Subsignal - Hamburg

15.11.2015 | 19:47

31.10.2015, The Rock Cafe

Prog 'n' Roll Konzert des Jahres!

Mein erstes SUBSIGNAL-Konzert. Ich bin ein bisschen aufgeregt, denn die Scheiben der Band zünden bei mir immer erst mit etwas Anlaufzeit. Diese gönne ich dieser wundervollen Musik aber immer wieder, nicht zuletzt, weil ich immer voller Optimismus bin, dass mich Markus Steffen wieder komplett einfangen wird. Das ist ihm schon bei SIEGES EVEN (fast) immer gelungen und dieser Umstand hat sich auch mit seiner aktuellen Band nicht geändert. Die beiden bangen Fragen in meinem Kopf vor Konzertbeginn lauten: Wie viele Freunde anspruchsvoller Rockmusik werden sich im Rock Cafe versammeln? Gelingt es der Band, mich live zu fesseln?

Die erste Frage kann man schnell beim Betreten des gemütlichen Club auf dem Kiez beantworten: Überraschend viele! Der Club ist sehr gut gefüllt, überraschend für mich ist die Tatsache, dass ich dieses Mal kaum bekannte Gesichter antreffe. Es scheint ganz so als würde sich die Hörerschar von SUBSIGNAL nicht aus den sonst üblichen Kreisen rekrutieren. Ich befürchte Musiker-Polizisten und Musikalien-Fachverkäufer und eine daraus entstehende kühle Stimmung im Publikum. Es wird spannend. Meine sonstige Konzertgruppe ist teilweise bei den am Arsch der Heide spielenden AHAB anwesend und meldet eine ausverkaufte Bude. Aha. Man Death 'n' Doom-t heute Abend also.

Als Arno auf die Bühne kommt und 'Beautiful And Monstrous' anstimmt ist das vermeintliche Eis aber sofort (!) gebrochen. Keine Spur von fehlersuchenden Argusaugenzeugen und das Sympathie-Gen eines Herrn Menses ist einfach ansteckend. Sofort und ohne Umwege. Der Rest der Truppe gesellt sich dazu und weiter im Takt geht es mit 'The Colossus That Bestrode The World'. Ungewöhnliche Wahl, aber schöne Songauswahl. Das Publikum sieht und hört dies wohl ähnlich, denn die Stimmung ist schnell überschwänglich.

Auch als man mit 'Ashes Of Summer' den ersten Song des gerade erschienenen neuen Albums spielt. Keine Spur von Verkopftheit, auch wenn Markus wie gewohnt gedanklich und emotional offenbar in seinem Instrument zu wohnen scheint. Bassist Ralf Schwager rockt dafür umso mehr und Arno ist schnell Teil des Publikums. Er schüttelt Hände, hält Augenkontakt zu Einzelpersonen, grinst breit und verbreitet eine Stimmung, die diesen Abend zu einem besonderen Erlebnis werden lässt.

Könnte ich so aus dem Stehgreif gar keine Bandhymnen oder Highlights nennen, so entpuppt sich 'The Sea' vom Debüt am heutigen Abend fix zu einem ebensolchen. Ganzkörperentenpelle. Meine Begleiter, die die Band auf Konserve nicht so spannend finden, sind offensichtlich ähnlicher Meinung, denn ich schaue nur in gut gelaunte Gesichter. Im weiteren Verlauf spielt die Band mit 'A Myth Written On Water' und 'Tempest' noch zwei weitere Titel des frischen Albums, die belegen, dass auch solche Musik mit einer spielwitzigen Leichtfüßigkeit vorgetragen werden können, die sogar auch Neuhörer mitreißt. Das ist die große Kunst des Prog: Anspruchsvolle Musik leicht klingen zu lassen. Obendrein habe ich den Eindruck, dass die Band aktuell etwas härter zu Werke geht als es noch vor einem Jahr der Fall war. Ein Eindruck, den schon "The Beacons Of Sometimes Somewhere" vermittelte, der sich nun live bestätigt. Ob es an den beiden neuen Leuten liegt, vermag ich nicht zu sagen. Fakt ist, dass Albumkeyboarder Luca Di Gennaro nicht an der Tour teilnehmen kann und von Markus Maichel würdig vertreten wird. Am Schlagzeug sehen und hören wir Dirk Brand (Axxis), der uns später auch noch ein kleines Drumsolo serviert. Brauche ich zwar nicht, aber hier und heute war es kurzweilig.

Sprach ich eben noch von vermeintlich nicht vorhandenen Highlights und Hits im durchgängig großartigen Sortiment der Band, so muss ich seit diesem Konzert neben 'The Sea' auch noch das wundervolle 'Wingless' dazu zählen. Beinahe das gesamte Publikum singt mit und es scheint, als sei auch die Band selbst von dieser Performance ergriffen. Die ergreifenden Satzgesänge sitzen auf die Nano-Note genau und trotz dieser spielerischen Genauigkeit klingt nichts aufgesetzt oder gestelzt. Es ist ein Rock-Konzert, kein Konzert für Hinsetzer und Höflichkeits-Applaus-Spender. Ein Konzert zum Mitgehen, zum Mitsingen, zum Wohlfühlen. Als dann als Zugabe noch 'Paraiso' und 'Paradigm'  kommen, gibt es bei einigen Zuschauern kein Halten mehr. Es wird mal eben kurz die Bühne gestürmt, um den Sänger zu umarmen. Genau dieses Gefühl hatten wohl nicht wenige an diesem Abend.

Einziger Wehrmutstropfen: Kein SIEGES EVEN Material. Okay, sind wir ehrlich: Es ist eine neue Band, die vier bärenstarke Alben am Start hat. Da werden solche ollen Kamellen erst zum 25jährigen Jubiläum aus dem Köcher gezogen. Ich möchte dann bitte 'Change Of Seasons' hören. Ja, ich weiß, dass das Jogi gesungen hat.  Aber ich möchte das so gerne mal von Arno hören. Ich befürchte allerdings, ohne Taschentücher da nicht durch zu kommen. Bis dahin schwelge ich in den Erinnerungen an diesen tollen Abend.

Vielen Dank!

Setlist:Beautiful And Monstrous;The Colossus That Bestrode The World; Ashes Of Summer; The Sea; Echoes In Eternity; A Myth Written In Water; My Sanctuary; A New Reliance; Wingless; Feeding Utopia; Tempest; TheTrick Is To Keep Breathing; Zugabe: Paraiso; Paradigm

Redakteur:
Holger Andrae

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