Wacken Open Air 2010 - Wacken

15.08.2010 | 15:38

05.08.2010,

Geboren, um zu wacken!

DONNERSTAG, 05. August 2010


Nach MAMBO KURT und der Metal Battle am Vortag startet heute endlich das 21. Wacken Open Air. Neben den drei Headlinern auf den Hauptbühnen lockt auch so manch anderer interessanter Act vor die Bühne. So hat es unseren Wolfgang zunächst zur Wackinger-Bühne verschlagen. Are you ready to rock?

Schon gut zwanzig Minuten vor dem Auftritt herrscht eine sehr gute Stimmung vor der schon fast überfüllten Wackinger-Bühne. Laute "TORFROCK!"- und "Odin!"-Rufe werden pünktlich erhört, und TORFROCK erobern die Bühne. Schon nach den ersten drei Liedern ist das Publikum völlig aus dem Häuschen, und immer mehr Fans lassen sich auf den Händen der anderen Zuschauer noch vorne tragen, wo sie von der mit fünf Mann völlig unterbesetzten Security erwartet werden.

Die Fotografen müssen schon nach gut eineinhalb Liedern aus dem Graben, was bei so einer tollen TORFROCK-Party nicht schlimm ist. Als Klaus noch ein Wortspiel mit dem Publikum macht und alle "Odin, deine Welt ist in Wacken" sagen lässt, werden die Hörner in den bewölkten Himmel gestreckt, und die Party geht mit 'Rollo, der Wikinger' weiter. 'Willi, die Ratte' erreicht schon fast Kultstatus.

Es ist ein sehr schöner Auftritt, und Fans sowie Band sind eine feiernde Gemeinde, fast schon so schön wie bei den Bagaluten-Weihnachten, eben nur im Sommer und Open Air.

Nachdem sich das Personalkarussell bei SVARTSOT sehr stark gedreht hat und es bis auf den Lead-Gitarristen Cris J.S. Frederiksen jeden erwischt hat, sind alle gespannt darauf, die neuen Mitglieder live zu erleben, denn das neue Album macht schon Appetit auf mehr, auch wenn es an "Ravnenes Saga" nicht ganz herankommt.

Vor der Bühne warten schon einige hundert Fans darauf, dass es endlich losgeht, und ohne große Verzögerung machen sich die Dänen daran, die Fans zum Toben zu bringen. Sie starten mit dem Liedgut des Vorgängeralbums, u. a. 'Tvende Ravne', und haben das Publikum sofort hinter sich, und bei 'Skovens Kaelling' haben die Jungs im Graben alle Hände voll zu tun. Die Fans jedenfalls haben die "neuen" SVARTSOT sehr, sehr gut angenommen und feiern. Was will man mehr? Die Band zeigt, dass sie zu Recht wieder da ist und dass wir noch eine Menge von ihnen erleben werden. Ganz starker Auftritt.
[Wolfgang Kuehnle]

Bekannt von ihrer Tour mit PARADISE LOST, haben GHOST BRIGADE die WET Stage mit einer beachtlichen Gästeschar gefüllt. Der erste Song ist noch vom Linecheck geprägt, die Hörerschaft lässt sich davon jedoch nicht beirren und fängt schon mal an, kräftig das Haar zu  schütteln.

GHOST BRIGADE machen einen sehr düsteren, ruhigen und melancholischen Metal. Von Melancholie ist im Publikum jedoch nichts zu merken. Schon zu 'Into The Black Light' bildet sich ein Moshpit. Die Wackener feiern eben kompromisslos, auch wenn es eigentlich gar nicht zur Musik passt. Die Atmosphäre von '22:22 Nihil' wird vom begeisterten Publikum sogar ganz zerstört. Der Instrumentaltrack wird von rhythmischem Klatschen der Gäste begleitet und verliert so fast seine Magie.

Das Konzert ist viel zu kurz und lässt die Fans mit dem Wunsch nach mehr zurück. Dies kann man auch bald haben. GHOST BRIGADE werden im Herbst mit AMORPHIS auf Tour gehen.
[Stefan Brätsch]

Vor zwanzig Jahren fing das Baby Wacken Open Air an zu atmen. Damals wie heute wird das Programm auf der Hauptbühne von SKYLINE eröffnet. Die Jungs der Band, zu der Veranstalter Thomas Jensen gehört(e), gründete damals das Festival, weil sie einfach keine Auftrittsmöglichkeit bekamen. Heute stehen geschätzte 30.000 Menschen vor der True Metal Stage. Start frei für die Hauptbühnen. Weil mit SKYLINE alles begann, geben sich auch in diesem Jahr wieder einige Gäste die Ehre. So startet Deutschlands Rockröhre Nummer eins, Doro Pesch, das Programm (mit der Wacken-Hymne 'We Are The Metalheads') und gibt zusammen mit den Jungs Klassiker wie 'All We Are' zum Besten. Das lockert auf, macht Spaß und bereitet wunderbar auf einen Abend voller Klassiker vor.

Während des leider nur halbstündigen Sets tauschen Doro und unser aller Udo Dirkschneider das Mikro. 'Balls To The Wall' erklingt, und so langsam füllt sich (angezogen von diesen unsterblichen Klassikern) das Infield. Nette Eröffnung, nur bleibt die Frage unbeantwortet, wo denn Herr Thomas Jensen war? Am Bass stand er definitiv nicht.
[Enrico Ahlig]

Als Nächstes ist es Zeit für eine der ersten großen Musikikonen auf dem Wacken Open Air: Der "Master Of Shock Rock", ALICE COOPER, betritt die Bühne. Bereits seit den siebziger Jahren begeistert er die Fans mit aufwendig gestalteten Bühnenshows. Heute sind die Wackianer dran.

Gleich zu Beginn spielt ALICE COOPER den Hit 'School's Out', den die Fans teilweise recht gut mitsingen können. Weitere Songs wie 'I'm Eighteen' oder 'Guilty' folgen. Bis dahin sah man Alice Cooper in Zwangsjacke, mit Peitsche oder aufblasbarer Puppe - und auch einmal sterben, als er durch die Guillotine geköpft wurde.

Danach kommt sein größter Hit 'Poison'. Das Publikum ist kaum wiederzuerkennen. Plötzlich singt nahezu jeder mit und bewegt sich zu dem Lied. Natürlich mag man sich bei einem doch recht in die Jahre gekommenen Mann fragen, ob er überhaupt noch live singt: Zumindest bei 'Poison' erweckt es den Eindruck, als sei das der Fall. Respekt für diese Ausdauer und diese konstant tolle Leistung. Falls er doch einmal eine Verschnaufpause gebraucht hätte, hätte er die aber unbemerkt nehmen können, nachdem er einmal wieder starb und hinter der Bühne zurechtgeflickt wurde. Eine dieser Möglichkeiten besteht nach 'I Never Cry', weil er sich aus lauter Herzschmerz erhängt. Es folgt ein längerer Instrumentalteil, der vom Publikum mit Applaus gewürdigt wird.

Nach 'Under My Wheels' und etwas über 75 Minuten Spielzeit ist aber erst einmal kurz Schluss. Richtiger Applaus vom Publikum kommt jedoch erst, als klar ist, dass ALICE COOPER noch Zugaben spielt. Mit Deutschlandfahne in der Hand wird zunächst 'Elected' intoniert, um anschließend noch einmal 'School's Out' zu bringen. Allerdings mit kleinen textlichen Veränderungen, die für die jüngeren Fans genau passen: "School's out for metal".
[Franziska Böhl]

MÖTLEY CRÜE. Den Namen sollte man sich schlicht und ergreifend auf der Zunge zergehen lassen. Ein Wunder, dass diese Band ihren gesamten biographischen, höchst drogenhaft geprägten Backkatalog (nicht etwa an Platten, sondern an Rauschexzessen) überlebt hat. Wer's noch nicht weiß, aus Nikki Sixx' veröffentlichten Memoiren stammt folgender Spruch: "... und als wir kein Heroin mehr hatten, spritzten wir uns Jack Daniel's." Mein lieber Herr.

Da wundert es mich nicht unmerklich, wie lebendig diese Band doch auf der Bühne verfährt, wenngleich Mick Mars und Tommy Lee schon ein wenig faltig daherkommen.

MÖTLEY CRÜE, ja, die Jungs sind einfach eine richtige Band, keine Retortenansammlung von Fans, welche versuchen, in die Fußstapfen ihrer Vorbilder zu treten, sondern eine waschechte Bad-ass-motherfucker-Mannschaft, welche nicht nur mit den Wassern des Rock 'n' Roll gewaschen, sondern diese bei der feierlichen Selbstbeweihräucherung auch gleich noch getrunken hat.

Egal, ob man Neueres bietet wie 'Saints Of Los Angeles', 'Motherfucker Of The Year', 'This Ain't A Love Song' vom 2008er Comebackalbum "Saints Of Los Angeles” oder Klassiker à la 'Shout At The Devil' oder das kultig-machochistische 'Girls, Girls, Girls' -  MÖTLEY CRÜE sind einfach geil, und das stellen sie auf dem W.O.A. 2010 eindrucksvoll unter Beweis, auch wenn viele Fan-Fanatiker des höhlenmenschmäßigen Brunft- und Brüll-Gesangs scheinbar wenig mit Vince Neils hervorragender Gesangsleistung anfangen können (Lees grooviges Drumming nicht zu vergessen).

Okay, manche Nummer hätte man sich doch eher mit John Corabi gewünscht, ganz besonders 'Power To The Music', das leider nicht seinen Weg in die Playlist der vier L.A.-Boys fand, aber was soll's?

Im Gegensatz zu diffizilen Korinthenkackern bekommt die Meute Rock ’n’ Roll at its best. Völlig egal, ob das manch ein metallischer Bibliothekar nun Sludge Metal oder Glam Rock nennen mag. An die Veranstalter: Sorgt 2011 bitte wieder für so eine Klassiker-Combo abseits des Metal-Mainstream-Geschmacks! Sie bereichert das Festival ungemein.
[Markus Amadeus Sievers]

Und am achten Tag schuf Gott IRON MAIDEN. Spricht man über Metal, spricht man über IRON MAIDEN. Als vor drei Jahren die Veranstalter mit der Verpflichtung der Überband herausrückten, war die Sensation perfekt. Nun steigen die Briten immerhin schon zum zweiten Mal auf die Bühne, doch die Euphorie ist bei weitem nicht so groß wie 2008. Damals präsentierten die Jungs im Rahmen ihrer "Somewhere Back In Time"-Tour ein waschechtes Best-of-Programm. Doch wir befinden uns im Jahr 2010, dem Jahr, in dem nur eine Woche nach diesem Auftritt mit "The Final Frontier" das fünfzehnte Studioalbum ansteht. MAIDEN-Fans wissen, was das bedeutet. Immerhin sind schon etliche Tourshows gespielt und die Setlisten weltweit einsehbar.

Doch als die ersten Klänge von UFOs 'Doctor Doctor' erklingen, sind die Zweifel erst einmal weggewischt. Geschätzte 80.000 Menschen bevölkern das Infield. Gänsehaut bricht aus. Mit 'The Wicker Man' und 'Ghost Of The Navigator' beginnen Bruce Dickinson und Co. Die gigantische futuristische Bühnenshow erstrahlt in schönstem Glanz und bietet auch optisch starke Kunst.

Jedoch bleiben die Klassiker nach 'Wrathchild' erst einmal außen vor. Es werden ausschließlich (plus das neue gewöhnungsbedürftige 'El Dorado') die letzten drei Alben bedacht. Klar, keine Band will nur durch seine alten Hits auftrumpfen, aber den einen oder anderen Klassiker mehr wünscht man sich schon. Den gibt es erst mit 'Fear Of The Dark', bei dem gefühlte 160.000 Arme gen Himmel gerichtet sind. Endlich kommt auch im hinteren Bereich, im Biergarten und auf dem Jägermeister-Hochsitz Stimmung auf. Diese kann beim großartigen Zugabeblock natürlich gehalten werden. Wer bei 'The Number Of The Beast', 'Hallowed Be Thy Name' und dem abschließenden 'Running Free' nicht steil geht, sollte Dorfverbot erhalten.

Dennoch: Als sich IRON MAIDEN nach zwei Stunden verabschieden, bleibt die ganz große Atmosphäre aus. Der Sound war prima, die musikalischen und gesanglichen Leistungen großartig, jedoch musste man fast neunzig Minuten warten, bis ein richtiges Wacken-Feeling aufkam. Dieses wird sich bei der laufenden und kommenden Tour auch nicht ändern. Also lauscht zu Hause den Hits und gebt dem neueren Material live eine Chance. Verdient haben es die Songs und die Band allemal. 
[Enrico Ahlig]

Setlist IRON MAIDEN:
01. The Wicker Man
02. Ghost Of The Navigator
03. Wrathchild
04. El Dorado
05. Dance Of Death
06. The Reincarnation Of Benjamin Breeg
07. These Colours Don't Run
08. Blood Brothers
09. Wildest Dreams
10. No More Lies
11. Brave New World
12. Fear Of The Dark
13. Iron Maiden
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14. The Number Of The Beast
15. Hallowed Be Thy Name
16. Running Free

Ist Joseph Duplantier geladen, weil er IRON MAIDEN verpasst, oder hat der Vegetarier heute aus Versehen Fleisch gegessen? Die Öko-Metaller GOJIRA bestreiten ihren Auftritt im Zelt derart aggressiv und energiegeladen, dass es fast beängstigend ist. Erstaunlich viele Fans haben sich zusammengefunden und begrüßen die Franzosen mit Sprechchören und einer Frankreichflagge. Ununterbrochen kreisen überall die Haare, im Fall von Sänger und Gitarrist Joe allerdings nicht mehr so imposant wie früher; seine Haarpracht ist auf eine schulterlange Matte reduziert.

Ab der ersten Sekunde ist Feuer drin, der Strom, der von den vier Musikern ausgeht, förmlich greifbar. Die Riffs drehen sich im Kreis wie die Haare, spätestens ab 'Backbone' gibt es kein Halten mehr, und hier und da entsteht Pogo. Und was ist schon IRON MAIDENs 'Fear Of The Dark', wenn ein halbes Zelt überzeugter GOJIRA-Fans inbrünstig und mit Herzblut 'Flying Whales' singt?
[Pia-Kim Schaper]

Redakteur:
Enrico Ahlig

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