer im Zelt war, kommen um kurz vor 5 nochmal alle aus ihren Zelten gekrochen: Die Panzerdivision MARDUK schickt sich an, alles in Schutt und Asche zu legen. Da werden nochmal alle Kräfte mobilisiert, um ein weiteres Mal die Köpfe zu schütteln. Während es draußen langsam hell wird, pflügen sich die vier Panda-Schweden vor allem durch altes Material der Marke 'The Black' oder 'Christraping Black Metal'. Den Schmerz im Genick und den Tinnitus im Ohr muss anschließend mancher Kollege nach durchzechter Nacht noch heil ans Zelt eskortiert werden. Die Knüppelnacht, Kult wie immer! Auch wenn das zugehörige Shirt diesmal etwas gewöhnungsbedürftig aussieht mit seinem blauen Frontaufdruck...

[Carsten Praeg]

Martin van Drunen ist eine coole Sau. Da muss ich meinem Kollegen Carsten einfach Recht geben. Vor dem Festival habe ich mich noch etwas geärgert, dass er mit HAIL OF BULLETS und nicht mit ASPHYX aufs Full Force kommt. Nach bereits zwei anstrengenden Festivaltagen und etlichen Litern Bier, Met und Jägermeister freunde ich mich dann doch recht schnell mit der holländischen Alternative an. Songs wie 'Ordered Eastward' sorgen aber auch dafür, dass Erinnerungen an die Legende BOLT THROWER zum Headbangen animieren. Leider ist kaum Bewegung vor der Bühne. Das ist enttäuschend, denn schließlich gibt’s hier richtig geilen oldsschool Death Metal und da gehört ein anständiger Moshpit schon dazu. Vielleicht sind viele auch einfach von dem NAPALM DEATH Exzess ausgepowert. Also wird halt gut 40 Minuten zu Krachern wie 'Berlin' oder 'General Winter' mit dem Kopf genickt. Prost!

Redakteur:
Nadine Ahlig

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