Wacken Open Air 2008 - Wacken

20.08.2008 | 13:07

31.07.2008, Festivalgelände

Friday, all in Wacken-Love

Was für ein Tagesanfang: Weil trödelnde Trantüten den Backstage-Bereich noch nicht richtig aufgeräumt haben, darf die wartende Journalisten-Meute nur über Umwege zum eigentlichen Geschehen vor die Bühne. Zumindest dürfen sich so viele Schreiberlinge einmal von oben nach unten abtasten lassen. Die Sicherheitsleute versehen ihren Job mit der dem frühen Morgen eigenen Gründlichkeit.
[Henri Kramer]

Als wir deswegen ein wenig zu spät zu den irischen Heiden von PRIMORDIAL eintreffen, platzt die Wiese vor der Party Stage bereits aus allen Nähten, und der charismatische Sänger Alan A. Nemtheanga verkündet, dass er wegen der kurzen Spielzeit lieber keine großen Reden schwingt und stimmt sogleich ein gigantisches 'God To The Godless' an. Das Publikum ist trotz der Frühe und des brennenden Sonnenscheins bestens gelaunt und muss sich bei Sprüchen wie "Show me your FUCKING hands!" nicht lange bitten lassen. Songs wie 'Coffin Ships', 'As Rome Burns' und 'Heathen Tribes' gehen mit einem kalten Bier runter wie Öl, und PRIMORDIAL hinterlassen nach viel zu kurzer Spielzeit eine frisch initiierte Wackenweide [was? - d. Red.].
[Silvana Conrad]

Aha, scheinbar weht in den finnischen Clubs beziehungsweise der dortigen Szene inzwischen wieder ein rauerer Wind. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass mit THE HOWL ausgerechnet eine sehr thrashig und derb angelegte Band den dortigen Metal-Battle-Contest gewinnen und sich gegen die Übermacht melodischer Klimper-Vereinigungen durchsetzen konnte. Und die Jungs sind wirklich gut und behaupten sich auf der W.E.T. Stage mit ihrem Mix aus Old-School-Grooves und modernen Referenzen recht anständig. Nur eines ist schade: Das knappe halbe Stündchen, welches THE HOWL mit einer anständigen Bühnenpräsentation und vielversprechenden, vor allem abwechslungsreichen Stücken nutzen, hätte an dieser Stelle definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient.
[Christoph Jansen]

Gleichzeitig ist es wieder Zeit für den Knäckebrotocaust. GRAVE wagen sich auf die Bühne und knüppeln sofort ihren hammergeilen Schweden-Death gen Publikum. Soundtechnisch wird dies perfekt umgesetzt, und jeder Bandknüller ist ein Festmahl für die Ohren. Kurze, knackige Ansagen leiten die Songs ein, und die Masse schwingt in Ekstase ihre Haarpracht. Wie nicht anders zu erwarten war, startet ein Moshpit nach dem anderen. Zum Glück stehe ich etwas abseits und kriege so nicht jede Faust ins Gesicht. Aber den Moshenden scheint es doch einigen Spaß zu machen. Wer's mag.

Mir gefällt vor allem die Mischung. Bretter aus allen guten Alben bahnen sich ihren Weg zu den Fans. Leider ist dann auch schon Schluss, und die ersten "Zugabe!"-Rufe ertönen. Als die Band dann die Bühne verlässt, geht es mit Nackenschmerzen - demnächst - auf zu JOB FOR A COWBOY.

Lange habe ich gewartet, die Amis einmal live zu Gesicht zu bekommen. Ihre "Doom"-Scheibe hörte ich hoch und runter. "Genesis" hat aber meiner Meinung nach definitiv zu wenig "Bree Bree"-Pig-Squeals im Repertoire. Live habe ich aber gerade auf viel feines "Bree" gehofft. Doch was passiert vor der Black Stage? "Genesis" wird hoch und runter gespielt. Beim Sound kann ich mich absolut nicht beschweren, da dieser einfach Druck macht und trotzdem wunderbar klar klingt. Die Massen gehen tierisch ab, moshen und pogen, dass die Erde bebt. Doch wirklich null "Bree Bree". Nicht einmal bei den Songs der "Doom"-Scheibe. Ich bin schwer enttäuscht. Das Essenzielle im Sound fehlt einfach. Ende der Geschichte? Ich gehe mit gesenktem Kopf und dem Gedanken "Pfui!" zurück zum Camp. Also liebe Amis: Das nächste Mal bitte etwas mehr Old School eurerseits.
[Sebastian Schneider]

Für Unkundige und Leicht-Metaller: "Bree Bree" bezeichnet eine im Grindcore gängige, gutturale Gesangstechnik. Derweil gibt es bereits über etwas gebremst wirkende Erweckungserlebnisse vor der Hauptbühne zu berichten.
[Henri Kramer]

Denn nach GRAVE stehen MORTAL SIN aus Australien auf dem Spielplan. Waren die Thrasher 2006 schon einmal in Wacken im Zelt auf der Bühne, dürfen sie heute auf der True Metal Stage bei strahlendem Sonnenschein spielen. Als MORTAL SIN mit 'Blood Death Hatred' loslegen, ist die Freude sehr groß, der Sound allerdings eine absolute Katastrophe. Daran ändert sich leider bis zum Schluss nichts. Dennoch können MORTAL SIN die Fans vor allem mit Songs ihrer ersten beiden Alben zum Moshen bringen, etwa 'Mayhemic Destruction', 'Lebanon' oder 'I Am Immortal'. Dazu bietet Frontshouter Mat Maurer waghalsige Kletter- und Bangeinlagen. Leider endet der Gig ohne 'Into The Fire'.
[Stefanie Rudolph]

Ähnlich alte Krieger stehen auf der Party Stage. Endlich, nach der fünfzehnjährigen Pause der Band, die wohl nie eine sein wollte, gibt es neues Hörfutter aus dem Hause CYNIC. Entsprechend enttäuschend ist dann aber die Tatsache, dass von der hammergeilen Mucke, die wenig später im Pressezelt bei einer Listening-Session zu hören sein wird, nicht viel auf die Bühne kommt. Auch führt der Austausch von Growler Jason Gobel mit Neuzugang Chris Kringel sowie die doch etwas klägliche Umsetzung der verzerrten Gesangsparts zu einem völlig anderen Gesamtsound. Dazu auch noch hochphilosophische Einleitungen über die Zeit - und der Schnarchzustand ist fast erreicht. Wäre da nicht die technische Brillanz der Musiker auf der Bühne, die den vielschichtigen Sound der Zyniker perfekt auf die Bühne transportieren: Unglaublich, wie locker hier hochkomplexes Material auf das Publikum gefeuert wird, das sich mit entsprechenden Reaktionen auch artig bedankt.
[Lars Strutz]

Ja, ein wirklich geiler Gig. Noch cooler gestaltet sich allerdings die anschließende Listening-Session, bei der sich CYNIC als kluge und intelligente Jungs mit musikalischer Genialität präsentieren dürfen und viel Beifall erhalten. Viele Bands nutzen am Wacken-Wochenende diese Möglichkeit, möglichst ganz viel Presse für ihren Sound interessieren zu können. Denn allein schon der Backstage-Zeltplatz für die schreibende und sendende Zunft wirkt beim Wacken größer als das normale Besucher-Areal kleinerer Festivals, ist aber dennoch dicht belegt. Wobei so ein Pre-Listening aber auch nach hinten losgehen kann, wie etwa die Vorführung der neuen PAIN-Scheibe am Samstag zeigt, bei der etliche Journalisten nicht ganz zu Unrecht gelangweilt den Raum verlassen. Anders ist es dagegen bei ENSLAVED. Für ihr kommendes Album erhalten die Norweger spontanen Szenenapplaus. Und der ist absolut gerechtfertigt. Nun aber zurück auf die Wacken-Wiese vor die True Metal Stage.
[Henri Kramer]

UNEARTH haben Glück - einmal, dass sie nicht direkt vor der direkten Konkurrenz von AS I LAY DYING ranmüssen, zum anderen aber auch, weil ihnen der Freitag für ihr brachiales Material vorgegeben wurde. Aber warum Glück? Nun, alleine die Tatsache, dass besagte Kollegen am Folgetag ein richtiges Feuerwerk abbrennen sollen, ist für den internen Wettbewerb nicht gerade förderlich. Zudem ist die Abwechslung auf den Hauptbühnen heute weitaus größer, so dass UNEARTH durchaus davon profitieren können, zwischen dem Chaoswerk von JOB FOR A COWBOY und dem Partystoff von ENSIFERUM ihr recht Core-lastiges Material zur Geltung zu bringen. Die Fans sehen es ähnlich, der Wunsch nach Bewegung wird demzufolge auch sofort erfüllt. Reifeprüfung bestanden? Tja, teilweise schon. Aber auch wenn UNEARTH heuer von einigen Vorteilen zehren, so bleibt ihnen in ihrer Gesamtperformance gegenüber den später auftretenden KILLSWITCH ENGAGE und AS I LAY DYING nur das Nachsehen - trotz einer energiereichen, definitiv sehenswerten Show.
[Christoph Jansen]

Und nun wäre ihre Chance gewesen: Während HEADHUNTER und ENSIFERUM in den Startlöchern stehen, spielen mit THE FADING aus Israel die späteren Gewinner des diesjährigen Metal-Battle-Wettbewerbs auf der W.E.T. Stage. Die fünf Jungs bieten geilen Death Metal mit ordentlicher Thrash-Schlagseite. Und sie können auf ihren Erfolg stolz sein: Dieses Jahr haben mehr als hundert Bands in sechzehn verschiedenen Ländern am Metal Battle teilgenommen. Eine Jury hat THE FADING schließlich auf den Thron gehoben, neben einem Plattenvertrag gewinnen sie unter anderem ein komplettes Schlagzeug-Set. Weitere Infos zu THE FADING und ihre Songs gibt es unter http://www.myspace.com/thefadingmetal . Doch auch ENSIFERUM dürften ihre Sache gut gemacht haben, oder?
[Henri Kramer]

Finnen beherrschen die Folk-Metal-Szene! Die Heiden auf der anderen Seite der Bucht können ja gern noch ein paar Kirchen niederbrennen, werden aber trotzdem feststellen müssen, dass sie gegen Bands wie ENSIFERUM so schnell keinen Stich sehen werden. In sexy Lederröcken und mit fieser Kriegsbemalung präsentieren sie einem abgedrehten Publikum Songs wie 'Token Of Time', 'Ahti', 'Lai Lai Hei' und 'One More Magic Potion'. Als Sänger Petri Lindroos zum letzten Song 'Iron' dann auch noch einen betrunkenentauglichen "Dadada!"-Sprechchor anstimmt, ist die Schunkelstimmung perfekt, und alle Elch-, Wikinger- und Berserkerfreunde frönen ausgelassen ihrem Tanzdelirium.
[Silvana Conrad]

Wie bei anderen Bands hat es auch hier eine langjährige Pause gegeben: HEADHUNTER, das Austob-Projekt von DESTRUCTION-Basser Schmier sowie (Ex-)STRATOVARIUS-Trommler Jörg Michael und dem Franken Schmuddel, geben auf dem W:O:A einen ihrer in letzter Zeit selten gewordenen Liveauftritte. Klar, dass da weder STRATOVARIUS noch DESTRUCTION was in der Setlist zu suchen haben. Hier werden eiskalt HEADHUNTER-Songs wie 'Force Of Habit' oder 'Caught In A Spider's Web' runtergezockelt, die mit der erfahrenen und lockeren Bühnenpräsentation der Musiker runtergeht wie ein Jacky-Cola. Überhaupt wirkt es so, als hätten sich ein paar alte Freunde getroffen, um mal eben bei Nachbars Gartenparty zu rocken. Mit lockeren Sprüchen, teilweise deutsch, teilweise englisch, und hoher spielerischer Qualität demonstriert die Band, dass sie immer noch nicht zum alten Eisen gehört. Top!
[Lars Strutz]

Auch Thomas Youngblood und seine Mannen sind auf den hiesigen Festivalwiesen definitiv rare Gäste, weshalb der heutige Gig schon exklusiv ist. Dementsprechend ernst nimmt die KAMELOT-Mannschaft ihren Auftritt auch und fährt insbesondere in Sachen Bühnenkulisse so manch optisches Schmankerl auf. Allerdings wirkt die Performance heuer ein wenig zu theatralisch und gerade für das Festival-Publikum nicht gerade stimmungsreich. KAMELOT fahren sämtlichen Bombast auf und inszenieren die Theatralik ihrer Musik im wahrsten Sinne, wodurch aber ein gewisses Maß an Publikumsnähe verloren geht. Roy Khan, der zudem die meiste Zeit auf den Knien verbringt, bemüht sich zwar so manches Mal, die Menge in den Griff zu bekommen, doch wirkt vieles heute sehr aufgesetzt und routiniert. An der musikalischen Klasse des Gigs gibt es aber nichts auszusetzen, bis vielleicht auf die Tatsache, dass man ’Nights Of Arabia’ ausgespart hat. Dafür gibt's mit ’Karma’ aber entsprechenden Ersatz für die zufriedene, letzten Endes aber nicht völlig begeisterte Menge.

Anschließend gibt es eine Portion SOILWORK auf die Ohren. ’Speed’ Strid und seine Kollegen aus Helsingborg gehören mittlerweile schon zum Festival-Inventar. Im steten Zwei-Jahres-Takt gibt es ein Wiedersehen auf den Feldern zu Wacken, und dennoch ist das Verlangen nach den Jungs immer noch riesig groß. Die Band nimmt es gelassen und spult ihr übliches Festival-Programm ab, das sich aus dem Gros des “Natural Born Chaos“-Repertoires sowie einzelnen Nummern der beiden letzten Alben zusammensetzt. Und wie programmiert hüpft, singt und mosht die Menge vor der Bühne mit größter Begeisterung, als würde die Band hier ihr Debüt ablegen. Aber wen wundert's; Nummern wie ’As I Speak’ und ’Stabbing The Drama’ sind nun mal echte Granaten, und wenn sie dann auch noch einen solch fetten Sound bekommen, kann nichts mehr schiefgehen. Danke also für den starken Gig und ein Wiedersehen in zwei Jahren!
[Björn Backes]

SABATON stürmen am späten Nachmittag die Bühne. Zwar ist es immer noch heiß und schlammig (welch Kombination), doch die Schweden wissen diese Situation an der Party Stage für sich zu entscheiden. Da man nun mit drei Alben im Gepäck touren darf, wirkt auch die Setlist frischer und angenehmer als auf den vorherigen Konzerten. Bombensound sowie ein gelungenes Stageacting machen aus dem Auftritt der tieftönenden True-Metaller einen herrlichen Nachmittagsausflug, der sich gelohnt hat.
[Lars Strutz]

Wenn man mit Erik von NIFELHEIM zusammen bei DESTRUCTOR in der ersten Reihe vor der W.E.T. Stage abbangen kann, dann ist das ein Highlight der besonderen Güteklasse. Güteklasse D wie destruktiv. Aber hallo! DESTRUCTOR wissen, wo der Thrash-Metal-Hammer hängt, und so bieten die vier Mannen aus Cleveland, Ohio einen fabulösen Auftritt mit Krachern wie 'Iron Curtain', 'Bring Down The Hammer' oder 'Storm Of Steel' und werden im Zelt gebührend gefeiert. Und so ist es nicht verwunderlich, dass mir Erik alias Tyrant von NIFELHEIM gesteht, maßgeblich in ihren eigenen Anfängen von DESTRUCTOR beeinflusst worden zu sein. Ein Schmankerl à la "Headbangers against Disco" haben DESTRUCTOR zum Abschluss noch parat: Ein Keyboard wird höchst feierlich auf der Bühne zerkloppt. DESTRUCTOR - der Name ist Programm!
[Stefanie Rudolph]

Die finnische Power-Metal-Band SONATA ARCTICA um Sänger Tony Kakko schlägt nun einen etwas ruhigeren Ton an, was auf Außenstehende vielleicht etwas langweilig wirkt. Dennoch geben sie eine klanglich gut abgestimmte Performance ab. Absolutes Highlight ist der Song ‘Don't Say A Word‘, welcher sofort ins Ohr geht. Letztendlich lässt sich allerdings sagen, dass der Auftritt etwas druckvoller hätte sein können.
[Svenja Kriegel]

Viel los ist derweil beim Beginn des Auftritts der holländischen Formation AUTUMN nicht. Vor der W.E.T. Stage hat sich eine überschaubare Zahl von Fans eingefunden, die es sich nicht nehmen lässt, die Band ordentlich zu begrüßen, der Rest der Zuschauer steht eher gelangweilt herum oder vergnügt sich am Bierstand. Marjan Welmann und ihre Jungs geben sich redlich Mühe, zu 'Satellites' und 'My New Time' wird fast im intimen Kreis gefeiert. Sichtlich beeindruckt von der kleinen, aber feinen Party geben die Holländer ordentlich Gas und überzeugen das Publikum mit ihrem Sound, das die Show mit angemessenem Beifall honoriert.
[Swen Reuter]

Als sich MASSACRE damals 1984 gründeten, ahnte niemand, dass sie neben DEATH zu den Urgesteinen des Death Metal gehören werden. Nach langer Trennung kommt es nach der Reunion zum letzten Auftritt, die Party Stage wartet. Nach einem extrem überteuerten Hotdog geselle ich mich zur Menschenmasse vor MASSACRE. Die erste Frage, die mir in den Kopf kommt: "Wo zum Geier ist der Sänger?". Bis ich ihn eine Etage tiefer auf der Bühne sehe, dauert es noch einige Minuten. Der kleine Kollege rotzt passend zum wunderschön thrashigen Old School Death seine Texte heraus und bringt amüsante Ansagen wie: "I've seen a woman. She had a slimy cunt. This cunt was so toxic, that there was a sticker on it. On this sticker stands BIOHAZAAAAAAARD". Auch eine Idee, einen Song einzuleiten, so stumpf und schwachsinnig es auch klingen mag. Witzig ist es allemal. Der Gig an sich verläuft sehr solide, wird aber von den stupiden Ansagen etwas ins Lächerliche gezogen. Dem Publikum macht das aber nichts aus, und sie feiern kräftig weiter. Die Songs hauen gut rein, und ein Hauch von Nostalgie kann eingeatmet werden.
[Sebastian Schneider]

Der Typ mit der längsten Spielzeit auf dem Wacken ist MAMBO KURT - sagt er zumindest. Und er spielt ja auch jeden Tag. Noch ehe der Meister heute die Bühne betritt, toben und feiern die Fans, wie es sich andere Bands während eines Auftritts nur wünschen könnten. Mit 'The Final Countdown' geht's los, und Kurti schnappt sich gleich eine Zuschauerin für ein Tänzchen. Es folgen einige bekannte Stücke, bevor er verkündet, heute definitiv keinen Heavy Metal mehr zu spielen und die Zuschauer ruhig gehen könnten. Das interessiert aber keinen und ABBAs 'Dancing Queen' macht auch den härtesten Metalfan weich. Es wird weiter zünftig zu Songs von SCOOTER und EMINEM gefeiert und eine Polonaise gestartet - was will man mehr!
[Swen Reuter]

OPETH, die Götter des progressiven Death Metal, spielen nun auf der Black Stage. Zu Beginn regnet es noch Bindfäden, aber Mikael Åkerfeldt lässt sich in seinem MORBID ANGEL-Shirt davon nicht beeindrucken, ebenso wenig das Publikum. Die Stimmung der Leute ist gut, und sie feiern kräftig. Die Musiker tragen Stücke wie 'Black Water Park', 'Master's Apprentice' oder 'Ghost Reveries' gewohnt virtuos und technisch perfekt vor. Am Ende des Sets verabschieden sich die Schweden mit den Worten "Thank you so much, it’s been fantastic". Wo sie Recht haben, haben sie Recht. Und auch die Regenwolken haben sich verzogen, so dass diese Worte vom beginnenden Sonnenuntergang untermalt werden.

Und endlich sind sie nun wieder da: CHILDREN OF BODOM. Ihre Premiere auf dem Wacken hatten die Finnen um Frontmann Alexi Laiho 1998, damals noch auf der Bühne im Zelt, seitdem sind sie regelmäßig zu Gast auf dem Festival. Sie eröffnen druckvoll, allerdings ungewohnt nervös. Der Sound ist gerade am Anfang noch etwas breiig und dröhnend. Es steht ein zitternder Alexi Laiho mit seiner pinken Gitarre auf der Bühne, aber er und seine Männer sind routiniert genug, um die Sache zu reißen, so etwas macht das Live-Erlebnis auf einem Festival auch aus. Sie können rocken und das Publikum sowieso. Die Menge ist begeistert und feuert die fünf Finnen frenetisch an.

CHILDREN OF BODOM spielen ein Set, das keinen Schwerpunkt auf ein Album legt, so ist für jeden was dabei, für den Liebhaber der ersten Stunde sowie für die neueren Fans. Es gibt unter anderem das großartige 'Lake Bodom', ein leider verkorkstes 'Follow The Reaper' sowie die Songs 'Banned From Heaven', 'In Your Face', 'Mask Of Sanity' oder auch 'Blooddrunk' zu hören. Ja, sie spielen "fuckin' Heavy Metal". Na ja, fast, es gibt eine kleine Einlage, die eher nach R 'n' B klingt, nämlich 'Umbrella' von RHIANNA, gefolgt von VAN HALENs abgedroschener Hymne 'Jump', aber glücklicherweise erklingt die nur kurz. Sie haben also Humor. Bassist Henkka hat sehr zur Freude der weiblichen Fans in den ersten Reihen sein T-Shirt ausgezogen, und Keyboarder Janne spielt so gekonnt wie virtuos. Die Lichtshow ist bombastisch und hell, so untermalt sie eindrucksvoll die Performance der Musiker. Bei 'Hate Crew Deathroll' geben sie noch mal alles, das Publikum nimmt es dankend an und brüllt nach Leibeskräften mit. Schade, dass es so schnell vorbeigegangen ist. Ein gelungenes Konzert, bei dem die Band ihre Headliner-Position mehr als rechtfertigt.
[Yvonne Daseking]

Nahezu gleichzeitig mit CHILDREN OF BODOM auf der Black Stage, betreten PSYCHOPUNCH die W.E.T. Stage. Das ist eine schwedische Punk-'n'-Roll-Band, deren Sänger JM mit seiner Frisur und seinem Outfit an Elvis erinnert. Kräftig haut JM in die Saiten seiner roten Gitarre. Die Jungs von PSYCHOPUNCH rocken während ihres vierzigminütigen Auftritts. Dabei spielen sie vor allem Songs des aktuellen Albums "Moonlight City", darunter ‚Overrated (2nd Version)’, und am Schluss folgt ‚No One Really Knows’. Leider ist der Sound nicht gut, und auch die Halle ist nicht prall gefüllt angesichts der Konkurrenz von CHILDREN OF BODOM.
[Franziska Böhl]

Zu fortgeschrittener Stunde geben sich NIFELHEIM die Ehre. Auf der W.E.T. Stage wird wiederum der schwedische Black/Thrash-Knüppel ausgepackt. Auch in dieser Nacht können NIFELHEIM mit Songs wie 'Satanic Sacrifice', 'Gates Of Damnation', 'Sodomizer' oder 'Storm Of The Reaper' überzeugen und das Zelt zum Beben bringen. Die Zeit geht viel zu schnell vorbei, schon wird der letzte Song 'Storm Of Satans Fire' vom ersten Album angekündigt. Danach verabschieden sich die Herren des Nieten-und-Leder-Kults kurz, um etwas später noch einmal zu 'The Final Slaughter' zurückzukehren.
[Stefanie Rudolph]

Thema Kult: NIFELHEIM beherrschen die hohe Kunst des künstlerischen Peinlichseins exzellent. Und das ist nicht negativ gemeint. Harmlos erscheint da die Geschichte, dass ihr Sänger konsequent neben ein Dixi pisst. Einen Tag später fragt aber auch ein Mitglied des Höllengeschwaders, wo AT THE GATES gerade spielen - dabei sind sie schon fast auf der Bühne. Nur ob sie ihr früheres Ritual durchziehen, ihr Zelt bekackt auf dem Platz stehen zu lassen, entzieht sich leider jeder Kenntnis. Fest steht nur: NIFELHEIM sollten auf jedem guten Festival mindestens als Gäste da sein.
[Henri Kramer]

Für ein Heavy-Metal-Festival ungewöhnliche Klänge gibt es nun von CORVUS CORAX, die als oder mit Cantus Buranus II auftreten, der zweiten Auflage der Neuvertonung der Carmina Burana. Sie sind mit einem großen Orchester nebst Chor und Diva angereist. Eins ist klar: Sie sind und bleiben die Könige der Spielleute. Teufel begrüßt das Publikum mit den Worten "Lasst uns durchdrehen", und genau das passiert in der nächsten reichlichen Stunde. Die Spielmänner haben eine stimmige Choreografie entworfen, und auch die Kostüme sind einfach nur perfekt. Alles in allem eine runde Sache. Der Sound klingt glasklar und ausgewogen. Das jüngste Mitglied Jordon hat sich gut eingegliedert und ist für die Band ein echter Gewinn. Zum Abschluss gibt es ein großes Feuerwerk - und auch hier ist die Show viel zu schnell vorbei.
[Yvonne Daseking]

Während die ganz Großen, also AT THE GATES, erst morgen spielen, tritt die nicht minder kleine Nachfolgeband THE HAUNTED auf der Party Stage auf. Bei der nächtlich bedingten Dunkelheit lassen sich die Schweden vor allem zu einer opulenten Lichtsshow hinreißen. Da auch vom Sound und Stageacting her alles einwandfrei verläuft, ist der spätabendliche Auftritt der Göteburger definitiv als "groß" zu bewerten.
[Sarah Seemann]

A cappella und Metal? Das lässt sich nur bei VAN CANTO hören. Dabei gibt es neben vier Sängern und einer Sängerin einen Schlagzeuger, der für die beim Metal notwendige Doublebass zuständig ist. Und tatsächlich: Obwohl weder Gitarre noch Bass zum Einsatz kommen, scheint es den Zuschauern vor der W.E.T. Stage an nichts zu mangeln. Neben eigenen Songs wie ‘The Mission‘ und ‘Rain‘ liefern sie geniale Coverversionen von IRON MAIDENs ‘Fear Of The Dark‘ oder METALLICAs ‘Battery‘ ab und begeistern die Menge. Zusammenfassend ist die außergewöhnliche Mischung auf jeden Fall sehenswert!
[Svenja Kriegel]

AVANTASIA live - auf dieser Ereignis haben die Anhänger der Melodic-Metal-Oper seit Jahren warten müssen, und da Sprachrohr und Initiator Tobias Sammet eigentlich schon angekündigt hatte, er würde seine Werke angesichts des hohen Aufwands nicht auf die Bühne bringen, war dieses Kapitel eigentlich schon abgeschlossen. Vorerst. Im letzten Jahr folgte dann aber die Kehrtwende. Der EDGUY-Frontmann kündigte ein drittes Album und im Zuge dessen auch einige Live-Shows an. Selbstredend, dass der Wacken-Acker auch in das livehaftige AVANTASIA-Feeling kommen sollte. Und Sammet und seine Mannen, darunter auch Produzent Sascha Paeth und EDGUY-Trommler Felix Bohnke, legen los wie die Feuerwehr und inszenieren in den folgenden neunzig Minuten eine wahrhaft denkwürdige Show. Mit einem bunten Querschnitt aller drei Alben, dabei wünschenswerterweise auch reichlich Debüt-Material, füllt er sein Set zur Zufriedenheit aller, spart sich überdies aber auch die sonst so prall gefüllten Ansagen-Parts. Heute soll die Musik sprechen, und das tut sie auch in ansprechendem, opulentem Soundgewand sowie im Rahmen einer professionell ausgearbeiteten, dem Status des Projekts würdigen Show.

Wie versprochen, präsentiert Sammet auch einige Gaststars, darunter Ex-ANGRA-Frontmann André Matos und MAGNUM-Stimme Bob Catley. Erwartungsgemäß übernimmt auch Jorn Lande einen Teil der Gesänge, muss jedoch zwei Songs lang lediglich für den Monitor singen, da sein Mikro keinen Mucks von sich gibt. Strange, zumal Jorn teils wie ein Derwisch über die Bühne fegt. Als auch dieses Problem beseite geschafft ist und Sammet die Bandhymne 'Avantasia' anstimmt, scheinen der Begeisterung keine Grenzen mehr gesetzt. Selbst der Sänger, der in den letzten Jahren schon einige Festivalbühnen als Headliner beehren durfte, kriegt sich beim frenetischen Jubel seiner Fans nicht mehr ein und scheint zum ersten Mal in seiner Bühnenlaufbahn sprachlos. Allerdings kann die Band zum Schluss trotzdem noch einmal einen draufsetzen und krönt ihren Auftritt in der Zugabe mit einem Gastauftritt von Gitarrenlegende Uli Jon Roth. Nach diesem fantastischen Gig sollte sich nun sicher niemand mehr wundern, wenn diese Inszenierung irgendwann noch einmal eine Fortsetzung finden wird. So abgedroschen dies klingen mag, aber bei der Begeisterung und einer solch souveränen Show wäre Tobi ziemlich naiv, das Projekt nicht mehr aufzuführen. [Björn Backes]

Während der Auftritt von AVANTASIA in den letzten Zügen liegt, geht es rüber zur Party Stage, um einen guten Platz bei CREMATORY zu ergattern, was aber absolut nicht nötig wäre, denn kurz vor Beginn haben sich erst eine Hand voll Zuschauer eingefunden. Vergleicht man diese Zahl mit der Menge an Leuten, die sich am nahe gelegenen Zaun des Geländes ihres Bieres entledigen, dürfte das Verhältnis ungefähr gleich sein, was sich erst kurz vor dem Start zugunsten der Zuschauer ändert.

Los geht die Show mit einem ziemlich leisen Sound. Dementsprechend verhalten reagieren die Zuschauer, und die Stimmung hält sich in Grenzen. Erst nach ein paar Liedern bittet Sänger Felix die Technik, die Lautstärke nach oben zu fahren. Na bitte - geht doch! Jetzt darf sich auch diese Performance ein Konzert nennen. Da machen doch Songs wie 'Pray' und 'Höllenbrand' gleich mehr Spaß. Zum Klassiker 'Tears Of Time' wird die Sache noch um einiges besser, und das Publikum taut ein wenig auf, denn ansonsten ist die Stimmung nicht allzu berauschend. An der Band liegt es jedenfalls nicht, denn Felix versucht die Massen immer wieder anzuheizen. Vielleicht sind die fortgeschrittene Zeit und die nicht mehr vorhandene Kondition aufgrund des hohen Alkoholkonsums daran schuld. Zum Ende gibt es noch die Coverversion des SISTERS OF MERCY-Klassikers 'Temple Of Love' auf die Ohren, der heute irgendwie gewöhnungsbedürftig klingt, dem Publikum dennoch gut gefällt. Als Abschluss wird ein ruhiges Stück präsentiert, bei dem ein Lichtermeer an Feuerzeugen die Nacht erhellt. Ja, auch Metalheads können romantisch sein!
[Swen Reuter]

Die Jungs von THE EXCREMENTORY GRINDFUCKERS müssen derweil nur Textzeilen wie "Ein bisschen Grind muss sein“ anstimmen, und schon geht das Publikum vor der W.E.T. Stage mit. Die Grindcore-Band aus Hannover, die ihre Musik gern mit Popmusik und Schlagern mischt, muss sich keine Mühe geben, um den Fans zu gefallen. Egal, ob sie über Fleisch, Frauen oder Tiere singen, alles wird bejubelt. Zwischendrin gibt es viel Gegrunze oder auch mal ein simples "Lalala“. Und unter der Masse an Songs sind Lieder wie 'I've Been Looking For Freedom’ zu vernehmen. Aber auch der Anton aus Tirol und Boni von den JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELEN werden besungen. Toller Auftritt, nur der Sound ist nicht gut. Am Ende bedanken sich die GRINDFUCKERS: "Meine Fresse, ihr seid großartig, danke schön!“ und werfen einige Shirts ins Publikum. Ein kleiner Strip soll hier ebenso nicht unterschlagen werden.
[Franziska Böhl]

In der Zwischenzeit wird die Hauptbühne von GORGOROTH missbraucht. Sie bedienen sich eines simplen Tricks und zaubern ihre skandalumwitterte Polen-Show von 2004 noch einmal hervor, bei der am Ende sogar die Polizei kam. Mehr ist es nicht. Aber natürlich lässt sich das auch ganz anders sehen.
[Henri Kramer]

Black Metal ist auch in diesem Jahr lediglich ein Randthema auf den vier Bühnen des Wacken Open Air. Doch immerhin: Mit GORGOROTH haben die Veranstalter erneut einen kontroversen Vertreter dieser Zunft aufs Billing gehoben und dort in den frühen Nachtstunden genau passend platziert. Gaahl und seine Kollegen zehren nämlich merklich von der prickelnden Atmosphäre der norddeutschen Finsternis und lassen selbst die effektreiche Bühnendekoration alsbald zur Nebensache verkommen. Nach dem Einsetzen des infernalischen Intros schert sich nämlich kaum noch jemand um die vier gekreuzigten, unbekleideten Damen und Herren, die die Norweger im Hintergrund aufgereiht haben. Die Inszenierung des Gigs wiederum könnte effizienter kaum sein. Der Frontkreischer bewegt sich leicht verstört über die Bretter, scheint selbst ein wenig verwundert über die nach wie vor beträchtliche Zuschauermenge, lässt sich aber folgerichtig zu einer gesanglich wahrhaftigen Glanzleistung hinreißen, die von seinem neu geformten Backing-Team souverän unterlegt wird. Ganz egal, wie man zu der Band und ihren Skandalgeschichten stehen mag: Die finale Stunde am Freitagabend hätte von kaum einer anderen Band würdiger und erhabener gefüllt werden können als von GORGOROTH. Und zumindest dies ist nach den eher peinlichen Ereignissen der jüngsten Bandvergangenheit allemal eine satte, willkommene Überraschung.
[Björn Backes]

Und Spaß macht es ja trotzdem. So lässt sich bei GORGOROTH austesten, wie schnell es sich mit gefühlten zwei Promille im Kreis drehen lässt, ohne den Schlamm auf dem Boden zu küssen. Hernach kann man sich im Backstage-Zelt sogar noch die gesammelte satanische Energie auf Tischen aus dem Körper tanzen. Und eine Topfpflanze spielt wie jedes Jahr eine ganz entscheidende Rolle für einen gelungenen Absturz.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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