Rock Hard Festival 2016 - Gelsenkirchen

16.07.2016 | 12:37

13.05.2016, Amphitheater

Rock Hard Festival 2016 - Starke Headliner und massig Überraschungen!

Die Open-Air-Saison startet für viele Headbanger traditionell mit dem Pfingstwochenende und dem Rock Hard Festival. Seit etlichen Jahren - auch nach dem Abgang vieler Urgesteine und der Gründung des Deaf Forevers - stellt die Belegschaft des Dortmunder Magazins ausgerechnet in der "verbotenen" Stadt ein superbes Festival auf die Beine. Von up-and-coming-Acts bis hin zum Mainstream-Headliner bietet das Billing an drei Tagen genug Ohrenschmaus für viele metallische Spielarten.

Von SULPHUR AEON bis TURBONEGRO und von METAL CHURCH bis BLIND GUARDIAN sind allerlei Schmankerl auf den Brettern des Gelsenkirchener Amphitheaters zu Gast, um der feierwütigen Meute gehörig einzuheizen. Pünktlich um 15 Uhr geht es los und die erste Band des Festivals schickt sich an, die Sonne über dem Ruhrgebiet zu verdunkeln ...

 

SULPHUR AEON
Wie so oft beginnt des Festival mit einer zugkräftigen Band aus dem extremeren Spektrum. Heute also die Cthulhu-Anbeter SULPHUR AEON. Das Wetter kann man schon als ironisch betrachten, denn trotz mittelprächtiger Vorhersage beginnt die Truppe bei bestem Strandwetter. Aber wen kümmert das schon, wenn das Amphitheater so gut besetzt ist wie zu dieser frühen Stunde. Die Schlangen am Einlass erreichen indes Rekordlängen, weil halt jeder SULPHUR AEON sehen will. Und das vollkommen zu Recht. Der brachiale Sound darf guten Gewissens als solcher bezeichnet werden und die Szenerie wird regelrecht in Schutt und Asche gelegt. Mit den beiden genialen Werken "Swallowed By The Ocean's Tide" und "Gateway To The Antisphere" hat die Band aus Nordrhein-Westfalen immerhin zwei der besten Werke der jüngeren deutschen Death-Metal-Geschichte am Start und bringt die Songs im 40-minütigen Set mit einer Macht auf die Bretter, die ihresgleichen sucht. Ach, wenn doch nur jede Band mit zwei Langdrehern auf dem Buckel so dermaßen souverän, majestätisch und authentisch rüberkommen würde.

Was auf Konserve schon sehr gut klingt, dreht heute dem Publikum mit Leichtigkeit die Rübe ab. 'Abysshex' und 'Titans' vom letzten Output gehen von null auf hundert und haben ein Meer von Fäusten, schüttelnden Mähnen und gröhlenden Fans zur Folge, die sich auch im folgenden nicht von ihrer Begeisterung abbringen lassen. Besser als beim famosen Schluss 'Onwards ... Towards Kadath' geht es einfach nicht! Dieser Gig ist der erneute Beweis dafür, dass SULPHUR AEON mit zum besten gehört, was die Death-Metal-Szene (und das über Deutschland hinaus) zu bieten hat.

Setlist: Incantation, Abysshex, Titans, Swallowed By The Ocean's Tide, Inexarable Spirits, Gateway To The Antisphere, Onwards ... Towards Kadath

 

YEAR OF THE GOAT
Jede Band, die nach dieser Machtdemonstration auf die Bühne muss, hat es schwer, so viel steht fest. Also gibt es musikalisches Kontrastprogramm in Form von YEAR OF THE GOAT, die man als "beste aktive Okkult-Rock-Band" anpreist. Nun denn, der Studio-Katalog hat seine Highlights, jetzt folgt für viele Zuhörer inklusive meiner selbst die livehaftige Bewährungsprobe. Mit dem Titelsong der 2014er EP "The Key And The Gate" geht es dann auch flott und fröhlich los, die Stimmung und die Kulisse passen ausgezeichnet zum sommerlichen Sound der Schweden. Auch mit 'Spirits Of Fire' der ersten LP beweist die Band um Sänger Thomas Sabbathi ein gutes Gespür für den Flow des Auftritts. Endgültig will der Funke aber nicht überspringen, zumindest hält sich das anwesende Fan-Volk mehr zurück, als man es meinen würde. Eins und eins sind schnell addiert: Die Live-Qualitäten der Band können zumindest am heutigen Tag leider nicht mit dem bockstarken Studio-Output mithalten, von dem zumindest das Debüt "Angel's Necropolis" seinerzeit ein deutliches Ausrufezeichen in der Szene hinterlassen hat. Doch das ist letztlich Meckern auf hohem Niveau, denn am Freitagnachmittag gibt es bei kühlem Bier und herrlichstem Wetter schließlich schlimmeres, als sich YEAR OF THE GOAT anzuhören.

Setlist: The Key And The Gate, Spirits Of Fire, Pillars Of The South, Black Sunlight, Of Darkness, Vermin, Riders Of Vultures

 

SATAN
Der nächste Richtungswechsel könnte nicht krasser sein. Nach dem seichten Rock-Sound gibt es als nächstes eine wahrhafte Underground-Legende zu sehen und hören: SATAN, eine glücklicherweise wieder auferstandene Band der NWOBHM, hat neben einem großartigen Backkatalog ("Court In The Act", Freunde!) auch die beiden Werke der 2010er Jahre, "Life Sentence" und "Atom By Atom" am Start, um den letzten Funken Gemütlichkeit aus dem sesshaften Publikum zu vertreiben. Beim eröffnenden 'Trial By Fire' ist auch den Unwissenden schnell klar: Es geht um die Wurst. Mit den wieselflinken Leads des Duos Ramsey/Tippins, einer bombastischen Rhythmusgruppe (Graeme English am Bass und Sean Taylor an den Drums) und nicht zuletzt dem fantastischen Brian Ross am Gesang (auch bei BLITZKRIEG) legt die britische Truppe hier einen Start hin, der mir den Kiefer in Bodennähe drückt und auch das weiter vorne stehende Publikum im Handumdrehen in seinen Bann zieht. Verdammt, wie geil sind denn bitte auch Tracks wie 'The Devil's Infantry' live?

Dabei hat die Band ihre Mühe, voran zukommen, da sie in jeder Spielpause lautstark von "SATAN! SATAN!"-Sprechchören angefeuert wird. Ja sind wir denn hier beim KIT/HOA? Ganz gleich, ob neues Material oder eben die Klassiker der Frühphase: Jeder Ton sitzt, jeder Break knackt und auf den Rängen ist man sich nicht zu scheu, mit vollem Elan jede Nummer mitzugröhlen und dabei ein Luftgitarren-Solo nach dem anderen vom Band zu lassen. Für mich ist das einer der besten Gigs einer Band beim Rock Hard Festival der letzten Jahre und ein würdiger persönlicher Tagesabschluss. Wer will denn jetzt noch deutschen Thrash hören?

Setlist: Trial By Fire, Blades Of Steel, The Devil's Infantry, Twenty Twenty Five, Break Free, Atom By Atom, Siege Mentality, Oppression, Testimony

[Nils Macher]

 

TANKARD
Nun konnte der German-Thrash-Friday beginnen. Den Anfang machen Gerre und TANKARD, um gleich zu Beginn mit 'Zombie Attack', 'The Morning After' und 'Rapid Fire (A Tyrant's Elegy)' das Amphitheater in die richtige Stimmung zu bringen. Dass die Frankfurter Lausbuben dabei aber solch einen Sieg einfahren, überrascht selbst den Schreiber dieser Zeilen. Es wird gefeiert, getanzt, gebangt und gemosht, TANKARD zeigt sich in beeindruckender Form und Geburtstagskind Gerre bekommt zwischenzeitlich sogar ein kleines Ständchen vorgetragen. Bei bestem Festivalwetter und dem einen oder anderen Gerstensaft machen auch weitere Smasher wie 'R.I.B. (Rest In Beer)' und 'Chemical Invasion' unheimlich viel Spaß. Dass Gerre nebenbei ein Charmeur vor dem Herrn ist, beweist 'A Girl Called Cerveza' und als mit dem obligatorischen '(Empty) Tankard' schließlich der Auftritt zum Ende kommt, ist sich Gelsenkirchen einig: TANKARD ist einfach eine absolute Bank, eine Festivalband erster Güte und darf zurecht als Gewinner des heutigen Tages erkoren werden.

 

DESTRUCTION
German Thrash Metal, die Zweite! Nachdem TANKARD das Amphitheater schon in die richtigen Bahnen gelenkt hat, liegt es nun an Schmier und DESTRUCTION, die Meute bei bester Laune zu halten. Gleich zu Beginn schallen 'Mad Butcher', 'Life Without Sense' und 'Nailed To The Cross' aus den Boxen und dank des Mad Butchers himself bekommt der DESTRUCTION-Auftritt eine sehr authentische Note. Schmier hat kurz vorher auf seiner Facebook-Page einige Besonderheiten angekündigt, die bei 'Antichrist' auch eintreffen: Ur-Drummer Tommy Sandmann platziert sich mit seinem Drumkit neben Vaaver und schenkt dem Amphitheater zusammen mit Oliver Kaiser - ebenfalls mit eigenem Drumkit wie zu "Release From Agony"-Zeiten - ein durchaus nostalgisches Feeling. Einen Auftritt mit mehr als einem Drummer bekommt man auch nicht alle Tage zu sehen. Gekrönt wird der Gig durch Andy Brings, der bei 'Total Desaster' zur Klampfe greift, 'Black Metal', das zusammen mit Onkel Tom und Gerre zum Besten gegeben wird sowie 'Bestial Invasion', der einen denkwürdigen DESTRUCTION-Gig bei schönem Sonnenschein ausklingen lässt.

 

SODOM
Gerade noch 'Black Metal' ins Mikro gekeift, kehrt der Onkel mit seiner Stammkapelle zurück auf die Bühne, um diesem Bilderbuchfreitag für jeden Thrash-Liebhaber die Krone aufzusetzen. Begleitet durch zahlreiche SODOM- und WODOS-Rufe beginnt das Gelsenkirchener Trio Infernale mit 'In War And Pieces' und 'The Vice Of Killing'. Der Sound geht in Ordnung, die Songs kommen passabel rüber, doch für den gewissen Funken, den ein Freitags-Headliner auf dem Rock Hard Festival versprühen sollte, sorgen erst 'The Saw Is The Law', 'Nuclear Winter' und eine unheimlich fette 'M-16'-Darbietung. Der Knoten ist geplatzt, es wird gemosht, gebangt und auf das recht aktuelle 'Sacred Warpath' sowie den Klassiker 'Sodomy And Lust' angestoßen. Wie vorher bereits DESTRUCTION, holt auch SODOM mit Grave Violator einen alten Weggefährten auf die Bühne, der mit Bernemann an der Klampfe 'Blasphemer' sehr viel Druck verleiht. 'Agent Orange' ist im weiteren Verlauf eine sichere Nummer, 'Stigmatized' ein Brecher vor dem Herrn und 'Remember The Fallen' beendet schließlich das reguläre Set. Viel falsch machen konnte das Urgestein bei der Setliste nicht, obwohl Hits wie 'Der Wachturm', 'Bombenhagel' oder 'Aber bitte mit Sahne' das Publikum sicherlich abgefeiert hätte. Zumindest mit dem obligatorischen Abreißer 'Ausgebombt' kommt das Amphitheater nochmal auf seine Kosten und wird nach all dem Thrash in den wohlverdienten Feierabend entlassen. So wurde leider nicht nur lautstark SODOM, sondern, wie wir im Nachhinein feststellen mussten, auch das schöne Wetter für dieses Wochenende verabschiedet. Der erste Thrash-Tag hingegen hätte nicht besser starten können.

[Marcel Rapp]

Hier geht es zum zweiten Tag.

Redakteur:
Nils Macher

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