Stoned From The Underground 2009 - Erfurt

02.08.2009 | 18:18

10.07.2009, Alperstedter See

Das SFTU geht mit neuer Location in eine neue Runde und begeistert zwei Tage lang mit einer ebenso ausgewogenen wie hochwertigen Bandzusammenstellung.

Morgenschön, Du Regenfront. Gehst uns ganz schön auf die Nerven, Du. Der Vormittag wird sitzend und kauend überbrückt, bevor pünktlich mit den heutigen Beginnern DRIVER (Konzertmitschnitt) der zweite Tag startet. Die Stimmung ist gelockert, die Deutschen spielen einen klassischen Stoner Rock, der das halbgefüllte Zelt in angenehme Spannung putscht.
[Mathias Freiesleben]

Bei DRIVER sticht zunächst einmal ein Hemd in knalligem Orange ins Auge, welches des Bassisten Oberkörper verhüllt. Die Sachsen aus Chemnitz (also nah dran an einem Heimspiel) können mit ihrem gradlinigen Rock durchaus überzeugen - nicht die ganz große Offenbarung, aber ein ordentlicher Auftakt beim ersten Becher Gerstensaft allemal.
[Stephan Voigtländer]

Die daran anschließenden STONEBRIDE (Konzertmitschnitt) wussten bereits beim Clubkonzert vor einem reichlichen Jahr in Leipzig zu gefallen, und auch dieses Mal ist ihr Auftritt ein Highlight. Sludge Rock in feinster Darbietungsform! Dumpfe, lavaartige Soundwände werden von wilden Ausbrüchen unterbrochen, ein heißes Eisen! Tief gestimmte Klampfen, prägnantes Riffing und viele Tempowechsel zeichnen die Songs aus. Wenn dieses Sludgemonster einmal seinen Arm nach dir ausgeworfen hat, kann man sich dem anregenden Gedröhn kaum mehr entziehen. Ja, es macht Spaß.
[Stephan Voigtländer]

STONEBRIDE als Kroaten sind hier die Exoten, sind sichtlich überrascht, als sich ungelogen das gesamte Festivalaufkommen vor der Bühne sammelt. Das hat zum einen den Grund, dass draußen der bisher schwerste Regensturm tobt, zum anderen auch die Tatsache, dass die Band schnörkellos und soundunterfüttert ein schweres Gewitter aufziehen lässt. Alle drängen sich in die Nähe des lauten Vierers, die seltsam torkelnden Bewegungen des Sängerleins sorgen für Besorgnis bis Freude über den eigenen Tanzstil. Damit überbrückt er die zum Teil etwas langatmigen Zwischenpassagen - aber auch diese Truppe ist Nachbesuche in Hallen der jeweiligen Nähe wert.
Die meisten gehen, ich bleibe stehen, mehr aus Bequemlichkeit, Autobier bedeutet wieder Weg. Danke, Bequemlichkeit, denn so erlebe ich mit ALIX (Konzertmitschnitt) eine meiner Live-Entdeckungen des Jahres. Innerlich noch leicht belustigt über die abgehärmte Frau, die sich da das Mikrofon zurechtzuppelt, entschuldige ich mich später innerlich und aufrichtig für dieses Gebaren. Denn vom ersten Ton an - mein Mittagsruhe-haltender Zeltnachbar wird von der Basslinie der Italiener aus seinem Kissen gekugelt - gehen hier fein eingefädelter Rhythmus und spielerische Ideen gepaart mit einer hier noch nicht gehörten Genrebreite einher. Ich lasse mich mitreißen wie wirklich alle Dagebliebenen, die Bologneser können ebenso durch ihre sehr offene Art viele Punkte sammeln. Als der eigentliche Basser sich auch noch eine Slidesoutherngitarre greift und das eigentlich bremsende Spiel dieses Instruments in weiterhin sehr treibende Stücke einintegriert, haben die ganz und gar gewonnen. Die Überraschung dieses Festivals. ALIX bringt spielerisch ein so hohes Niveau mit - was soll da nun kommen?
[Mathias Freiesleben]

Nach Kroatien und Italien führt uns die Reise quer durch ganz Europa gen Sverige. SUMA (Konzertmitschnitt) heißt das Brett, die Band geht noch eine ganze Ecke roher und impulsiver zur Sache als STONEBRIDE (was ALIX so trieben, entzieht sich leider meiner Kenntnis) - der Schwedenhaufen zelebriert ein wüstes Klanginferno. Man kann das als ein wenig zu ausufernd und gleichförmig empfinden, aber in punkto Intensität und Brachialität sind SUMA damit ganz weit vorne. Auf jeden Fall scheint der Auftritt der Schweden zu polarisieren, wie sich in den Gesprächen danach zeigt. Gesprächsstoff bietet auf jeden Fall auch der Sänger, der (mal wieder) eine ganz eigene Darbietung zeigt. Von apathisch bis abgedreht, vollführt er diverse Verrenkungen, während seine Instrumentalfraktion sich einen dazu abschrubbt. Weird! Das ist auf jeden Fall mit die dickste Wand, die während der zwei Tage über die Audienz hereinbricht. Fett, aber auch etwas spannungsarm.
[Stephan Voigtländer]

SUMA kommen mit einer seltsamen Performance am verregneten Nachmittag. Eine eigentlich überzeugende Liveband, mir gut bekannt von Gigs in Leipzigs dunklen Kellern, erntet an diesem Tag keinen wirklichen Zuspruch und wirkt zu dieser Stunde irgendwie deplatziert, mal ganz abgesehen von der eigenwilligen Sänger-Performance zwischen imaginärer Handauflegung, Schattenboxkampf und sichtbar werdender Wahnsymptome - ich glaub, er hat mich verhext mit Halsaustrocknungszauber, ich bin schon wieder durstig und steuere in Richtung Getränkequell. SUMA sind eingängig, wenn auf Dauer doch etwas eintönig. Vielleicht liegt einigen noch die vergangene Nacht im Gebälk, dicht zusammengedrängt sucht jeder einen Schlupf vor der Brühe, die sich wie aus Eimern auf die Besucher niederschlägt. Die Leute sind ob des miesen Wetters eher am überlegen, wie sie trockenen Fußes über den schlammigen See hinüber zum Bierzelt gelangen können. Und neben mir göbelt ein Hüne im Ausfallschritt einen dicken Strahl in den Matschpfuhl - nur um sich danach kurz zu schütteln und in Richtung Bierbar zu straucheln. Meine Herrn, das nenne ich Druckbetankung!
[Marietta Harz]

Die rotblonde SUMA-Brigade hatte hinter mir gestanden und sich unausgeschlafen wahrscheinlich musikalische Fachsimpeleien zugewikingert, zum vorherigen fast feingliedrigen Auftritt der Italiener ein derber Kontrast. Da greint ein Typ auf die Leute herunter, der sich - Alleinstellungsmerkmale suchend - kaum bewegt, in seinen ganz verrückten Momenten den Mitmusikern Zauberlehrlingsstrahlen entgegenschleudert. Naja, der Showanteil nimmt wieder zu, die Passagen dieser soundtechnisch hervorragenden Band wähne ich trotzdem für zu langatmig. Dann zum Ende knallt das mal richtig, und SUMA sind für viele Besucher flugs zum Höhepunkt gereift. Ich habe das mit Abstand betrachtet.
Huihui, auch Schweden, und hui, wieder ein großer Kontrast. SIENA ROOT (Konzertmitschnitt) betreten, nein gewändern die Bühne. Die Kauze haben dieses Mal einen Sängerin namens Cecilia zur Begleitung erwählt, die späteren Gespräche am Merchandise-Stand lassen durchgehende Seltsamkeiten im Bandgefüge erahnen. Egal, was hier nun passiert, ist Musik, wie man sich diese wünscht: auskomponiert, überraschend variabel, frickelnd und altbacken einlullend, dabei so gnadenlos einnehmend. Grandios. Schnell, zu schnell vorbei. Ganz nebenbei liefert besagte üppig beholzte Cecilia ein Stimmvolumen, das einem das bunte Stirnband nur so von der Glatze fetzt.
[Mathias Freiesleben]

An BLACK SABBATH erinnernd, gewaltig und irgendwie einfach passend zu diesem Zeitpunkt des Festes. Der bärtige Gitarrist von SIENA ROOT bringt die Leute im Handumdrehen zum Toben, als Sängerin Cecilia derart stimmgewaltig ihren Einsatz bringt, wabert die Masse glückselig, ich bin hin und weg und am Dauergrinsen ob dieser großartigen Musik, die wie eine bunte Hippiewelle durchs Zelt wabert. Cool. Man stapft, man tänzelt, brüllt und feiert - zufriedene Gesichter und volle Bierbecher, wohin der betäubte Blick in der Menge schweift. SIENA ROOT sind Profis, die zur Mucke ständig neue Inspiration in Form wechselnder Sangesparts suchen. Psychedelisch in Gestalt und Farbe fördern diese entspannten Typen richtig gute Mucke zu Tage.
[Marietta Harz]

Eine Eigenart bei SIENA ROOT scheint zu sein, dass bis kurz vor dem Auftritt nicht feststeht, wer denn den Gesang übernimmt. Glücklicherweise scheint man sich dann immer noch auf jemanden zu einigen - dieses Mal ist es die bereits genannte Cecilia, die eine perfekte Intonierung der Songs bietet. Als sicherlich die psychedelischste Band im gesamten Billing ziehen SIENA ROOT eine ganze Schar an bunt gekleideten Menschen an ... und bieten eine erstklassige Show. Coole Songs voll 70er-Flair mit flirrenden Melodien entfachten ein hohes Maß an Begeisterung im Publikum. So muss Psychedelic Rock klingen - sehr fein. Und passend zur musikalischen Untermalung zeigt sich zum Schluss am Firmament quasi wie auf Bestellung sogar noch ein Regenbogen.
Als nächstes wird klar, dass DOOMRAISER, die nun eigentlich anstehen würden, nicht spielen werden. Wie gerüchtet wird, hat sich ein Bandmitglied beim Einsteigen in den Tourbus das Bein gebrochen. Dinge gibt's, die gibt's gar nicht. Wenn solch ein Malheur so kurzfristig passiert, kann es natürlich keinen Ersatz mehr geben, aber immerhin dürfen die nun folgenden Bands alle ein paar Minuten länger zocken. Und das ist doch auch nicht zu verachten...
[Stephan Voigtländer]

Der nächste Riese folgt zugleich. Als ich die Band LONG DISTANCE CALLING endlich einmal erleben darf, muss ich daran denken, wie sehr diese Platte bei Teilen der POWERMETAL.de-Redaktion eingeschlagen ist. Post Rock - oder wie auch immer - kann ja auch sehr monoton ermüdend daherklimpern und somit seinen Reiz auf Bühnen verlieren. Die deutsche Band hier aber macht diesen Fehler nicht, sondern gönnt sich neben einem immer präsenten Schlagwerk auch die ein oder andere laute Attacke. Fein gebaute Struktursongs, das überzeugt von vorn bis hinten.
[Mathias Freiesleben]

LONG DISTANCE CALLING scheinen momentan echt auf dem Vormarsch zu sein und sich zu einer angesagten Band, auch außerhalb der Szene, zu mausern. Und sowohl auf ihrem neuen Album "Avoid The Light" als auch in der Liveform machen die Münsteraner echt was her. Der Instrumental-Rock des Fünfers kann in Sachen Intensität und Eingängigkeit höchsten Ansprüchen genügen. Sie zocken konzentriert und manchmal nahezu in der Musik versunken ihre Songs, haben aber noch soviel Witz in den Backen, dass man um humorige Ansagen oder auch einen kurzen DEEP PURPLE-Einschub inmitten eines ihrer eigenen Songs nicht herumkommt. Beeindruckende musikalische Darbietung einer aufstrebenden Band.
[Stephan Voigtländer]

Nachfolgend betreten die Niederländer von TROY TORINO (Konzertmitschnitt) die Bretter. Der betagte, aber dementsprechend auch routiniert agierende Sänger wird von einem Geschwader klassischen Rocks unterfüttert. Trotzdem ein Routineauftritt, viele sind da geblieben und feiern die Fünf gehörig ab.
[Mathias Freiesleben]

Ich bin mich umziehen gewesen, wie viele andere auch. Kalt ist es geworden und KARMA TO BURN (Konzertmitschnitt, und noch einer) kommen. Wer hätte das mal vermutet. Dass die noch mal wollen. Seit der ersten Note zeigen sich auch diese drei Herren äußerst überrascht, was da zu ihren Füßen passiert. Die gefühlten ersten zwanzig Reihen nämlich verhärten den Ausflugsrasen hier durch euphorisches Springen, Tanzen, Diven, Umfallen und was auch immer. Ein Geschubse und Gerammel von der ersten Minute an, der DRIVE BY SHOOTING-Basser hüpft mir auf den Nacken, "Natürlich hebe ich dich hoch!!! - Hoch sollst du leben!", später wird er sich mit einer Räuberleiter bei mir revanchieren. Quer auf der Menge liegend und durchgeschwitzt, die letzten Euros in der dunklen Masse da unten verloren, weiß man, dass bisher alles richtig war. Viele vollkommen glücklich Gesichter fliegen unter, über, neben vor mir vorbei, ab und zu sehe ich meinen Zeltnachbar und gleichzeitigen Cousin an mir vorbeisegeln, bevor ihn ein weiterer Euphoriker selig lächelnd in freundschaftlichen Schwitzkasten nimmt.
Stolpernd, ein Sauerstoffzelt wünschend, erreiche ich bis zum Knie in Schlamm gehüllt die sporadische Unterkunft, leere eine Riesenflasche Mediumwasser und fahre mit SONIC YOUTH herunter. Steige in das Zelt, wo ein zufriedenes Schnarchen mich empfängt. Er ist gerade dem freundlichsten Schwitzkasten der Welt entronnen.
[Mathias Freiesleben]

Bei KARMA TO BURN toben die Massen, denn die Amis feuern ihren energetischen (Wüsten-)Rock mit Brachialgewalt ab. Die Band aus West Virginia ist ein rein instrumental agierendes Trio - eine Kombination die musikalisch fast zwangsläufig funktionieren muss, zeichnen sich doch sowohl Drei-Mann-Bands als auch reine Instrumental-Kapellen häufig durch eine hohes Maß an Spannung und erfrischender Gradlinigkeit im Sound aus. So auch hier - die tollen Songs verfehlen ihre Wirkung nicht, wie man den euphorischen Reaktionen des Publikums entnehmen kann. Hier vereinen sich psychedelischer Flair und kraftstrotzendes Abgerocke zu einer packenden Mischung, die zum aktiven Verweilen einlädt.
[Stephan Voigtländer]

Zu später Stunde bauen die werten Mannen mit dem Affenlogo erstmal in aller Ruhe ihr Schlagwerk auf, man freut sich ob der zu erwartenden Darbietung. Was dann kommt, ist in gewisser Weise ein Kontrastprogramm zum gerade erlebten Wahnsinn. Bei MONKEY 3 (Konzertmitschnitt) folgt man den ausladenden Songs und ausufernden Riffs eher wie in Trance als in wilder Bewegung. Mitreißend ist das Gebotene trotzdem, denn die Songs sind Klanglandschaften, in die sich die Musiker geradezu hineinzusteigern scheinen (teilweise in fünf bis zehn Minuten langen, gleichbleibenden Sequenzen). In den sphärischen, oftmals sogar hypnotischen Melodien kann man regelrecht versinken. Aber es ist schon wahnsinnig laut aufgedreht und malträtiert die Ohren nicht unerheblich, aber das muss auch so sein, damit dieser Tornado der tobenden Töne auch in die hintersten nassen Winkel des letzten Zeltes hineindringt. Ohrenbetäubend gut! Frühzeitige Nachtruhe sei hier keinem gewährt. MONKEY 3 bilden zwar zeitlich das Schlusslicht des Festivals, aber Musik-technisch sind sie ganz, ganz weit vorne. Voll betankt mit Euphorie und Bier schlüpfen wir danach in das, was der Regen von unserer mobilen Behausung, die bereits über 20 Festivals überstand, noch übrig gelassen hat.
Die Verbliebenen, die dieser betörende Sound noch nicht zu Boden gerungen hat, rappeln sich auf, um DJ Walter und seinen musikalischen Rausschmeißern Gesellschaft zu leisten.
[Marietta Harz & Stephan Voigtländer]

Fazit eines rundum gelungenen Festivals: Das Wetter war insgesamt durchwachsen und ließ mehr als einmal vollkommen durchnässt zum Zelt patschen. Dafür war die Bandauswahl dieses Jahr sehr ausgewogen und vielfältig - kein Genre war überpräsent und die Qualität der Bands war durchgehend gut bis sehr gut. Das Stoned From The Underground ist definitiv das beste Sommer-Stoner-Festival Deutschlands, überrascht immer wieder mit ungekannten Perlen und ist somit eine tolle Sache für Fans. Entspannte Typen und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, so lässt es sich leben im Stoner-Land.
Einige Bands haben wir auch im Bild festgehalten, eine sehr gelungene Fotogalerie findet ihr auch bei www.der-wenz.de (Freitag, Samstag).
[Stephan Voigtländer]

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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