Rock Harz 2010 - Ballenstedt

02.08.2010 | 13:08

08.07.2010, Flugplatz

Ein Festival wächst und wächst - aus gutem Grunde: drei Tage Dauerbespaßung!

Freitag,  09. Juli 2010

Was für ein Sommer. Alle, die vor Wochen noch nach dem Sommer schrien, bitte kollektiv in die Sonne stellen. Eine Woche lang. Bereits in den späten Vormittagsstunden ist es kaum auszuhalten. So ist es kein Wunder, dass das berühmt-berüchtigte H2O zur wichtigsten Flüssigkeit aufsteigt. Bier? Hau ab!



Bis MONO INC. unseren Tag eröffnen, heißt es durchhalten. Dafür spendieren uns die netten Hamburger auch einen starken Gig. Mit dem obligatorischen 'This Is The Day' begeistern die Düster-Rocker nicht nur Schwarzkittel, sondern auch die Langhaarfraktion (oder haben die doch schon wieder ein paar Blonde hinter sich?). 'Temple Of The Torn' und der Klasse-Titeltrack der aktuellen Scheibe "Voices Of Doom" lässt die Fans vor der Bühne tanzen und schunkeln. Leider ist das Mikro von Frontmann Martin Engler saumäßig eingestellt. Viel zu laut schmettert er daher auch eine ruhige Ballade wie 'If I Fail' oder das rockige 'Sleeping My Day Away' ins weite Rund.

Der Sänger erzählt von MONO INC.-TV und davon, dass auch das Rock-Harz-Festival Teil der Reihe sein wird. Dann mal schön alle die Hände in die Luft! Mit dem Hit 'Get Some Sleep' und einem herumrennenden Frontmann, der mal eben auf die zweite Bühne geht, endet der tolle Auftakt in den Tag.

Nun steigt die Spannung. Zwar haben EQUILIBRIUM mit ihrem neuen Frontmann Robse Dahn schon einige Shows gespielt, doch die Augen des Schreibers haben sie mit der neuen Besetzung noch nicht gestreift. Doch bevor es losgeht, erreicht ganz langsam ein großer Feuerwehrwagen den Bereich neben der Bühne. Was ist denn nun los? Plötzlich steigt ein Mann auf das Dach des Wagens, in seiner Hand ein riesiger Schlauch. Und Just, als das Intro erklingt, eröffnet der Feuerwehrmann das Feuer bzw. öffnet den Schlauch. Was für eine Fontäne. Was für eine Stimmung! EQUILIBRIUM samt Fronter Robse stürmen die Bühne und legen mit 'In heiligen Hallen' furios los. Der Sound ist stark und die Feuerwehr gibt den nassen Fans weiterhin Saures. Geil!

Schon nach wenigen Songs ('Blut im Auge', 'Heimwärts') darf man Robse attestieren, dass er live wirklich eine Macht ist. Seine Stimme ist zwar tiefer, jedoch dadurch viel präsenter und livetauglicher. Endlich sind die Tage des dünnen Schreigesangs zu Ende. Es ist Eierzeit! Robse wirkt zwar noch etwas angespannt, doch er hat sichtlich Spaß (spät am Ende wird er sagen, dass dies sein bester Gig mit EQUILIBRIUM gewesen sei), denn die Fans gieren nach Party. Also schenkt er ihnen eine Wall Of Death und "irgendwas mit Affen". Nach der 'Affeninsel' gibt es mit 'Met' noch ein Trinklied, bevor mit 'Unbesiegt' das große Finale ansteht. Hier hat Robse wieder den Lacher auf seiner Seite. Als er das Mikro fallen lässt, kommentiert er lässig "Epic Fail"! Genau.

Nach so viel Party wird es nun mit den Niederländern von DELAIN vor der Bühne etwas übersichtlicher. Aber die Männer lassen es sich nicht nehmen, trotz Old-School-Kutte und 35 Grad näher an die Bühne heranzurutschen. Denn Frontfrau Charlotte Wessels kann sich sehen lassen und geizt heute nicht mit Haut.

Zwar ist der Träller-Metal nix Neues und erinnert in vielen Momenten an die Landsmänner (und Frauen) von WITHIN TEMPTATION, doch Songs wie 'Stay Forever', 'The Gathering' oder 'Control The Storm' machen Laune. Vorausgesetzt, man lümmelt mit einem kühlen Getränk in einem schattigen Plätzchen herum.

Nachdem es mittlerweile im Minutentakt Wasser aus den Schläuchen gibt und man sich fragen muss, ab wann der Bereich vor der Bühne zu einem Schlammmeer mutiert, ist es nun wieder Zeit, mit der Kutte an die Bierbar zu wandern, um sich für RAGE in Stimmung zu bringen. Obwohl das Publikum beim Rock Harz eher jung ist (um die zwanzig Jahre im Schnitt), haben sich extrem viele Menschen für die Metalheroen vor der Bühne eingefunden.

Mit 'Soundchaser' legt das Ruhrpotttrio stark los, und auch Peavy ist wie immer prima aufgelegt. Seine nette und sympathische Art macht so manchen Sonnenstich vergessen. Es folgt eine starke Dreiviertelstunde Metal zum Zungeschnalzen. Ihr jungen Hüpfer, schaut hin, das ist Musik mit Hand und Fuß. Sei es ein harter Track wie 'War Of The Worlds', das orchestrale 'Empty Hollow' oder die Mitsinghymne 'Set This World On Fire' – das Trio hat die Fans im Griff und beschließt sein Set mit den Überhits 'Higher Than The Sky' und 'Down'. Kann diese Truppe überhaupt ein schlechtes Konzert spielen?

Setlist RAGE:
Soundchaser
Hunter And Prey
Into The Light
Drop Dead
Empty Hollow
War Of The Worlds
Set This World On Fire
Higher Than The Sky
Down

Nach viel Melodie wird direkt im Anschluss der Hammer aus der Kiste geholt. Die polnische Dampfwalze VADER hat angekündigt, die Wiesen des Harzes umzukrempeln. Also werft den Motor an, es gibt genug Arbeit. "Hallo Sachsen, Germany! (nur blöde, dass Ballenstedt in Sachsen-Anhalt liegt) Alles bereit?", fragt Peter und legt brachial los.

Wo zuvor noch ein Lächeln und ein nettes Winken für die Fotografen waren, erhebt sich nun der blanke Hass. Doch nach jedem Song schaut sich Peter freudestrahlend um und zeigt seine Dankbarkeit mit einigen Deutschkenntnissen. Granaten wie 'Black To The Blind' oder 'This Is The War' ballern alles in Grund und Boden. Die Meute headbangt, was das Zeug hält, und lässt sich auch von der immer noch grausam scheinenden Sonne nicht vertreiben. Nach 45 Minuten Donnerwetter verabschieden sich Peter und seine Jungs mit "Auf Wiedersehen, Sachsen!" Auch beim zweiten Mal kultig.

Nach so viel unverständlichem Geballer ist der gemeine Fan wieder froh, im Anschluss mit OOMPH! wieder die Vollbedienung in der ohrenfreundlichen Muttersprache zu erhalten. Die Braunschweiger Truppe hat sich über die Jahre eine riesige Fanbasis erspielt, was heute zum Tragen kommt. Bei dem sehr hohen Metalanteil musste man im Vorfeld befürchten, dass Gothic-Acts eher belächelt als besucht werden. Doch nix da! Rappelvoll ist es, als Dero und seine Crew mit 'Beim ersten Mal tut's immer weh' die Bühne betreten. Sofort herrscht Stimmung im weiten Rund.

Dero macht wieder jede Menge Faxen und sorgt für gehöriges 'Fieber'. Doch 'Wer schön sein will, muss leiden' – ohne Fleiß, kein Preis. Und ohne Energie kein 'Sex'. Also erhebt eure müden Leiber, es ist Zeit für die 'Revolution'!

Ein echter Hitalarm erklingt auf dem Rock Harz. 'Gekreuzigt', 'Labyrinth', 'Gott ist ein Popstar' und natürlich der Überhit 'Augen auf!' dürfen nicht fehlen. Die Stimmung kocht, was nicht nur an den Temperaturen liegt. Dero macht seinem Unmut über die Rettung der Banken Luft und darüber, dass im gleichen Land Kinder verhungern: "Schäme dich, Deutschland!" Was folgt ist klar, 'Sandmann' dient dem Abgesang und dem großen Finale, denn Dero stimmt zum Abschluss mit den Fans gemeinsam 'Enter Sandman' von METALLICA an. Starker Gig, der überraschend positiv ankam.

Nun folgt eines der unumstrittenen Highlights des Festivals. Die Sonne geht langsam unter, rot präsentiert sich der Horizont und der Wein im Glase. THERION haben in letzter Zeit primär durch die vollzogenen Besetzungswechsel von sich reden gemacht. Vor allem die Trennung von der eingespielten Saitenfraktion hat viele Fans überrascht.

Aber Christofer Johnsson (mit kurzen Haaren!) ist Meister seines Fachs, daher wird er seine Gründe haben. Kurz vor Festivalbeginn wurde jedoch bekannt, dass Sänger Snowy Shaw seine letzten Auftritte mit der Band krankheitsbedingt nicht absolvieren kann. Daher muss Thomas Vikström nun beim Rock Harz beide Parts übernehmen.

Mit 'The Rise Of Sodom And Gomorrah' legen THERION gleich fulminant los, schießen 'Son Of The Sun' direkt hinterher, bevor mit 'Lemuria' ("Ein Song über Wasser. Wo ist der Feuerwehrmann?") ein wenig Tempo herausgenommen wird. Was für ein Beginn. Wer dachte, THERION wären durch den Besetzungswechsel nur noch ein Schatten ihrer selbst, sieht sich schwer getäuscht. Die untergehende Sonne und die erträglichen Temperaturen tun ihr Übriges, um diesen Gig zu einem absoluten Highlight werden zu lassen. Songs wie 'Asgard', 'Ginnungagap' oder 'The Perennial Sophia' sind großes Kino, auch wenn sich nicht jeder Anwesende in die passende Stimmung versetzen lassen möchte. Augen zu und genießen!

"Time For Some Blood". 'The Blood Of Kingu' spritzt auf uns herab, bevor den Fans vor dem großen Finale mit 'Kali Yuga III' ein Song des kommenden Albums "Sitra Ahra" präsentiert wird. Als Abschluss wird wie immer 'To Mega Therion' zelebriert, bevor sich THERION unter lautstarkem Jubel in die Nacht verabschieden. Großartig!

Nun wird es laut, wild und chaotisch. KREATOR sind in der Stadt. Haltet eure Häuser fest, steckt die Jungen in die Keller und die Mädels in den Garten. Mille und seine Armee führen nichts Gutes im Schilde. Hass und Chaos sind ihr Credo! Alles anschnallen, es wird furios.

Nach einem zerstörerischen Beginn hat Mille seine 'Hordes Of Chaos' fest im Griff. Der Sound ist eine Wucht, das Publikum ein einziger Menschenklumpen. Arme, Beine und Köpfe fliegen durch die Luft, dass einem schon vom Zusehen schwindelig wird. 'Phobia' peitscht durch den Harz, dass die Wetterstation auf dem Brocken eine Unwetterwarnung herausgibt. Nur hat Mille niemand erzählt, dass das Rock-Harz-Festival im letzten Jahr bereits die Örtlichkeiten gewechselt hat. "Rock Harz, Osterode!" (wir befinden uns aber in Ballenstedt), faucht Mille und zündet mit 'Enemy Of God' das nächste Feuer.

"Wir haben jetzt unser viertausendstes Jubiläum, daher gibt es heute einige alte Songs für alte und neue Old-School-Metaller!" Na wunderbar! Dennoch gibt es mit 'Pleasure To Kill' oder 'Violent Revolution' die altbekannten Livegranaten in den Brustpanzer geschossen. "Jetzt will ich einen Moshpit sehen, Osterode-Style!" Autsch! Mille schnappt sich eine Flagge und wütet: "Seid ihr bereit, ihr Penner?" Was folgt ist klar: 'Flag Of Hate' sowie der fiese Rausschmeißer 'Tormentor'. Was für ein intensiver Gig! Fett, fett, fett!

Nach solch einem Inferno können MARDUK eigentlich nur verlieren. Oder besser: MARDUK verkommen leider zum Outro von KREATOR. Zwar zischen die Giftpfeile der Schweden ordentlich in den Venen, doch anstecken lassen sich nur wenige. 'Into Utter Madness' oder das knackige 'Panzer Division Marduk' sind ein guter Soundtrack für das Feierabendbier, aber Stimmung kommt nach der vorherigen Materialschlacht nicht mehr auf. Dennoch lassen MARDUK nicht locker und bringen den Abend professionell zu Ende.

 

Redakteur:
Enrico Ahlig

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