Weitingen Rockt - Weitingen

08.06.2006 | 12:34

06.05.2006, Sporthalle

Was haben ein Ortsvorsteher, ein Geschäftsmann und ein Musikproduzent gemeinsam?
Das Interesse, die Jugendarbeit in Weitingen aktiv zu fördern. Aber warum ausgerechnet in Weitingen, einem Dorf mit ca. 1700 Einwohnern - und dann noch Rock und Metal? Das passt irgendwie nicht zusammen. Aber anscheinend doch:

Weitigen ist eine Stadt, ähm nein, eher ein Dorf, denn Weitigen hat 2005 den Bundeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" gewonnen, Jugendarbeit steht daher in Weitigen an erster Stelle. Das sieht man z.B. daran, dass es 18 Vereine mit insgesamt 2200 Mitgliedern gibt. Hier ist über die Hälfte der Jugendlichen aktiv zugange. Die kommunale Politik unterstützt die Vereine und den Jugendtreff und organisiert außerdem Stadtreinigungsaktionen. Die örtliche Jugend wird in diesem Ort aktiv miteingebunden, jeder fühlt sich verantwortlich für "sein" Weitingen. Die Gemeinde tut überhaupt eine Menge für die junge Generation. Man ist sich bewusst: in der Jugend von heute liegt die Zukunft von morgen. Die integrative Jugendarbeit scheint sich auszuzahlen: keine Schmierereien an öffentlichen Gebäuden, keine Notwendigkeit von Zäunen, die das Schulgelände schützen müssten.

Um auf die drei Initiatoren zurück zu kommen: Ortsvorsteher Roland Raible, Siegfried Blum von der Blum GmbH und Conny Conrad von DARK OCEAN haben das "Weitigen Rockt" ins leben gerufen. Sie möchten hier eine Plattform bieten, auf der Nachwuchs-Rockbands sich einem etwas größerem Publikum präsentieren können. Drei Nachwuchsbands aus der Region waren vertreten: HWG PROJEKT, JOIN YOUR HEAD und GREEN LEAF. Ausgewählt aus 37 Bewerbern.
Die Hauptacts dieses Abends waren CHERIO, HERMAN STONES & BAND und der Headliner DARK OCEAN.

Laut den Veranstaltern fließt der gesamte Erlös aus den Eintrittsgeldern der Jugendarbeit zu. Damit können wieder viele interessante Dinge in Weitingen gestartet werden. Das Event fand in der ansässigen Sporthalle statt, weit außerhalb der eigentlichen Wohngebiete. Somit kann hier wirklich gerockt werden, ohne dass es irgendeinen Musikbanausen stören könnte. Die Halle an sich ist wie eben jede Konzerthalle geschnitten. Die Bühne wie immer an einer Seite, auf der anderen der Bierausschank. Ich glaube, das wird auch noch in 1000 Jahren so sein...
Der Sound in der Halle war leider den ganzen Abend über mehr als schlecht. Lag es am Mischer oder an der Hallen-Akustik? Das konnte mir keiner so genau sagen.
Trotz alledem herrschte eine erstaunlich gute Stimmung. Die anfangs etwas verhaltene Dorfjugend nutzte, je weiter der Abend fortschritt, die Gelegenheit, mal wieder so richtig die Sau rauszulassen. Man sagt ja, je später der Abend, desto besser die Laune. ;-)

Für das leibliche Wohl während des Events sorgte der Musikverein Weitingen. "Wohl" ist ein wenig übertrieben: Es gab belegte Weckle, Currywurst und Pizza-Baguettes. Ein bisschen zu wenig, um eine gute Grundlage für das anstehende "Festival"-Bierchen zu schaffen. Es ist ja nicht nur eins - es werden da immer gleich mehrere. Die Preise waren erfreulicherweise human und das Publikum war sehr gemischt. Vom Dorfältesten bis hin zum jüngsten Nachwuchs waren auf diesem Event in Weitigen so ziemlich alle Altersklassen zu finden. Stellenweise hatte ich so das Gefühl auf einem Volksfest zu sein.
Aber wie immer trügt der Schein. Nein, es war wirklich angenehm, wobei ich trotzdem sagen muss: man merkt eben, dass die ältere Generation mit dieser Art
von Event und Publikum so seine Schwierigkeiten hat: Lange Haare, Nieten, Totenkopf. Das war damals halt etwas anders - daher erhaschte mich, wie viele andere auch, der eine oder andere Blick.

Nun zu den Bands nun im Einzelnen die hier ihr Bestes gaben:

HWG PROJEKT

Diese Band kommt aus Horb und nennt sich HWG PROJEKT. Für was das "HWG" steht, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen, wobei dies eigentlich hier auch egal ist. Musikalisch hatten es die Jungs leider nicht so drauf - eigene Kompositionen spärlich eingestreut und der Rest alles Cover. Was den Sänger anbelangt: der Publikumsmagnet war er nicht gerade, was er uns auch immer wieder zeigte - er drehte sich andauernd weg und zeigte uns so seinen Rücken. Ein schöner Rücken kann ja auch entzücken, aber man sollte schon zum Publikum schauen. Dementsprechend war dann auch die Stimmung in der Halle. Nur einige Vereinzelte saßen vor der Bühne und wippten ein wenig mit. Der Rest der etwa 75 anwesenden Leute vergnügte sich damit, Bier zu holen und dieses gemütlich zu trinken. Nach einer kurzen Umbauphase und einer kurzem, vom Zettel abgelesenen (!) Ansage ging es dann weiter mit...

JOIN YOUR HEAD

JOIN YOUR HEAD waren für mich an diesem Abend der absolute Newcomer. Kaum waren die vier Jungs auf der Bühne, kochte die Halle. So etwas sieht und erlebt man bei "Vorband"-Newcomerbands sehr selten. Auf jeden Fall waren die Jungs nur klasse. Es rockte und die Halle füllte sich nun auch mit denen, die zuvor noch draußen standen. Pogo wurde bis zum Umfallen getanzt. Gemosht dass nur die Haare flogen und die Stimmung steigerte sich von Stück zu Stück.
Zur Musik kann man sagen, das JOIN YOUR HEAD eine Mischung aus FEAR FACTORY, SEPULTURA und SLAYER sind. Ich bin zwar kein Fan von Vergleichen, aber in diesem Falle passt dieser Vergleich nun einmal. Das besondere an der Musik von JOIN YOUR HEAD ist, dass Sänger Arturo aus Mexiko kommt und somit die Texte und Lieder allesamt auf Spanisch komponiert und singt. Das ganze verbunden mit gutem "Grunzen" a la Old-School-SIX FEET UNDER und Co.
Die Bandmitglieder waren perfekt aufeinander abgestimmt. Das Schlagzeug groovte, Doublebass en masse, die Gitarren-Riffs rockten und alles stimmte und harmonierte perfekt miteinander.

Kaum zu glauben, das JOIN YOUR HEAD sich erst vor einem halben Jahr formiert hatten. Es passte einfach alles zusammen. Für mich auf jeden Fall eine Band, die man beobachten muss. Leider gibt es noch kein Demo, aber laut Band arbeit man daran. Für alle die es interessiert, schaut mal hier nach: http://www.jointhehead.com/ - es lohnt sich diese Band zu beobachten!

Setlist:
Eco
If You Leave
Te Voy A Matau
Cocaina
Enemigo Mortal
Dime Si No Puedes
Libertad
---
Asesino
Guerrevo

GREEN LEAF

Als GREEN LEAF auf der Bühne auftauchten und anfingen zu spielen, überkam mich sofort der Gedanke: "Das kennt man doch." Ja, GREEN LEAF erinnerten mich sehr stark an R.E.M.
Das soll nicht abwertend klingen, denn die Jungs spielten ihre eigenen Songs mit einer unglaublichen Leichtigkeit, so dass alles, was vorher erdacht wurde, vergessen war. GREEN LEAF sind in Horb die Lokalmatadore und dies spürte man auch. Spielerisch professionell, zogen sie schnell das Publikum in ihren Bann.
Trotz des geliehenen Equipments von JOIN YOUR HEAD, versuchte Sänger Karsten Hellstern das Unplugged-Feeling zu vermitteln, was ihm auch mehr als nur gelang.
Sehr gelungen, diese Band, spielerisch und technisch. Eine Truppe, die weiterhin Beachtung finden sollte. Übrigens: ihre erste CD ist bereits veröffentlicht.
Weitere Infos gibt es unter http://www.green-leaf.de/ .

CHERIO

Gothic Rock. Was soll ich dazu sagen. Ich persönlich kenne kaum Gothic Rock, von daher war ich sehr gespannt, was CHERIO abliefern sollten. Die Gothic-Rock-Lady kam auf die Bühne und ihr Outfit sah nach dem aus, was WITHIN TEMPTATION und Co. schon seit Jahren zelebrieren: ein Outfit nach Szene-Standard. Nur leider war die Musik nicht entsprechend. Das Playback, also aus der Konserve, hat meiner Meinung nach alles kaputt gemacht. Man stelle sich vor, eine Person auf der Bühne, keinerlei Band, dann das Stück und man merkt sofort: Halt, da stimmt was nicht! Man sah definitiv, dass es es nicht live gesungen war. Die Stimme und die Bewegung der Lippen, die Choreografie - nichts passte zueinander. Nein, das darf nicht wahr sein. Wenn schon, dann sollte alles live sein. Warum bin ich denn auf einem Live-Konzert? Ja, richtig, um Bands zu sehen, die eben live spielen und nicht einfach nur zu einem Playback umher hüpfen und versuchen die Lippen nach dem zu steuern, was vom Band kommt. Grausig...und meine Nackenhaare sind 2 cm länger. Ok - die Gothic-Rock-Lady hatte es technisch und posingmäßig drauf und sie entkleidete sich auch nach dem Wunsch des Publikums. Schade um den Auftritt.
Was für eine Frau - sie sucht noch Bandmember! ;-)
Nach drei Liedern war dann auch Schluss mit Konserve und der berühmte "Zettelableser" trat erneut vor's Mikro und kündigte die nächste Band an.

HERMAN STONES & BAND

Wie der Name schon andeuten lässt, eine ROLLING STONES-Coverband.
Nein, nicht noch eine dieser was-weiss-ich-wie-vielen-SONES-Imitationen. Nur das nicht, dachte ich mir insgeheim, aber - was passierte dann?
Ein alter Rockhase, Chef der Weitinger Krankenkasse, Hermann Stickel, kam auf die Bühne. Was dann vor sich ging, kann man nicht beschreiben. STONES-Songs allererster Sahne wurden präsentiert. Diese Band des späten Abends rockte dermaßen die Halle. Ein Phänomen, was man nicht richtig beschreiben kann. STONES - ja, sie gibt es noch und sie lebten hier in einer Frische auf, die ich noch nie erlebt hatte. Coverbands gibt es wie Sand am Meer. Aber in diesem Fall, ein absoluter Wahnsinn. Ok, es wurde abgelesen vom Notenblatt, aber die Halle bebte und es war plötzlich eine unbeschreiblich geniale Stimmung vorhanden. 'Honky Tonk Woman', 'Paint It Black', 'Satisfaction'... Ich hab noch kein STONES-Konzert erlebt, aber diese Covermusik war schon etwas ganz Besonderes.
Nachdem HERMAN STONES & BAND ihren Gig beendet hatten, folgte eine etwas größere Umbauphase. Während dieser Zeit versammelten sich Scharen an Fans vor der Bühne, um den Headliner zu erwarten. Nach kurzer Ansage war es dann soweit: DARK OCEAN standen vor mir, die spätestens nach dem CD-Review zum ersten Album der Band auch unseren Lesern ein Begriff sind.

DARK OCEAN
Wahnsinn! Ok, Headliner, die sind generell eigentlich immer gut (oder sollten es zumindest sein). Aber was ich da sah und hörte übertraf eigentlich alles was ich bis jetzt in irgendeiner Form gehört und gesehen hatte. Conny Conrad, der Gitarrist, schon sein Aussehen eine Gottheit: der lange Mantel, die Klampfe... auch der Sänger, der Schlagzeuger und natürlich der Bassist waren eine Augenweide. Alles passte perfekt zusammen: die Gitarre, der Bass, das Schlagzeug und nicht zu vergessen, der charismatische Gesang von Elly Wilson. Mit Ersatzschlagzeuger Richy Denis, der schon damals bei den Deutschrockern SCHULZE Aufsehen erregte, eine perfekte Kombination. Rock like Old School - die Halle tobte und die Stimmung ist nicht zu beschreiben. So muss "Sex, Drugs and Rock'n'Roll" sein.
Während des Auftrittes vergaß ich total die Zeit und ehe ich mich versah, ging es auch schon dem Ende des Rockevents zu. Noch zwei Zugaben folgten. Ja, und nochmals Ja! - das 'Paranoid' von BLACK SABBATH, wie oft wird es gespielt, hier passte es perfekt. Es groovte, Conny legte Erste-Sahne-Gitarren Rock vor uns hin, es rockte einfach. Danach: mir fiel die Kinnlade runter, wer kennt das MOTÖRHEAD-Schlagzeg-Solo von 'Sacrifice'? Ja? Genau! Die letzte Zugabe ein Solo, das man nicht vergisst. Danke an Richy Denis für diese obergeile Einlage. Schlagzeug muss einfach NUR so sein.

Nun, das war es, das erste "Weitingen Rockt!"-Festival. 550 Fans machten den kleinen Veranstaltungsort am Samstag zu einem Riesen-Event im Gäu. Und wenn alles gut war, gibt es nächstes Jahr wieder "Weitingen Rockt". Und ich weiß, es wird es geben. Wenn sich wieder ein Ortsvorsteher, ein Geschäftsmann und ein Musikproduzent gemeinsam treffen und planen: "was rockt 2007?"

Seid gespannt und beobachtet Weitigen, ein kleines Dorf mit wenigen Einwohnern, die es verstehen, Musik zu lieben und die Jugend von Morgen zu fördern.
Weitigen rockt!

Redakteur:
Andreas Grzybowski

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