Thrashfest-Tour - Hamburg

19.12.2010 | 19:49

05.12.2010, Markthalle

Thrash, Thrash, Thrash und ... Thrash!

Ein absolutes Muss für alle Thrasher: SUICIDAL ANGELS, DEATH ANGEL, EXODUS und KREATOR an einem Abend! Das verspricht nicht nur gute Musik, sondern auch Nackenschmerzen of hell.

Den Anfang machen SUICIDAL ANGELS. Ihr Old School Thrash à la SLAYER kommt in der bereits ordentlich gefüllten Markthalle gut an, die Menge dankt mit einem Circle-Moshpit.
[Jakob Ehmke]

Nachdem die griechischen SUICIDAL ANGELS die ausverkaufte Markthalle schön angeheitzt hatten, betritt eine Band die Bühne, von der ich noch nicht einen mittelmäßigen oder gar schlechten Auftritt gesehen habe: DEATH ANGEL. Seit der letzten Stippvisite hat man sich mit Bassist Damien Sisson und Drummer Will Carrol allerdings zwei neue Burschen in die Band geholt, so dass ich sehr gespannt bin, ob die Truppe dadurch an Tightness verlieren wird. Spätestens beim zweiten Song, dem coolen 'Evil Priest' vom Debüt, ist aber klar, dass man sich darüber keine Gedanken machen muss. Damien bearbeitet seinen Tieftöner mit einer beinahe brachialen Eleganz und erinnert mit seinen Wah-Wah-Sounds nicht nur einmal an selige Cliff-Burton-Zeiten. Fein. Wer Mister Carroll schon einmal live gesehen hat – ob nun mit ULYSSES SIREN, MACHINE HEAD oder VICIOUS RUMORS –, weiß, dass dieser Schlagzeuger dem Begriff "Ganzkörpereinsatz" eine völlig neue Dimension verpasst. Wo Gene Hoglan mit lässigen Knüppelschlägen aus dem Handgelenk begeistert, reißt Will den Zuschauer einfach durch seine Mimik und sein ekstatisches Geprügel sofort in seinen Bann. Total toll. Dass der Rest der Bande natürlich nichts von seinem Können verlernt hat, steht außer Frage. Und da man neben neuen Granaten der Marke 'Truce' oder 'River Of Rapture' auch ausreichend alte Geschosse aus dem Köcher zieht, gleicht die Markthalle einem Tollhaus. Bei 'Mistress Of Pain' singen alle den Chorus mit und bei dem leider einzigen Song des Gottwerkes "Act III" namens 'Seemingly Endless Time' drehen sogar die hinteren Reihen ziemlich kollektiv am Rad. Als man dann zum Abschluss 'The Ultra-Violence' anstimmt, will ich es gar nicht glauben und zücke schon einmal die Luftgitarre. Nach einigen Takten geht man aber in das abschließende 'Thrown To The Wolves' über. Danach ist man durchgeschwitzt, glücklich und zufrieden. Werden die Altvordern namens EXODUS dies toppen können?

Habe ich beim heimischen Hörgenuss der letzten Alben meinen inneren Frieden mit Rob Dukes geschlossen, versuche ich nun, möglichst positiv gestimmt die einstigen Helden zu genießen. Nicht ganz einfach, da nämlich der Sound wesentlich matschiger ist als bei den Bands zuvor und die Band mit der Eröffnungskeule des letzten Albums in den Set einsteigt. Es ist unbestritten eine wahre Freude, dem Gespann Altus/Holt beim Riffen zuzusehen, aber noch schöner wäre es, wenn man es auch akustisch genießen könnte.

'A Lesson In Violence' folgt, und zum ersten Mal erkenne ich Riffs. Die Halle flippt komplett aus, nur Rob geht mir mit seinem Tanzbär-auf-böse-Gehopse auf den Sender. Immerhin kommen keine völlig nervigen Ansagen. Zumindest nicht zum Thema Politik. Bei 'Blacklist' singen alle artig mit, und irgendwann erfahren wir, dass Mister Holt sich irgendetwas gebrochen hat. Vielleicht wirkt er deshalb nicht ganz so energisch wie sonst. Auf jeden Fall ziehe ich meinen imaginären Hut, dass er überhaupt spielt. Aber zurück zum Thema Ansagen: Die Frage zum Klassiker 'Toxic Waltz', ob denn schon jemand von den Anwesenden 1989 "Old School EXODUS" gehört hätte, verwundert nicht nur mich. Wer käme denn auf die Idee, diese Phase der Band als "Old School" zu bezeichnen? Und die geforderte Wall Of Death zum Abschlusskiller 'Strike Of The Beast' (Jahrhundertsong!) wird von Dukes mit der Aufforderung verbunden, man möge so aufeinander losgehen, als wolle man die andere Seite umbringen. Da wird mein Gefühl von "good friendly violent fun" mal deutlich unterschritten.

Versteht mich nicht falsch, EXODUS haben immer mit Brutalität und Gewalt kokettiert, aber auf einer Ebene, die ich unterhaltsam finden konnte. Es entstand für mich ein Wohlfühladrenalinspiegel. Nun empfinde ich es so, als wäre ein Vollproll in mein Thrash-Wohnzimmer gekommen und würde alles mit Füßen treten, was diese Atmosphäre einzigartig gemacht hat. Ich weiß nicht, wie ich es anders erklären soll. Vielleicht sollte ich mir die Band einfach nicht mehr live ansehen und mich an den Erinnerungen und tollen Scheiben erfreuen, die Mister Holt und seine Gang in den letzten Dekaden eingespielt haben. Viele andere in der Halle finden den Auftritt aber wohl sehr gut, was er ohne sentimentale Betrachtungsweise vielleicht sogar auch ist.

[Holger Andrae]

Als die Lichter ausgehen, ist das Geschrei groß. Es ist KREATOR-Zeit. Die Bühnendeko ist natürlich angelehnt an ihren letzten Output "Hordes Of Chaos". In der Mitte prangt eine große Leinwand, auf der alsbald - untermalt von JOHNNY CASH-Musik (!) - der Einmarsch einer nicht erkennbaren Person in die Markthalle gezeigt wird. Der visuelle Ausflug geht weiter Richtung Backstage, wo nochmal alle Bands des Abends dem KREATOR-hungrigen Publikum die Pommesgabel entgegenhalten. In der letzten Einstellung steht an einer Brücke "Sie sind an ihrem Ziel angekommen", woraufhin das KREATOR-Logo erscheint. Großartige Inszenierung!

Was nun folgt, ist eine Lehrstunde in Thrash, von der sich wohl alle Bands des Abends eine Scheibe abschneiden können. Die Setlist deckt uralte ('Endless Pain', 'Flag Of Hate'/'Tormentor') und alte Kamellen ('Pleasure To Kill', 'Coma Of Souls') ab und geht über neuere Tracks ('Phobia', 'Violent Revolution') zu aktuellen Thrash-Granaten ('Enemy Of God', Voices Of The Dead', 'Amok Run', 'Hordes Of Chaos').

Mille ist extrem gut aufgelegt und haut einen Kultspruch nach dem anderen raus. Ihm sei es "scheißegal", wie lange eine Band existiere, er würdigte aber die "drei Generationen Metalheads", die auf ihren Konzerten zugegen seien. Ventor rödelt an den Kesseln wie verrückt, Sami brilliert mit (leider viel zu leisen) Soli, und Basser Christian schraubt sich wie immer die Rübe ab.

Nachdem die ausverkaufte Markthalle nach fast eineinhalb Stunden KREATOR von Mille in Grund und Boden geschrien wurde, erblicke ich viele schweißnasse, dennoch glückliche Gesichter. Schön war's, gerne wieder!
[Jakob Ehmke]

Setlist KREATOR:
1. Violent Revolution
2. Hordes Of Chaos
3. Phobia
4. Terrible Certainty
5. Betrayer
6. Voices Of The Dead
7. Enemy Of God
8. Destroy What Destroys You
9. Amok Run
10. Endless Pain
11. Pleasure To Kill
12. Coma Of Souls
13. Pestilence
14. Flag Of Hate/Tormentor

Redakteur:
Jakob Ehmke

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