Rock Hard Festival 2009 - Gelsenkirchen

16.06.2009 | 01:00

29.05.2009, Amphitheater

Das gemütliche Festival der Kollegen vom Rock Hard hat sich dieses Jahr selbst übertroffen.

Zur Mittagsstunde ist der Bühnenvorplatz schon gut gefüllt. Die Anwesenden verstecken sich vor der Sonne im Schatten vor der Bühne. Auch auf den Tribünen tummeln sich schon einige Zuschauer. Obwohl EVOCATION auf den Brettern des Amphitheaters gut vor der Sonne geschützt sind, trägt Sänger Thomas Josefsson eine Sonnenbrille. Mit seinen Lederhandschuhen und den kurzen Haaren hat er Ähnlichkeit mit Alex Wesselsky von Eisbrecher. Seinen stark verkürzten Mikrophonstab zieren Totenköpfe. Nach dem Instrumental 'In The Reign Of Chaos' vom aktuellen Album "Dead Calm Chaos" folgt 'Fallen From Grace'. In den ersten Reihen stehen schon einige Headbanger. Auch bei 'Angel Of Torment' fliegen vor allem vorne die Haare. Danach flacht die Stimmung etwas ab. Bei 'Dead Calm Chaos' sind jedoch alle wieder da, zeigen die Teufelshörner und wippen mit dem Kopf. Langsam kommen immer mehr Fans ins Freilufttheater. Auf die Frage, ob EVOCATION den Zuschauern gefallen, bricht lauter Jubel aus. Ein Fan hält eine aufblasbare, blaue Gitarre hoch. Nach der Headbangnummer 'Tomorrow Has No Sunrise', 'Feed The Fire' und 'Razored To The Bone', bei dem EVOCATION die Nebelmaschine testen, werden die Schweden mit viel Applaus verabschiedet. Einige Bandmitglieder filmen das Publikum mit ihren Handykameras.
[Pia-Kim Schaper]

Setlist: In The Reign Of Chaos, Silence Sleep, Angel Of Torment, Veils Were Blown, Dead Calm Chaos, The Dead, Tomorrow Has No Sunrise, Feed The Fire, Razored To The Bone

Ausgiebig genutzt wird die Nebelmaschine dann bei GRAND MAGUS. Bei den ersten Songs pustet sie unermüdlich Qualm aus. Die schattigen Plätze vor der Bühne sind nun alle vergeben und auch die Tribüne füllt sich. Das Publikum rockt zu Songs wie 'Blood Oath' und 'Wolfs Return'. Der Bühnenvorplatz ist ein einziger Pulk aus Kopfwippern. Bei ruhigen Stücken ist jedoch kaum Bewegung drin. Auch die Band agiert statisch. Viel bewegen können sie sich aber nicht, da die beiden Gitarristen an ihre Mikros gebunden sind. Sänger Janne "JB" Christoffersson versucht, den Titel des nächsten Songs 'Iron Will' ins Deutsche zu übersetzen. Das Publikum geht bei dieser Nummer gut mit. Neben der blauen Luftgitarre geht jetzt auch eine rote in die Höhe. 'The Shadow Knows' ruft wieder viele Headbanger auf den Plan. Den Abschluss macht das rockige 'Kingslayer'. Auch GRAND MAGUS werden unter viel Applaus verabschiedet.
[Pia-Kim Schaper]

Nach dem tollen Album "Le Fol" der Norweger von AUDREY HORNE war ich doch recht gespannt darauf, wie die Jungs auf der Bühne rüberkommen. Die Antwort ist schnell gefunden: Unheimlich präsent und charismatisch. Beginnend mit 'Dead' vom 2005'er Album "No Hay Banda" wird ein intensiver Gig voller Rockstar-Attitüde, grungigen Rhythmen und einer interessanten Songauswahl eingeleitet. Nach GRAND MAGUS also genau das richtige. GM waren für mich übrigens absolut überzeugen, doch halt, ich schweife ab. Denn mit 'Confessions & Alcohol', 'Jaws' und 'So Long, Euphoria' werden tolle AUDREY-HORN-Songs in die Menge gefeuert, welche sich wie eine Herde Schafe im schattigen Bereich vor der Bühne zusammenfindet. Allerdings ist Stimmung keineswegs kühl, vielmehr wird geklatscht, getanzt und mitgefiebert. Mit 'Bright Lights' und einem "Toschie" Rød (Gesang) im Fotograben endet ein toller Auftritt einer Band, die von mir aus gerne ihr nächstes Album rausbringen darf!
[Julian Rohrer]
















Eine Band, für die obiger Satz auch gilt, ist HAIL OF BULLETS. Nach dem überzeugenden "... Of Frost And War" gabs ja bis jetzt mit "Warsaw Rising" lediglich eine EP, was bei einem Blick auf die Beschäftigungsverhältnisse der niederländischen Soldaten allerdings auch nicht wirklich überrascht. Trotz der martialischen Thematik und den aggressiven Arrangements sind HAIL OF BULLETS eine verdammt sympathische Band. Und genau diese Konstellation lässt den Übergang vom rockigen Grunge von AUDREY HORNE zum Geballer von HOB ohne allzu schwerwiegende Zäsur passieren. Der Mix aus groovendem Artilleriebeschuss und stakkato-artigem Maschinengewehrfeuer zündet folglich immens und die Leute gehen ab, während auf der anderen Flußseite gerade Tee und Kuchen gereicht werden. Aus dem Fundus an brutalem Songmaterial werden zwar keine Trümpfe in Form überraschender Momente gewählt, aber Songs wie 'The Crucial Offensive' machen eben doch jeden Auftritt der BULLETS zu einem echten Erlebnis. Nach den per se brutalen Klängen der Death Metaller wartet nun eine andere brutale Bands auf die Fans: DRAGONFORCE. Denn die sind ja weithin bekannt als brutal schnelle Band, was Pia?
[Julian Rohrer]

Setlist: General Winter, Red Wolves, Nachthexen, Stalingrad, The Crucial Offensive, Advancing Once More, Berlin, Ordered Eastward


Im Sampleintro von DRAGONFORCE werden sie als die schnellste Band der Welt angepriesen. Keyboarder Vadim Pruzhanov (Foto) springt während des ganzen Auftritts hinter seinen Tasten rum. Ab und zu kommt er mit einem rosanen, tragbaren Keyboard nach vorne geflitzt und springt auf zwei Trampolinen rum. Sänger ZP Theart stellt sich auf ein Egopodest. Dieses hat er jedoch gar nicht nötig; gegen Ende des Gigs springt er über die Absperrung und läuft auf die Tribüne, dicht gefolgt von einem Security-Mann. Dort angekommen fordert er die sitzenden Zuschauer auf, sich zu erheben und mitzumachen. Diese lassen sich jedoch lange bitten. Um seine Forderung zu unterstreichen, bespritzt er einige Fans mit Wasser. Beim letzten Song 'Through The Fire And Flames' stehen dann auch fast alle auf. Während des Auftritts macht ZP auch häufig den Gitarristen Platz auf dem Podest. Viele Stagediver sind unterwegs und auch ein kleiner Pogo bildet sich vor der Bühne. Die Sonne scheint mittlerweile genau auf den Vorplatz. Vielleicht machen die dort stehenden Fans deshalb nur auf Animation mit. An der grandiosen Show kann es jedenfalls nicht liegen. DRAGONFORCE rackern sich auf der Bühne richtig ab. Herman Li spielt sogar kurz mit der Zunge Gitarre. Sein Saitenkollege Sam Totman testet erfolgreich, ob Michael Jacksons Moonwalk auch als Moonrun funktioniert. Wahrlich eine Show mit hohem Unterhaltungswert.
[Pia-Kim Schaper]









Nach dem bereits ganz netten aber keineswegs umwerfenden Gig beim letztjährigen Bang Your Head bin ich sehr gespannt, wie sich die wiedervereinigten Bay-Area-Thrasher von FORBIDDEN ein Jahr später in Gelsenkirchen präsentieren würden, und ich muss sagen, sie haben sich gemacht! Die Band macht inzwischen einen gut eingespielten Eindruck und auch Frontmann Russ Anderson hat nicht nur körperlich sondern auch stimmlich zugelegt. Die ganz hohen Screams bringt er zwar nicht mehr so wie in früheren Zeiten, aber das tut ein Rob Halford ja auch nicht mehr. Die gesangliche Leistung geht aber auf jeden Fall voll in Ordnung und man merkt Russ auf und neben der Bühne an, dass es ihm Spaß macht, hier in Deutschland die alten Fans beglücken zu können. An Spielfreude und Honigkuchenpferd-Attitüde wird er allerdings noch von Gitarrenhexer Craig Locicero übertroffen, der wirklich das ganze Wochenende über nur strahlend durch die Gegend läuft und sich für die Fans Zeit nimmt. Die Jungs aus Kalifornien bedienen ihr Publikum dann auch während des Gigs ausgiebig, indem sie eine reine Klassiker-Setlist spielen, die ausschließlich Stücke von den ersten beiden Alben enthält und keinen der essentiellen Klassiker ausspart. Man darf gespannt sein, ob sich das angekündigte neue Album dann stilistisch auch wirklich an den hier gespielten Stücken orientieren wird. Auf jeden Fall bleibt vom FORBIDDEN-Gig ein positiver Eindruck, der suggeriert, dass die Band wirklich wieder da ist.
[Rüdiger Stehle]

Setlist: Intro, Infinite, Forbidden Evil, R.I.P., Off The Edge, Step By Step, March Into Fire, Follow Me, Twisted Into Form, Tossed Away, Through Eyes Of Glass, Chalice Of Blood

Vor einigen Jahren war JON OLIVA'S PAIN ja schon mal als Headliner beim Rock Hard Festival. Dieses Mal kommt dem Bergkönig und seinen Mannen lediglich die Rolle des Co-Headliners zu, was natürlich ein bisschen verwundert, wenn man sich anschaut, dass die bis zum Anschlag mit Klassikern gespickte Metal-Legende vor ein paar Jungspunden vom Polarkreis auf die Bretter muss. Gut, vielleicht liegt es ja daran, dass der gute Jon Oliva beim letzten Mal nicht so ganz Herr seiner Sinne war und einen zwar unterhaltsamen aber nicht unbedingt großen Auftritt hingelegt hat. Das ist dieses Mal anders: Jon ist zwar körperlich ganz offensichtlich schwer angeschlagen, aber seinen Humor hat er nicht verloren. Auch stimmlich präsentiert er sich in sehr respektabler Form, ohne natürlich an seine Glanztage anknüpfen zu können. Dennoch finde ich es beeindruckend, dass er aus seiner lange Zeit schwerst angeschlagenen Stimme heute wieder so viel heraus holen kann.

Das gespielte Programm seiner Band bietet dem Publikum zwar exakt das, was es hören will, es offenbart aber auch eine Schattenseite unter welcher so ziemlich alle einstigen Sänger großer Metal-Legenden leiden: Es werden eben vorwiegend SAVATAGE-Songs gefordert und gespielt und nicht die Kompositionen von den neueren Alben. Gut, bei Jon Oliva fällt dies kaum negativ ins Gewicht, da PAIN ohnehin als Fortsetzung SAVATAGEs gedacht ist, und so fügen sich die drei JOP-Songs 'Through The Eyes Of The King', 'Maniacal Renderings' und 'All The Time' sehr gut in die Klassiker-Setlist ein und werden vom Publikum sogar sehr wohlwollend aufgenommen. Kein Vergleich allerdings zum SAVATAGE-Material, das ziemlich euphorisch abgefeiert wird, hat es doch aus fast allen Phasen ordentlich was zu bieten.

Erst die totale Old-School-Offensive mit 'City Beneath The Surface' und 'Sirens', dann das erstmals seit Criss Olivas Tod gespielte 'Of Rage And War' und das überraschend ausgewählte Kanon-Stück 'Chance' aus der Phase mit Zak Stevens, das allerdings auf der "Dead Winter Dead"-Tour nochmal deutlich perfekter zelebriert worden ist. Das wie immer Criss Oliva gewidmete 'Hounds' darf natürlich ebenso wenig fehlen wie weitere Essentials der Marke 'Gutter Ballet', 'Believe', 'Jesus Saves' und der obligatorische Rausschmeißer 'Hall Of The Mountain King'.

Da Jon Oliva über eine wirklich tolle Backing-Band verfügt, brennt auf der instrumentalen Seite natürlich rein gar nichts an, und der Mountain King selbst liefert im Rahmen seiner heutigen Möglichkeiten ebenfalls eine tolle und vor allem liebenswerte Show ab.
[Rüdiger Stehle]

Setlist: City Beneath The Surface, Sirens, Through The Eyes Of The King, Of Rage And War, Chance, Maniacal Renderings, Gutter Ballet, All The Time, Tonight He Grins Again, Hounds, Believe, Jesus Saves, Hall Of The Mountain King


Trotz des Rippenbruchs von Sänger und Gitarrist Alexi Laiho treten CHILDREN OF BODOM auf. Ihre USA-Tour hatten sie zuvor abgebrochen. Die Verletzung macht sich dadurch bemerkbar, dass Alexi bei einigen Parts ein anderes Tempo spielt. Sein Gesicht ist teilweise schmerzverzerrt. Auch die Songauswahl wurde so umgestellt, dass es dem Bandkopf nicht zu anstrengend ist. So fehlt zum Beispiel die Hymne 'Hate Crew Deathroll'. Der Auftritt beginnt noch während der Dämmerung, die Bühne ziert keine Blooddrunk-Flagge, sondern nur die Buchstaben COBHC. Die Finnen beweisen Selbstironie und spielen als Intro ein Sample ein, bei dem ganz oft das Wort "Fuck" ausgesprochen wird. Dies ist eine Anspielung auf die Artikulation des Herrn Laiho, der auch heute bei jeder Ansage mindestens fünfmal "Fuck" sagt.

Ab dem ersten Takt von 'Needled 24/7' geht es vorne richtig ab. Die ersten Reihen tanzen Pogo und ein paar Stagediver machen sich auch schon auf den Weg zur Bühne. Rosane und lilane Luftgitarren werden in die Höhe gehalten. Nach 'Bodom Beach Terror' erzählt Alexi, wie er sich die Rippen gebrochen hat: Eines Nachts ist er aus seiner Schlafkoje im Tourbus gefallen. Die Zahl der Stagediver nimmt immer weiter zu. Überdurchschnittlich viele Frauen lassen sich über die Massen tragen. Bei 'Are You Dead Yet?' fliegt ein bunter Luftballon über der Menge. Passend zum Songtitel kommen jetzt auch die Sanitäter zum Ansatz und transportieren einen Verletzten ab. Keyboarder Janne "Warman" Wirman lässt sich zu einem Witz auf Deutsch hinreißen. Er erzählt, dass er am Vortag mit einem Kumpel in Essen unterwegs war. Dort war er aber nicht essen sondern saufen. Das Publikum klatscht amüsiert Beifall und Alexi fragt, was Janne überhaupt gesagt hat.

Spätestens bei 'Hate Me!' wandelt sich der Pogo vorne in einen brutalen Moshpit um. Die vielen Stagediver kommen trotzdem bei den überraschend zuvorkommenden Security an. 'Kissing The Shadows' nimmt etwas das Tempo raus und der Pulk vorne macht Nackenübungen. Janne reißt einen weiteren Witz, diesmal in Englisch: Obwohl Drummer Jaska Raatikainen zwei Techniker dabei hat, spiele er immer noch scheiße. Alexi kündigt daraufhin 'Blooddrunk' unter dem Titel "Black Jack" an. Amüsant ist außerdem der langsame Circlepit bei 'Angels Don't Kill', bei dem sich die Fans auch an den Schultern fassen. Nach dem selten live dargebotenen 'Bed Of Razors' ist offiziell Schluss. Nach kurzer Zeit ertönen jedoch die Anfangstöne von Van Halens 'Jump'. Alexi singt sogar ein bisschen mit, befiehlt Janne dann aber, mit diesem Lied aufzuhören. Als Zugabe wird noch 'Downfall' draufgelegt.

CHILDREN OF BODOM liefern in Anbetracht ihrer Möglichkeiten einen hervorragenden Auftritt ab. Man merkt ihnen zwar die mangelnden Proben und Alexis Handicap an, jedoch sind alle froh, dass CoB überhaupt gespielt und alles gegeben haben.
[Pia-Kim Schaper]

Setlist: Needled 24/7, Bodom Beach Terror, Smile Pretty For The Devil, Living Dead Beat, Are You Dead Yet?, Banned From Heaven, Hate Me!, Kissing The Shadows, Bodom After Midnight, Blooddrunk, Angels Don't Kill, In Your Face, Bed Of Razors, Downfall

Sorry, Pia, aber ganz im Ernst: Ich habe noch nie einen dermaßen schlechten Headliner gesehen. Bei aller Liebe zu den BODOM-Kindern: Das, was die Herren um Mr. Fuck Laiho da abgeliefert haben, kann wohl als die Frechheit des Festivals schlechthin gewertet werden: Nahezu jedes Solo, jedes Lead hat Alexi verkackt, um im Duktus der anwesenden Jugend zu bleiben, nahezu jeder Song wurde durch den Dreck gezogen. Wer für solch eine Leistung Geld bekommt, arbeitet normalerweise im Vorstand der Telekom. Tolle Platten hatten sie, tolle Songs haben sie und einen schlechteren Gig hätten sie gar nicht abliefern können. Das Leben ist manchmal hart an der Schmergrenze, aber dieser unterirdische Headlinerauftritt war die Spitze des invertierten Eisbergs. Und der wahre Headliner des Tages, nein, des Wochenendes hat um viertel vor Acht gespielt. Jon Oliva ist sein Name und sein Status nach diesem Auftritt: Gott.
[Julian Rohrer]

Redakteur:
Chris Staubach

Login

Neu registrieren