THE HIRSCH EFFEKT - München

11.05.2015 | 20:32

07.05.2015, Backstage Club

Hirsch-Alarm in München!

Nach der horizont-erweiternden Einfuhr von "Holon:Agnosie" (Review, Gruppentherapie) bin ich sehr gespannt auf einen Live-Gig von THE HIRSCH EFFEKT, zumal dieser ein schönes Kontrastprogramm zur Tags zuvor bis in die Haarspitzen berührenden Performance von SOPHIE HUNGER darstellt. Mir ist klar, heute gibt es auf die Fresse, ein Umstand, auf den man sich wohl nur als Metal-Fan freuen kann, hehe.



Ungenaues Zeitmanagement, ein Spur von genereller Verhirschung und die Unmöglichkeit, in der Nähe des Backstage-Club einen funktionierenden Geldautomaten aufzufinden, verhindern ein rechtzeitiges Erscheinen zur Vorband WAVES. Das hastig gekaufte Feierabend-Bier öffnet sich just im Moment als die wohlbekannten Worte des "Holon:Agnosie"-Openers 'Simurgh' aus den Boxen schallen: "Die faulige Stelle an meinem Mund ist fast weg, nicht wahr?" Ähem, ja, spätestens nach dem ersten Schluck Helles.

Die Musik aus den Boxen wirkt zunächst chaotisch. Nun, das wusste ich zwar schon vorher, aber live muss ich mich erst einmal neu an dieses komplett verrückte Getrümmer gewöhnen, zumal anfangs Lieder gespielt werden, die ich Jungwild in Sachen Chaos-Paarhufer nicht kenne. Ich steige erst überhaupt nicht durch, allerdings bin ich ziemlich baff, als ich sehe, wie die Finger der Musiker über die Griffbretter flitzen und frage mich, wie selbst beim wildesten Bühnen-Gehopse alles noch so synchron und tight klingen kann. Die Band wirkt zwar etwas unnahbar und sucht nur in seltenen Momenten den Kontakt zum Publikum, ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass diese Performance äußerste Konzentration erfordert. Und während jeder Song-Pause werden akribisch die Gitarren gestimmt. Es ist die ANIMALS AS LEADERS-Generation der Musiker und hier muss einfach jeder Ton sitzen, auch wenn in dem kleinen Backstage-Club oft der Sound nicht so dankbar ist, und auch heute - wie so oft - der Gesang etwas untergeht.

Das große Faszinosum THE HIRSCH EFFEKT ist für mich bei aller technischen Perfektion jedoch das enorme Ohrwurm-Potential und es gibt ein paar textsichere Alt-Hirsche im Publikum, die jede clean gesungene Textzeile mitsingen. Ich kann mich bei den "Holon:Agnosie"-Tracks einklinken und habe mit jeder Minute mehr Spaß mit diesem Gig. "Doch ich erwach’ noch davor, durch das Tösen tief in meinem Ohr, es dringt in jede Zelle ein, IN JEDE ZELLE EIN!" ('Agnosie') Yeah, so und nicht anders ist es!

Die Band spielt fast Ein-Dreiviertel Stunden, was auch nicht mehr selbstverständlich ist heutzutage, und gerade die enthusiastisch aufgenommenen Zugaben 'Zoetrop' und 'Epistel' geben mir das Signal, dass auch die älteren Hirsche-Scheiben ihr Geld wert sein werden. Ja, das war überzeugend!

Setlist: Simurgh, Jayus, Absenz, Vituperator, Ligaphob, Lentevelt, Cotard, Mara, Fixum, Agnosie, Bezoar, Athesie, Agitation; Zugabe: Zoetrop, Epistel

Vielen Dank an die Band für nebenstehenden Crowdshot!

Redakteur:
Thomas Becker

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