Rock im Revier - Gelsenkirchen

14.06.2015 | 18:26

29.05.2015, Veltins Arena

Zugegeben: Es herrschte viel Trubel im Vorfeld des dreitägigen Metal-Spektakels ROCK IM REVIER. Dennoch liefern die Headliner METALLICA, MUSE und KISS super Shows. Und auch über die restlichen Bands sowie die Organisation gibt es nicht viel zu motzen. PM.de berichtet von der Erstausgabe des Festivals.

31. Mai 2015 - Tag 3

Der dritte ROCK IM REVIER-Tag ist für mich das Highlight. KISS und JUDAS PRIEST an einem Tag auf einer Bühne - der Wahn! Das scheinen Viele ähnlich zu sehen, da der heutige Tag wieder wesentlich besser besucht ist als gestern. Bereits bei ACCEPT sind ungefähr so viele Leute vor der Big Stage wie am Vortag beim Headliner MUSE. Im Publikum sieht man auch wieder wesentlich mehr Rocker und Metaller - glasklar, bei dem Line-Up auf der Hauptbühne.

HELLYEAH kann ich mir beim besten Willen nicht antun, also geht es erst mit ACCEPT so richtig los. Die deutsch-amerikanische Freundschaft erfreut sich, wie erwähnt, eines großen Publikums. Das zehn Song starke Set wird mit 'Stampede' mehr als kraftvoll begonnen. Die Fans der Heavy Metal-Legende nehmen den neuen Track mit viel Freude auf. Überall sieht man in die Luft geballte Fäuste und Headbanger in den ersten Reihen. Sänger Marik Tonillo macht einen mehr als guten Job. Zusammen mit Gitarrist Wolf Hoffmann und Bassist Peter Baltes bildet man den Mittelpunkt der Show. Das Trio wirft sich gekonnt in Pose und spielt mit den Kameras sowie den Fans. Besonders Hoffmann weiß sich in Szene zu setzen und bindet sein Publikum bei seinen Soli mit ein, indem er oft Pausen macht und das Publikum seine Melodie nachsingen lässt. Besonders alte Klassiker wie 'London Leatherboys', 'Metal Heart' (dessen Solo extrem in die Länge gezogen wird durch Hoffmanns Publikumsanimation) oder natürlich die unsterblichen ACCEPT-Hymnen 'Fast As A Shark' und 'Balls To The Walls' sorgen für Begeisterungsanfälle bei den Fans. Nach Letzterem verabschiedet sich die Band nach etwas mehr als einer Dreiviertel Stunde von ihren Fans.

Warum FIVE FINGER DEATH PUNCH nach einer Legende wie ACCEPT spielt, bleibt mir wohl ein Rätsel. Dennoch haben die Modern Metaller einige Fans versammelt in der Veltins Arena. Der stampfende Metal der Amerikaner in den End-90er-Nu-Metal-Outfits kommt besonders bei den jüngeren Fans gut an, die sich im Moshpit austoben. 'Under and Over It' ist direkt zu Beginn ein mitreißender Track, der für viel Applaus und Jubel sorgt. Sänger Ivan Moody ist sehr kompetent im Umgang mit seinem Publikum und weiß dieses zu unterhalten. Cooler wirkt nur Bassist Chris Kael, der scheinbar jede Rock'n'Roll-Pose beherrscht und dadurch zu einem richtigen Blickfang avanciert. Persönlich finde ich den Sound der Rocker auf Dauer etwas eindimensional, da täuschen auch keine Balladen drüber hinweg. Mir fehlt es etwas an prägnanten Melodien, die vergleichbare Bands wie AVENGED SEVENFOLD auffahren können. Gut gemacht ist jedoch das BAD COMPANY-Cover 'Bad Company'. Befremdlich hingegen, dass eine Band, die mittig im Billing platziert ist, eine Pause für die Zugabe einlegt. Aber naja, die Gruppe ist da wohl anders gewohnt. Nach einer knappen Stunde ist Schluss und man gibt die Bühne für "the almighty JUDAS PRIEST" frei.

Auf Rob Halford und Co. habe ich mich schon Wochen vorher gefreut. Geplant war eigentlich ein Trip nach Hamburg, um die Metal Götter endlich einmal live zu erleben, doch da Gelsenkirchen wesentlich näher für mich ist, wurde ROCK IM REVIER natürlich vorgezogen. 'Battle Cry' läuft (leider nur) vom Band ab und dient JUDAS PRIEST als Einmarschhymne. Mit 'Dragonaut' startet man mit viel Schwung in das 75 Minuten lange Set. Die Briten machen einen guten Eindruck, besonders Gitarrenneuzugang Richie Faulkner ist eine Rampensau und geht mit wesentlich mehr Elan vor als der Rest seiner Truppe - was jedoch auch am Altersunterschied liegen wird.

Ab 'Metal Gods' taut auch Halford auf und bewegt sich über die gesamte Bühne. Der Metal God himself bewegt sich gewohnt langsam über die Bühne, kann aber stimmlich voll und ganz überzeugen. Ich bin sogar mehr als positiv überrascht, wie gut der Mann die Töne trifft. Klar, im Laufe der Show sieht man ihm die Anstrengung an und sicherlich ist es von Vorteil, dass er bei 'Hell Bent For Leather' auf einem Motorrad sitzt und so etwas verschnaufen kann. Jedoch ist es ebenso offensichtlich, dass Halford Spaß an der Show hat und es sich und allen anderen noch einmal beweisen will. Daher wohl auch der vermehrte und treffsichere Einsatz der Kopfstimme. Bei Klassikern wie 'Turbo Lover' oder 'Breaking The Law' lässt der Sänger sich jedoch vom Publikum unterstützen.

Das Konzert lässt Klassiker auf Klassiker folgen. Vereinzelt spielt die Band Songs vom aktuellen Werk "Redeemer of Souls", die sich ebenfalls bestens in die Show integrieren. 'Hell Bent For Leather' beendet den regulären Teil des Auftritts, bevor 'The Hellion' in 'Electric Eye' überleitet. Im Anschluss ertönt das geniale Drumintro zu 'Painkiller' - Gänsehaut! Hier strauchelt Halford zwar etwas bei dem durchgängigen Gebrauch der Kopfstimme, aber geschenkt - immerhin ist der Song 25 Jahre alt und der Metal God schlägt sich tapfer. Der Rocker 'Living After Midnight' ist dagegen wieder ein Klacks für ihn und beendet ein wirklich super Konzert. JUDAS PRIEST ist wesentlich stärker als man vielleicht vermutet. Anschauen lohnt sich!

Dieses super Konzert wird noch einmal gesteigert von der perfekt durchgeplanten Show der wohl bekanntesten "Gesichter" der Menschheit, KISS. Wer einen Hit der Marke 'Detroit Rock City' als ersten Song spielen kann, der muss noch einige Schwergewichte im Gepäck haben. Paul Stanley, Gene Simmons, Tommy Thayer und Eric Singer wissen, was eine Rock'n'Roll-Party ausmacht. An allen Ecken und Enden knallt es, wird Feuer in die Luft geschossen oder sonst irgendein Showelement verwendet. Der Drumraiser steigt ungefähr 15 Meter in die Höhe, um Singer einen erstklassigen Blick über die Fans zu verschaffen. Die Lichtshow übertrifft alles bisher gesehene bei ROCK IM REVIER. Einen besseren Abschluss für ein Festival als KISS kann man sich wohl kaum wünschen.

Die Setlist besteht aus den üblichen Klassikern, die die Band seit ungefähr 20 Jahren durch die Weltgeschichte schicken. Im Set sind wohl nur zwei, drei Positionen austauschbar. Ich hatte im Vorfeld sehr auf die "Hot In The Shade"-Nummer 'Hide Your Heart', welche dieses Jahr in den USA wieder häufig auf den Konzerten gespielt wurde, gehofft. Leider werde ich "enttäuscht": Einzige Nummer aus der ungeschminkten Phase ist das knackige 'Lick It Up', welches durch diverse Showeinlagen auf ungefähr sieben Minuten ausgeweitet wird. Dafür ist positiv zu vermerken, dass KISS direkt drei Songs von "Creatures of the Night" spielt: Den erstklassigen Titelsong, das von Bryan Adams mitkomponierte 'War Machine' und das fetzige 'I Love It Loud' sind super Ergänzungen in der Setlist und zumindest die letzten beiden auch nicht alltäglich im KISS-Set.

Leider ist Paul etwas schwach bei Stimme, was man besonders in der Strophe von 'I Was Made For Loving You' bemerkt. Dafür kann Genes Gesang über die volle Distanz überzeugen. Sonst lässt sich über die Performance nichts Schlechtes sagen. KISS hat die Showabläufe in mehr als 40 Jahren perfektioniert. Gene spuckt Feuer und Blut, fliegt bei 'God of Thunder' in einen Käfig weit über der Bühne, Paul tanzt lässig wie in den 1980er Jahren, auch Tommy bewegt sich lässig über die Bühne und wirkt absolut cool bei seinen Soloeinlagen.

Nach 'Black Diamond', welches von Singer mehr als ordentlich vorgetragen wird, verabschiedet sich die Rocklegende. Wenig später geht man natürlich noch für eine Zugabe erneut auf die Bretter. 'Shout It Out Loud' macht den Anfang. 'I Was Made For Loving You' folgt und - wie könnte es anders sein - 'Rock and Roll All Nite' dient als Schlussakt. Paul zertrümmert seine Gitarre, während Gene und Tommy auf ausfahrbaren Podesten über dem Publikum schweben und Eric mit seinem Drumkit wieder hoch oben in der Luft steht. Ein grandioses Ende!

Auch für ROCK IM REVER geht es zu Ende. Man will trotz etwas geringem Zuschauerzuspruch 2016 weitermachen. Wünschenswert wäre es, dass dieses tolle Festival in eine zweite Runde geht. Mein Tipp wäre allerdings, dass man sich vielleicht doch eher auf härteren Rock und Metal spezialisiert und Alternative/Indie-Bands wie THE HIVES nicht einlädt. Der zweite Tag fiel musikalisch zu weit aus dem Rahmen für den durchschnittlichen Besucher. Tag 1 und 3 waren ja gut besucht, litten aber sicherlich auch daran, dass eine Woche vorher in Gelsenkirchen das Rock Hard Festival stattfand und eine Woche später Rock am Ring. Das sind zu viele Festivals in drei Wochen, die eigentlich ein ähnliches Publikum ansprechen. Und noch zieht Rock am Ring die Leute alleine wegen des Festivalnamens. ROCK IM REVIER hat jedoch das Potenzial, sich in den nächsten Jahren zu etablieren.

Redakteur:
Sebastian Berning

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