W.A.S.P. - Oberhausen

23.11.2017 | 21:45

17.11.2017, Turbinenhalle

ReIDOLized - The Crimson Idol strikes back!

Ich glaube, dass sämtliche Rocker und Metaller, die mit diesem Album in Berührung kamen, einer Meinung sind: "The Crimson Idol" ist eines der besten Konzeptalben der Metal-Historie. Die Geschichte von Jonathan, von seinen Eltern missverstanden und ungeliebt, und seinem Traum, ein Rockstar zu werden. Blackie Lawless und seine damalige Mannschaft zeigen uns mit diesem Konzeptalbum die Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts, die hin und wieder hässliche Fratze einer korrupten Musikindustrie – wunderbar vertont und auf Silberling gepresst. Kaum zu glauben, dass dieser W.A.S.P.'sche Zenit schon 25 stolze Jahre auf dem Buckel hat. Doch da eben die Geschichte Jonathans ein rundes Jubiläum feiert, gibt es hiervon auch wohl irgendwann eine Wiederveröffentlichung. Mit im Gepäck dieses Re-Releases wird auch eine 50-minütige DVD sein, auf der die Geschichte dieses Album erläutert wird. Doch das ist nicht alles, denn Anfang des Jahres kam die frohe Kunde, dass das gesamte "The Crimson Idol"-Album samt visueller Inszenierung auf Leinwänden auch auf die Bühnen dieser Republik kommt. Und so wird am heutigen Tage, am Freitag, den 17. November 2017, die Oberhausener Turbinenhalle Zeuge dieses geschichtsträchtigen Ereignisses.

Davor muss sich der geneigte Fan aber über die verwirrende Ausrichtung der Turbinenhalle am heutigen Abend ärgern. Meine Frage: Wer lässt bitteschön gleichzeitig die RAMMSTEIN-Tribute-Band VÖLKERBALL und solch eine Götterband wie W.A.S.P. spielen und verpasst den Mannen um Blackie Lawless die kleinere Halle im Gebäudekomplex? So war nicht nur die Verwirrung groß, an welcher Schlange man sich für welche Band anstelle, sondern auch die Fragezeichen, warum VÖLKERBALL augenscheinlich heute mehr Zuschauer an Land geholt hat als W.A.S.P.. Und dennoch war die Halle pickepackevoll, die Stimmung ordentlich und mit RAIN wird ein ordentlicher Hard-Rock-Anheizer in die Menge gefeuert.

Die Italiener sind schon seit Beginn der 1980er aktiv, haben es jedoch wirklich nie aus dem heimischen Underground herausgeschafft. Und dennoch strotzen die Mannen um Neu-Fronter Mala samt neuem Album im Gepäck vor Selbstbewusstsein. In einer knappen dreiviertel Stunde bekommen die W.A.S.P.-Jünger hier und dort ein paar schmucke Riffs, werden zum Klatschen und Mitsingen angeregt und gut bei Laune gehalten.

Nach RAIN hat man knapp 45 Minuten lang die Gelegenheit, seine Blicke in wenig schweifen zu lassen. Von 12-jährigen Teenies bis 72-jährigen Altrockern ist am heutigen Abend wirklich alles vertreten. Die alten Spandexhosen wurden stellenweise aus der Mottenkiste geholt, das Haarspray ordentlich verteilt und von der Kasse am Supermarkt ging es schnurstracks zu W.A.S.P., um zumindest für knapp anderthalb Stunden den nostalgischen Schimmer vergangener Tage durch das Haar wehen zu lassen.

Und während man in Gedanken versinkt, kann endlich "ReIDOLized – The Crimson Idol" beginnen. Oder doch nicht? Ein paar Minuten nach 21 Uhr beginnt es und die Gänsepelle macht sich bereit. Doch bevor 'The Titanic Overture' an Fahrt aufnimmt und man von den Bildern und Szenen der insgesamt drei Bildschirme in den Bann gezogen wurde, hat W.A.S.P. mit einigen Soundproblemen zu kämpfen. Und ehe man sich versieht, stürmt Blackie von der Bühne.

Das darf nicht wahr sein oder? Was ist hier los? Fragen über Fragen, wissen wir doch, dass Mr. Lawless nicht der einfachste Charakter ist. Doch Erleichterung macht sich breit, als der "The Crimson Idol"-Start von Neuem beginnt, die Lichter ein zweites Mal erlischen und W.A.S.P. mit deutlich kräftigerem und vor allem funktionierendem Sound die Bühne betritt. Angenehm hierbei ist, dass die Band doch eher im Hintergrund agiert und der Geschichte Jonathans den Vorrang lässt. Denn die Idee dahinter, diesem Epos lediglich die passende Intonierung zu verpassen, geht vollends auf – die Bilder wirken auf das Publikum, das gebannt eher auf die Leinwände als auf das Lawless'sche Schaffen schielt. Das ist Sinn und Zweck dieser Tour! Natürlich wird bei 'Arena of Pleasure' mitgegrölt, 'Chainsaw Charlie (Murders in the New Morgue)' mitgebangt und geklatscht und bei dem unendlich traurig-wunderbaren 'The Idol' mitgeweint, doch dank dezentem Rotlicht und eben der Tatsache, dass hier die Story und eben nicht W.A.S.P. im Vordergrund die Karten auftischt, wirkt die 1992er Story nur noch dramatischer, trauriger und einnehmender.

Und ehe man sich versieht, werden auch die letzten Töne von 'The Great Misconceptions Of Me' in die Turbinenhalle gefeuert, der Abspann auf den Leinwänden steht erwartungsvoll in den Startlöchern und W.A.S.P. hat diesem einzigartigen Album mit den vergangenen 60 Minuten einen einzigartigen Rahmen verpasst.

Doch hat Blackie auch ein zweites Set versprochen, in dem noch ein paar weitere W.A.S.P.-Klassiker zum Besten gegeben werden. Aber um eines vorweg zu nehmen: Der lediglich mit vier Songs bestückte zweite Teil fällt äußerst dürftig aus. Natürlich kocht die Halle bei 'L.O.V.E. Machine', selbstverständlich kommt bei 'Wild Child' der freie Geist der 1980er Jahre auf und selbstredend steckt 'I Wanna Be Somebody' voller Selbstbewusstsein. Klar ist auch, dass mit 'Golgotha' ein neueres Stück gewählt wurde, dass sich perfekt ins Songgefüge integriert. Doch das ist bei einer Gesamtspielzeit von knapp 90 Minuten einfach zu wenig, Herr Lawless!

Zwar ist dieser – im ersten "The Crimson Idol"-Teil als auch im "Klassiker"-Part – gut bei Stimme und obwohl doch einiges vom Band kommen mag, agieren er und seine drei Mitstreiter – für W.A.S.P.-Verhältnisse – äußerst agil und spielfreudig. Dennoch hat man nach dem finalen 'I Wanna Be Somebody' Bock auf mehr, bekommt aber nichts.

Wer diese Show verpasst hat, sollte aber nicht allzu früh die Flinte ins Korn werfen. Wie Blackie sagt, kommt W.A.S.P. mit selbigem "The Crimson Idol"-Konzept im nächsten Jahr wieder, eine – wie er sagt – 35-jährige Anniversary-Show wird es von diesem Götterepos jedoch nicht geben. Was haben wir also von diesem Abend gelernt?

Erstens ist W.A.S.P. Musik für jedes Alter! Zweitens gibt es nicht wenige – sowohl Männer als auch Frauen – die immernoch die Blackie'sche Frisur ihr Eigen nennen. Drittens scheinen T-Shirts-Preise von 30€ heutzutage normal zu sein und viertens – und diese Tatsache kommt erst auf, wenn man ein paar Gedanken an den heutigen Abend verloren hat – war die Mischung aus vordergründiger Story und die im Hintergrund agierende Band folgerichtig, der Zugabenteil jedoch viel zu spärlich. Vielleicht ändert sich das ja im nächsten Jahr, wenn wir die Geschichte Jonathans noch einmal aufleben lassen dürfen.

Redakteur:
Marcel Rapp

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