Trivium/Annihilator - Wiesbaden

19.05.2007 | 19:10

16.05.2007, Schlachthof

Es hat den Anschein, als wäre Petrus TRIVIUM-Fan. Waren die Temperaturen letztes Jahr bei den QUEENS OF THE STONE AGE Ende August unerträglich, so hat das heiße Sommerwetter eine kleine Pause eingelegt. Im Vorverkauf wurden stattliche 900 Tickets abgesetzt (bei einem Fassungsvermögen von 1800 bis 2000 schon recht ordentlich), trotzdem ist gegen 19.20 Uhr relativ wenig los vorm Schlachthof. Gleich zu Beginn fällt auf, dass sich die Fans in zwei Gruppen aufteilen: zum einen die ANNIHILATOR-Fans, wovon die meisten die Dreißigermarke überschritten haben, und auf der anderen Seite die Teenies, die sich geduldig die Beine in den Bauch stehen. Nachdem ich mir die Eintrittskarte am Akkreditierungsschalter geangelt habe (inklusive Belustigung der hinter mir Wartenden mit dem klassischen "Heijo, ich hab doch die Fischvergiftung"-Sketch von BADESALZ), steht dem Einlass in den kühlen Schlachthof nichts mehr im Wege.

Um kurz vor acht ertönt ein Einmarschintro aus den Boxen, und SANCTITY stürmen die Bühne. Das Quartett bollert ordentlichen Amistahl mit leicht thrashiger Note in die gierende Menge, die die Energie wie ein metallischer Blitzableiter aufsaugt und den Ball in Form von Beifallsbekundungen an die Band zurückspielt. Während Sänger und Gitarrist Jared nicht nur von der Optik, sondern auch von der Gestik her wie ein junger James Hetfield daherkommt, lässt Leadgitarrist Zeff Erinnerungen an Dino Cazares (ex-FEAR FACTORY) wachwerden. Ansonsten haben die Jungs ordentlich Hummeln im Po und wetzen vom einen Bühnenrand zum anderen. Stilistisch kann man eine Nähe zum Headliner ausmachen, da auch hier mehrstimmiger Gesang im Chorus dominiert. Das kommt vor allem in den vorderen Reihen sehr gut an, die der Truppe förmlich aus der Hand fressen. Während des obligatorischen Abfeierns der kommenden Bands, hat Jared die Lacher auf seiner Seite, als er meint: "Scream for fuckin' SLAYER! Because it's SLAYER." Für einen Opener, vor allem bei den starken Bands, die noch folgen, werden SANCTITY ordentlich abgefeiert. Sollte man sich vormerken.

Das muss man bei der kommenden Band nicht, denn ANNIHILATOR sind eine "Metal"-Institution für sich, um mal das neue Album ins Spiel zu bringen. Das denkt sich auch die Band selbst und wirft den Fans gleich drei Tracks des neuen Albums (u. a. 'Operation Annihilation' als Opener) zum Fraß vor, die jedoch nicht die Wirkung haben, wie von der Truppe erwünscht. Erst ab dem Klassiker 'King Of The Kill' geht die Post so richtig ab. Dave Padden, der sich fast schüchtern an seiner Gitarre festkrallt, legt diese zur Seite, um TRIVIUM-Gitarrist Corey Beaulieu den Vortritt zu lassen. Zwar werden mit 'Never, Neverland', 'Refresh The Demon' und 'Set The World On Fire' die Titelsongs der jeweiligen Alben zum Besten gegeben, aber ich persönlich hätte mir eine andere Setlist gewünscht. Das hindert das Publikum jedoch nicht daran, ANNIHILATOR nach allen Regeln der Kunst abzufeiern. Allen voran Jeff Waters ist jeden Cent des Eintrittsgelds wert. Mit was für einer Hingabe er seiner Axt die komplexesten Soli entlockt, ist einfach nur unfassbar. Hinzu kommt, dass alle - außer Padden - jeden Quadratzentimeter der Bühne ablaufen und damit die ohnehin schon gute Stimmung weiter anheizen. Mit dem Klassiker 'Alison Hell', bei dem Jared und Jeremy von SANCTITY die Truppe bei den Backingvocals unterstützen, findet ein viel zu kurzes Konzert sein Ende. Natürlich bleibt es bei der Leistung nicht aus, dass ANNIHILATOR trotz suboptimaler Setlist für mich persönlich den heimlichen Headliner an diesem Abend darstellen, was die Beifallsbekundungen unterstreichen.

Das kann man vom eigentlichen Headliner TRIVIUM, der knapp zwanzig Minuten später um 21.50 Uhr die Bühne entert, nicht behaupten. Zwar hat das Quartett mit 'Entrance Of The Conflagration' einen ordentlichen Opener am Start, aber irgendwie fehlt da was. Der nicht gerade ideale Sound trägt ebenfalls dazu bei, dass das Stimmungsbarometer im Vergleich zu ANNIHILATOR sinkt. Zwar nutzen auch TRIVIUM jeden Quadratzentimeter der Bühne, doch irgendwie wird die Show einen Tick zu routiniert runtergerissen. Des Weiteren kommen noch Timingprobleme hinzu, denn Drummer Travis Smith hinkt der Gitarren- und Bassfront mindestens einen Schlag hinterher. Gesanglich kann Matt absolut nicht punkten, da die melodischen Parts nicht annähernd so zwingend daherkommen wie auf CD. Auch bei den Gitarrensoli gibt es den einen oder anderen Verspieler, wodurch sich einer meiner Kollegen dazu hinreißen lässt, zu behaupten, dass sich das Ganze anhört, "als trete man einer Maus auf den Schwanz." Einzig Basser Paolo Gregoletto ist stimmlich sicher und an dem Abend mit Abstand der Beste in der Truppe.

Die Setlist ist recht ordentlich ausgefallen, was man daran erkennt, dass mit 'Ember To Inferno' und 'Requiem' zwei Songs des Debüts in der Setlist zu finden sind. Und auch diesmal widmet Matt 'Dying In Your Arms' allen Mädels im Publikum, und mit 'Detonation' und 'Like Light To The Flies' werden gutklassige Gassenhauer durch die Boxen geblasen.

Nach knapp siebzig Minuten verlässt die Combo zum ersten Mal die Bühne, um danach Humor zu beweisen. Ganz in der Tradition von Joey DeMaio reckt Matt beide Arme nach oben, um danach mit seiner Band für knapp eine Minute 'Fighting The World' von MANOWAR anzustimmen. Erst bei den Zugaben 'A Gunshot To The Head Of Trepidation' und 'Pull Harder On The Strings Of Your Martyr' kommt zum ersten Mal so was wie Stimmung auf, was in den vorigen siebzig Minuten absolut nicht der Fall war. Nach dem letzten Aufbäumen des Publikums verlassen TRIVIUM nach schon fast sensationellen 85 (!) Minuten den Ort des Geschehens.

Bleibt festzuhalten, dass TRIVIUM ihrer Rolle als Headliner – wenn man von den Publikumsreaktionen ausgeht – nicht gerecht wurden. Ich persönlich habe den Enthusiasmus des letzten Herbsts vermisst, als die Band die "Batschkapp" gestürmt und alle mitgerissen hat. Positiv ist hingegen anzumerken, dass sich die Spielzeit um fast fünfzig Prozent im Vergleich zum letzten Auftritt gesteigert hat. Gewinner des Abends waren SANCTITY und vor allem ANNIHILATOR, die mit einer besseren Setlist und einem aufgeschlosseneren Padden beim nächsten Mal mehr Punkte für ihr Popularitätskonto einheimsen könnten.

Redakteur:
Tolga Karabagli

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