WUCAN - VEB Kultur Grand Opening - Erfurt

09.04.2023 | 13:11

25.02.2023, VEB Kultur

Einmal ist keinmal. Und somit war es Ehrensache, dass wir nicht nur einmal die Dresdner Überflieger WUCAN auf ihrer 2023 Tour besuchen.

Gibt es da draußen eigentlich noch irgendjemanden, der an den Live-Qualitäten von WUCAN zweifelt? Klar, die Mixtur aus Psychedlic-Rock, Krautrock, Ostrock und Proto-Metal ist auf Albumlänge schon eine komplexe Angelegenheit und ein ziemliches Spatenprogramm - aber Live, meine Freunde, ist das nur pure Energie und Spaß an der eigenen Performance.

Und somit war es für mich eine Ehrensache, das Kollektiv, um Sängerin und Ausnahmeerscheinung Francis, auf der Tour zum aktuellen Album "Heretic Tongues" zu besuchen. Und was ist passender, als ein Konzert im Osten der Region? Somit fiel meine Wahl relativ zügig auf Erfurt. Insbesondere da der dortige Auftritt nochmal eine Besonderheit ist und die Geburtsstunde eines neuen Clubs musikalisch untermauert. Das VEB Kultur, im Herzen des Bandhaus Erfurt, wird zukünftig immer wieder mal als Venue für kleinere Konzerte genutzt werden und bietet jede Menge Nachwuchskünstlern primär eine Möglichkeit zu proben und sich mit unser aller Leidenschaft auseinanderzusetzen. Ganze 18 Proberäume verschiedener Größen finden sich im Bandhaus und werden auch im Vorgang des Konzerts bereits fleißig genutzt. Das Produktspektrum wird noch durch ein Tonstudio und einem Raum für Orchestrierungen ergänzt. Da geht einem Musikliebhaber das Herz auf.

Die heutige Eröffnungsparty findet im Multifunktionsraum statt, welcher ungefähr Kapazitäten für 150 Leute bietet. Also selbst für WUCAN-Verhältnisse mittlerweile eine sehr private Atmosphäre. Komplettiert wird das VEB Kultur durch eine kleine Bar und die notwendige Bühne. Da haben die Initiatoren wirklich etwas Tolles auf die Beine gestellt und ich drücke die Daumen, dass dieses Konzept auch den gewissen wirtschaftlichen Erfolg bringt, um sich dauerhaft durchzusetzen. Grade die Erfurter Clubszene hat in den letzten Jahren doch schon arg Federn lassen müssen.

Poster

Heute Abend ist das VEB Kultur jedenfalls prima besucht und es wird auch schon bei den beiden Vorbands etwas kuschelig. Apropos Vorbands. Den Einstieg machen die Lokalhelden OCTOFUZZ. Die junge Truppe, im klassischen Line-Up (Gesang, Drums, Gitarre, Bass), klingt wie eine Mischung aus UNCLE ACID AND THE DEADBEATZ und den TRUCKFIGHTERS - also nach jeder Menge fuzzigem Vergnügen. Der Sound ist zwar fett und klar, bietet aber noch genug Knarzen und Dreck für die Ohren, ohne die eine solche Musik verloren wäre. Auf diversen Streamingplattformen werdet ihr sicherlich die EP "High To The Moon" finden, welche ich nach diesem knapp halbstündigen Auftritt nur jedem Connaisseur dieser Musikrichtung empfehlen kann. Mich haben die Jungs definitiv angefixt, auch wenn man grade zu Beginn schon einen Hauch von Nervosität spüren kann. Sollten die Jungs sich allerdings noch mehr eingrooven, dann könnte da was wirklich Starkes heranwachsen.

Nach einer kurzen Umbaupause geht es mit den Schweden RAVEN ORCHESTRA weiter, welche nach eigenen Angaben heute tatsächlich ihren ersten Gig überhaupt spielen wollen. Manchmal ist es echt interessant, wie es denn zustande kommt, dass eine Band aus Uddevalla ausgerechnet ihre Feuertaufe im deutschen Erfurt bei einer Cluberöffnung durchleben darf. Naja egal - mir soll es recht sein, denn mit straightem Hard Rock mit jeder Menge Spirit der 1970er Jahre, kann ich sehr gut leben. Es ist schon erstaunlich, wie professionell denn bitte diese Combo im Speziellen und schwedischen Rockbands im ganz Allgemeinen schon zu Beginn ihrer Karriere sind. Irgendwas machen die in Skandinavien anders. Wer es weiß, gibt mir bitte Feedback.

Zwar sind Songs wie 'Triple Six' nicht wirklich etwas Besonderes, aber werden mit so viel Spielfreude und Elan performt, dass sie live deutlich besser funktionieren werden, als irgendwann mal auf Platte. Insbesondere der schnellste Track im heutigen Set mit dem Namen 'High Speed Fix' geht schon richtig fein ins Ohr. In Summe eine schöne Ergänzung im Programm und nochmal eine andere Klangfarbe als WUCAN und OCTOFUZZ. Das Einzige, was mich wirklich irritiert ist, dass der Gitarrist fast wie der Zwillingsbruder von Damian Wilson aussieht. Man erwartet ständig einen einfühlsamen Progpart, aber der nette Herr bleibt still.

Aber egal, denn jetzt kommt Dresden Finest. Und direkt nach dem Opener 'Kill The King' bin ich wieder vollkommen im Tunnel. Was für ein wuchtiger und tighter Einstieg. Eigentlich könnte ich hier für den weiteren Verlauf des Abends meinen Kollegen Thomas Becker zitieren oder direkt auf seinen Konzertbericht vom Backstage Club in München verweisen. Die Setliste ist nämlich komplett identisch und die Leidenschaft und Qualität der Band scheinbar kongenial.

Hier sitzt jeder Ton und der Sound atmet ständig diese etwas skurrilen, queren Proto-Metal-Vibes. Insbesondere Francis springt, tanzt und hüpft wie ein Derwisch über die kleine Bühne und ist auch heute wieder Dopamin in Persona. Parallelen zum jungen Ian Anderson sind nicht zufällig. Das beinhaltet nicht nur den Flötenwahnsinn und der nicht zu stoppende Bewegungsdrang, sondern auch die ständigen Experimente mit der Stimme und Lautmalereien, welche zu einigen extrem gelungenen Passagen führen. WUCAN klingt so absurd eigenständig, das ist schon unheimlich.

Da verkommt es fast zur Nebensache, dass im Laufe des Konzerts die junge Dame noch wunderbar Gitarre spielt, das Keyboard beackert und weiterhin das Theremin ins Gedächtnis der Zuschauer bringt. Grade dieses Instrument stand früher noch etwas mehr im Fokus und ich hoffe, dass es weiterhin Teil des Programmes bleibt, auch wenn straighte Knaller wie 'Don't Break The Oath' und 'Night To Fall' mittlerweile einen anderen Fokus legen.

Im Gegensatz zu Thomas kann ich auch wunderbar mit dem Ende des Konzerts leben, da der 'Wandersmann' für mich mit seinen Rezitation-Passagen den Esoterik-Bogen für meine Wahrnehmung etwas zu überspannt. Ein geiler Song ist es natürlich trotzdem und auch ich hätte 'King Korea', 'Looking In The Past' oder 'The Rat Catcher' gerne noch gehört. Hilft wohl nur eins, dass die Band ihre Spielzeit etwas verlängert. Sollte dieses jedoch dann nur mit reduzierter Intensität möglich sein, dann bin ich auch mit dem Ist-Zustand voll d'accord.


Setliste: Kill The King; Father Storm; Ebb And Flute; Don't Break The Oath; Far And Beyond; Fette Deutsche; Night To Fall; Zwischen Liebe und Zorn; Physical Boundaries; Aging Ten Years In Two Seconds (gekürzte Version)

Redakteur:
Stefan Rosenthal

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