Thrash Fest Classics - Stuttgart

03.01.2012 | 06:55

17.12.2011, LKA Longhorn

Denkwürdige Performances der Thrash-Titanen vor vollem Haus in Stuttgart. Killer!

Als das Billing dieser Tour festgelegt wurde, hätte ich nie erwartet, dass tatsächlich Thrash from Down Under mein heutiger Favorit sein würde. Das liegt natürlich auch daran, dass man die anderen Bands dann doch schon das eine oder andere Mal gesehen hat, aber natürlich noch vielmehr daran, dass das letzte Album von MORTAL SIN ganz einfach eine Granate ist. Nicht von ungefähr haben sie mit "Psychology Of Death" den Soundcheck im November 2011 gewonnen. Umso trauriger stimmt mich, dass sie heute nicht eben dieses neue Album in den Mittelpunkt stellen können. Nein, wir sind ja auf den Thrashfest Classics, wo die Bands eben ihre alten Glanztaten neu aufleben lassen. Bei MORTAL SIN ist das eben unerwarteterweise kein Vorteil. Aber das ist schon fast vergessen, als die Fünf mit viel Spaß in den Backen die Bühne entern. Ganz offensichtlich genießen sie den erneuten Ruhm, den sie diesmal sogar mit einer solchen Überseetour auskosten können. Basser Andy Eftichiou grinst die meiste Zeit und genießt das Erlebnis, während Sänger Mat Maurer den Old School Metaller raushängen lässt und klassisch in Kutte den mit dreißig Minuten leider recht übersichtlich geratenen Zug durch die Achziger Jahre beginnen. Die Band wechselt Songs ihrer beiden Alben "Mayhemic Dstruction" und "Face Of Despair" ab, und in der Mitte gibt es dann doch einen aktuellen Song. 'Hatred', der Rausschmeißer von "Psychology Of Death" fügt sich nahtlos in den Sound ein und wird gefeiert. Damit läutet die Band auch schon den Endspurt ein. 'I Am Immortal' wird gefeiert, und der Titelsong des Debütalbums markiert das Ende eines tollen Gigs, mit dem die Australier mächtig vorlegen. Dass es in Sachen Stageshow nicht allzu viel zu sehen gab, ist klar, erstens ist das hier Thrash, also soll die Rübe kreisen, und zum anderen ist die Bühne für die ersten Bands doch recht klein. Ein toller Auftakt für diesen Abend waren MORTAL SIN auf jeden Fall, auch wenn sich der Rest mehr als Mühe gab, den Opener nicht aus dem Stand und kampflos zum Gewinner des Abends küren zu lassen.

Setlist:
Blood, Death, Hatred
Voyage Of The Disturbed
Lebanon
Hatred
I Am Immortal
Mayhemic Destruction

[Frank Jaeger]

Von einer leichten Energiearmut, die mein geschätzter Kollege Jakob Ehmke HEATHEN bei ihrem Gig in Hamburg am 05.12.2011 attestiert, ist heute Abend in Stuttgart nicht im Entferntesten etwas zu spüren. Bereits nach dem bombig vorgetragenen 'Pray For Death' macht sich das Publikum lautstark bemerkbar und feiert Sänger David White, den sehr souverän spielenden Lee Altus am Sechssaiter sowie die Mitstreiter ab. Göttergaben wie 'Goblin's Blade' und der Kracher 'Hypnotized' werden derart packend präsentiert, dass auch der Pit vorne in Bewegung gerät. Inszeniert durch einen sehr sauberen und wuchtigen Sound bieten HEATHEN leidenschaftlich gezockten Thrash der Extraklasse. Ausgesprochen tight und mit viel Spaß in den Backen zeigt die Band, wo der Hammer hängt. Mit 'Mercy Is Now Virtue' schließen die Kalifornier einen packenden Auftritt, an dem es absolut nichts auszusetzen gibt. Zahlreiche Hände werden in den vorderen Reihen abgeklatscht und die Verabschiedung des Publikums illustriert einmal mehr: HEATHEN sind eine der stärksten Live-Bands im Thrash-Zirkus. Wiederkommen, die Herren...aber flott!

Setlist:
Pray For Death
Goblin's Blade
Open The Grave
Hypnotized
Opiate Of The Masses
Mercy Is No Virtue
Death By Hanging

[Martin Loga]

DESTRUCTION zählen mit zu den tourfreudigsten Formationen des Genres und trotz des beachtlichen Live-Pensums, das die Band bestreitet: Die süddeutschen Thrasher sind live  immer eine Bank. Das zweitletzte Konzert der Thrashfest Classics-Tour 2011 in der Schwaben-Metropole macht hier keine Ausnahme. Schmier, Mike und Vaaver an der Schießbude treten eine dreiviertel Stunde lang mächtig Arsch, was aber im Anbetracht der göttlich nostalgischen Setlist nicht weiter verwundert: 'Total Desaster' und das früh im Set heruntergedroschene 'Mad Butcher' sorgen für emsige, teilweise etwas überambitionierte Publikumsrotationen im Pit, der des Öfteren große Ausmaße annimmt. Geschätzte 800 Fans shouten Sternstunden des deutschen Trash der ruppigen Schule mit: 'Invincible Force', 'The Ritual' das arschgeile 'Bestial Invasion' und 'Thrash Attack'...hier bleibt kein Auge trocken. Und auch der Nacken wird nicht geschont. Gut so, möche ich hinzufügen. Auf die Frage, welche Herren mittleren Alters DESTRUCTION seinerzeit auf der "Infernal Overkill"-Tour 1985 in der Rockfabrik in Ludwigsburg sahen ("Ich sehe einige Veteranen hier...!") recken so manch einer die Fäuste. Egal ob Thrash-Neuling oderjahrzehntelanger Genre-Lunatic: DESTRUCTION setzt die Meute heute Abend ordentlich in Bewegung. Besonders Schmier hat sichtlich Spaß an der Reise in die Vergangenheit. Überhaupt: Dass die Band auf einer derart straff organisierten Tour ohne freien Tag noch so viel Pfeffer hat, ist nicht unbedingt selbstverständlich. Nach dem wie gewohnt zum Ausklang kredenzten 'Curse The Gods' kocht das Longhorn und das Publikum möchte noch mit Zugaben verwöhnt werden. Doch die sind heute Abend zeitlich wohl nicht drin, so dass sich die versammelte Bangerschaft verschwitzt und breit grinsend Richtung Bar schieben darf, wo flinke Mitarbeiter/innen am Tresen kühles Blondes ausschenken. Abkühlung tut jedenfalls Not nach diesem mächtigen Auftritt.

[Martin Loga]


Ein Klassiker-Set von EXODUS ist natürlich eine Bank, klar. Außer Frage steht, dass die ersten drei Alben der US Amerikaner, auf die sie sich heute abend beschränken werden, in jede gut sortierte Thrash-Sammlung gehören. Pünktlich startet die Show dann mit der Einleitung des "Fabulous Disaster"-Album, und alle sprechen mit: "The prison system, inherently unjust and inhumane...", und dann geht die Post ab. Das Triple aus 'Last Act Of Defiance', 'A Lesson In Violence' und dem Titelsong des Drittwerks ist ein perfekter Einstieg. Dass es einen klaren Nachteil dieses Sets gibt, ist für EXODUS-Kenner auch klar. Rob Dukes ist einfach der drittbeste Sänger, den die Band bislang hatte. Mit Abstand. Er kann in keiner Weise Steve Souza ersetzen, seine Stimme beschränkt sich aufs Brüllen, aber ich muss zugeben, dass er seine Sache besser macht als ich erwartet habe. Das spricht für die Gesangslinien der alten Songs, dummerweise aber auch gegen selbiger der letzten beiden Alben. Das gleiche gilt für Paul Baloffs Vocals, die zwar auch eher gebrüllt waren, aber von Dukes ebenfalls nicht einmal annähernd imitiert werden können. Ich bleibe dabei: Der Mann ist eine Fehlbesetzung. Allerdings ist er heute deutlich weniger peinlich als bei den bisherigen Gigs, die ich mit ihm erleben musste und bei denen ich mir immer einen anderen Sänger für diese großartige Band gewünscht habe, auch wenn seine Aufforderungen zu Circle Pits und Walls of Death weiterhin unnötig sind und glücklicherweise von allzu Viele diesen Folge leisten. Aber die Setlist lässt natürlich jede Kritik oberflächlich werden, denn im Laufe des Sets werden fast alle großen Klassiker ausgepackt. Während des Sets dürfen dann sogar noch Kragen Lun, der zweite Gitarrist von HEATHEN, und Derrick Green von SEPULTURA jeweils einen Song mitmachen, was unterstreicht, dass die Chemie zwischen den Bands offensichtlich stimmt. Das meine ich, den Musikern anzumerken. Alle sind sichtlich mit Spaß dabei, Lee Altus, der seinen zweiten Set heute Abend spielt, lächelt sogar manchmal.


Die Bühne ist nach dem Umbau viel größer und wird von den Musikern auch komplett ausgenutzt, links und rechts neben dem Drumset befindet sich jeweils ein Podest, auf dem Jack Gibson und Gary Holt gerne posieren. Musikalisch folgt Nackenbrecher auf Nackenbrecher, und wenn es einen Kritikpunkt gäbe, so wäre es das Fehlen von 'No Love'. Dafür hätte ich gerne auf 'Deranged' verzichtet, aber damit stehe ich möglicherweise alleine da, und obendrein ist es eine Bagatelle, denn der Laden kocht. Bis in die hinteren Reihen des Longhorn wird gebangt. EXODUS sind ein absoluter Gewinner des Abends dank der unsterblichen Setlist:

The Last Act of Defiance
A Lesson in Violence
Fabulous Disaster
Brain Dead
Deranged
Pleasures of the Flesh
Exodus
Piranha
Metal Command
And Then There Were None
Bonded by Blood
The Toxic Waltz
Strike of the Beast

[Frank Jaeger]

 

Premiere für den Verfasser dieser Zeilen: Die erste SEPULTURA-Show, die ich je besucht habe. Im Vorfeld dominiert Skepsis: Wie wird sich die Band, die gerade noch zwei Originalmitglieder in ihren Reihen hat, live verkaufen? Wie wird sich Derrick Green bei den ganz alten Stücken schlagen? Wie kommt sein Gesang rüber? Fragen über Fragen, auf die SEPULTURA Antworten haben. Schlagkräftige Antworten, ist hier hinzuzufügen. Der Opener 'Beneath The Remains' brettert jedenfalls souverän und sehr originalgetreu in die Menge, vorgetragen in einem Affenzahn. Neuzugang Eloy Casagrande vermöbelt sein  rumkit mit roher Gewalt und wütet dabei wie ein Berserker. Spielerisch jedenfalls ist der Mann ein großer Gewinn. Das stampfende 'Territory' nimmt dann das Tempo etwas heraus, bevor mit dem knallhart und sehr stark umgesetzten 'Dead Embryonic Cells' eine amtliche Abfahrt mit Gänsehaut-Garantie eingeläutet wird. Die Liedzeile "We're Born With Pain. Suffer Remains, We're Dead..." wird von Hunderten mitgeshoutet, ebenso wie 'Mass Hypnosis'. Derrick Green setzt die rund zwanzig Jahre alten Stücke aggressiv und eng an den Originalversionen angelehnt gekonnt um, so dass SEPULTURA wohl auch weite Teile der Skeptiker, die Derrick Green auch nach rund 15 Jahren im Line-up der Band noch nicht vollends akzeptiert haben, auf ihre Seite zu ziehen vermögen.
Derrick Green ist sichtlich begeistert über die ausflippende Menge und er entgegnet den Headbangern ein kurzes "Ja...das ist gut. Das ist geil!" auf Deutsch. "Alles klar, Herr Kisser?", scherzt er zum Bandkollegen herüber. Warum auch nicht, wenn das Publikum  so viel Euphorie verströmt und Spaß an diesem Auftritt hat. Zu weiteren Highlights im Set der Brasilianer entwickelt sich das durch den charakteristisch ruhigen Introteil geprägte 'Altered State' und das hoch explosive 'Inner Self' (Hammer!), das die Moshpit-Jünger besonders beflügelt. Ein junger Fan neben mehr hat hier das Pech, im Moshpit einen Ellenbocken auf die Nase zentriert zu bekommen. Armer Tropf, könnte man sagen, aber: Nur die Harten kommen und den Garten! Und in diesem werden urplötzlich gleich sechs oder sieben Trommeln aufgestellt, die unter anderem von David White, Gastdrummer Nick Barker (LOCK UP und viele mehr), Andreas Kisser, Derrick Green und Lee Altus gespielt werden. Das "Roots"-Stück 'Kaiowas' wird so zu einem unvergesslichen Erlebnis, bei dem sich zahlreiche Protagonisten in Sachen Percussion austoben können. Super! Beim anschließenden 'Refuse/Resist' unterstützen Gary Holt (EXODUS) und HEATHEN-Bassist Jason Viebrooks die Brasilianer, ehe mit einer amtlichen Version von 'Arise' der reguläre Teil des Auftritts endet. Doch die Fans lassen nicht locker und im Zugabenteil gibt es einige echte All-Star-Darbietungen, die man in dieser Konstellation wohl kaum mehr sehen wird. EXODUS-Drummer Tom Hunting machen den Anfang und singt den MAIDEN-Klassiker 'Wrathchild' in der Stimmlage Di'Annos überraschend souverän, während er von einer Riege an Kollegen aller Bands unterstützt wird. Auch Tausendsassa Nick Barker mischt am Schlagzeug mit, wenn ich mich nicht irre. Auch das AC/DC-Cover 'T.N.T.' schlägt bombig ein, bevor man mit 'Enter Sandman' einen gigantischen Thrash-Abend party-mäßig ausklingen lässt. Bei den einzelnen Strophen wechselt man sich ab, so dass David White, Derrick Green, Mat Maurer usw. jeweils am Start sind. Klasse Idee, obendrein noch cool umgesetzt. Fazit: Die Thrashfest Classics Tour wird allen Longhorn-Besuchern noch lange in Erinnerung bleiben. Alles in allem ein megafetter, denkwürdiger Konzertabend!

Setlist:

Beneath The Remains
Territory
Dead Embryonic Cells
Desperate Cry
Mass Hypnosis
We Who Are Not As Others
Altered State
Infected Voice
Subtraction
Inner Self
Kaiowas
Refuse/Resist
(mit Gary Holt und Jason Viebrooks)
Arise
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Wrathchild (IRON MAIDEN)
T.N.T. (AC/DC)
Enter Sandman (METALLICA)

[Martin Loga]

Redakteur:
Martin Loga

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