Rammstein/Exilia - Hamburg

29.12.2004 | 09:54

13.12.2004, Color Line Arena

RAMMSTEIN einmal live sehen, das muss sein, auch wenn sie nicht zu einem Konzert nach Hannover kommen, sondern man im Dezember nach Hamburg fahren muss, um diese Band live zu erleben. Dieses Konzertereignis darf man sich unter keinen Umständen entgehen lassen, wenn man nur irgendwie diese Musik mag und das Geld für die Konzertkarte aufbringen kann. Am 13. Dezember 2004 war es endlich so weit, um 20 Uhr sollte in der Hamburger Color Line Arena das Konzert beginnen. Die Angst vor Tausenden von Gewaltpogern im Innenraum der nicht gerade kleinen Arena war bei mir groß, zumal ich immer noch keine Docs mit Stahlkappen besitze. Aber todesmutig begab ich mich dann doch in das Getümmel im Innenraum ...

Das Konzert - EXILIA
... wo sich in dem kleinen Areal, in dem die gesamte Technik steht, dann sogar UDO LINDENBERG mit seinem Bodyguard einfand, um wohl mal einem vernünftigen Konzert lauschen zu können und sich anzusehen, wie man richtige Musik macht. Pünktlich um 20 Uhr begann dann die Vorband mit ihrem Auftritt. EXILIA mag momentan zwar recht bekannt und erfolgreich sein, doch waren sie mir schon als Vorband von IN EXTREMO als "GUANO APES für Arme" in Erinnerung geblieben, und so konnten sie mich auch in Hamburg nicht mitreißen. Musikalisch sind EXILIA wirklich sehr nah an den Guanoaffen dran, die Sängerin wartet dabei mit einer sehr rauchigen und harten Stimme auf und brüllte zwischen den Songs immer wieder ins Publikum, was uns glücklicherweise bei RAMMSTEIN später erspart blieb. Insgesamt kamen EXILIA recht gut an, der Applaus nach den einzelnen Songs war schon groß, dennoch war ich froh, als sie nach einer guten halben Stunde die Bühne wieder freimachten für die Umbauarbeiten zu RAMMSTEIN.

21:05 Uhr: RAMMSTEIN
Exakt um 21 Uhr setzten die ersten Pfiffe ein, die wohl zum Ausdruck bringen sollten, dass RAMMSTEIN pünktlich beginnen sollten, doch spannten sie uns etwas auf die Folter. Erst fünf Minuten nach neun betraten sechs Roadies als RAMMSTEIN-Double die Bühne, passend gekleidet in schwarze Anzughose und Krawatte und mit der berühmten Brille vom "Reise, Reise"-Booklet.

Als dann die ersten Klänge des Openers "Reise, Reise" zu hören waren, wurde der Blick freigegeben auf den oberen Teil der Bühne, auf der fünf (echte) Bandmitglieder auf einer Art zweiten Bühnenebene standen. Im Hintergrund war die Bühne ausgekleidet wie eine Höhle, in der sich dann das gesamte Konzert abspielte. Das Schlagzeug war auf dieser erhöhten Bühnenebene aufgebaut, sodass zumindest der Drummer das gesamte Konzert über gut zu sehen war, die übrigen Bandmitglieder hielten sich allerdings meist auf der normalen Bühnenebene auf. Hebebühnen sorgten dafür, dass sich die Musiker zwischen den beiden Ebenen bewegen konnten. Unter dem Schlagzeug befand sich ein Tor, durch das Sänger Till zu Konzertbeginn die Bühne betrat und durch das er zwischendurch mehrfach verschwand, um sein Outfit zu ändern oder neue Utensilien für die Show zu holen.

Abgefahren waren die Kostüme und das Make-up der Musiker, denn die Band war stark geschminkt, aus der Ferne waren aber leider nur die Kostüme zu beurteilen, die durch die Lederhosen einiger Bandmitglieder zum Teil einen leicht bayrischen Touch hatten. Unterstrichen wurde das süddeutsche Flair noch durch die zwischenzeitliche Schuhplattlereinlage. RAMMSTEIN waren durchweg schwarz bzw. dunkel gekleidet, wobei die Kombination aus knielangen Hosen mit hohen Stiefeln recht beliebt erschien.

Schon beim ersten Stück war die gesamte Color Line Arena am Toben, doch steigerte sich die Stimmung noch mehr, als beim zweiten Song die ersten Klänge von "Links 2 3 4" ertönten. Die Stimmung während des Konzerts war wirklich einmalig gut, besonders bei schnelleren und bekannteren Songs wie "Du hast", "Du riechst so gut" und "Mein Teil" feierte die gesamte Arena. Zunächst spielten RAMSTEIN nur Songs von ihren beiden neueren Alben, also von der "Mutter" und "Reise, Reise", insgesamt boten sie 19 Songs auf, davon neun vom aktuellen Album. Die Show dauerte bis 22:55 Uhr, also insgesamt 110 Minuten, was in Anbetracht der Tatsache, dass RAMMSTEIN zwischendurch keine Zeit vergeuden, nicht schlecht ist.

Setlist:
1. Reise, Reise
2. Links 2 3 4
3. Keine Lust
4. Feuer frei!
5. Rein raus
6. Morgenstern
7. Mein Teil
8. Stein um Stein
9. Los
10. Moskau
11. Du riechst so gut
12. Du hast
13. Sehnsucht
14. Amerika
Zugabe
15. Rammstein
16. Sonne
17. Ich will
Zugabe
18. Ohne dich
19. Stripped

Die Show
RAMMSTEIN ist eine echte Liveband, obwohl die Kommunikation mit dem Publikum fehlt und die Band sich darauf beschränkt, sich vom Publikum zu verabschieden. Doch vermisse ich das zwischenzeitliche Gerede mit dem Publikum nicht, die Band konzentriert sich darauf, gute Musik zu machen und eine einmalige Show zu bieten, was ich persönlich auch sehr gut finde. Ein Livekonzert von RAMMSTEIN ist eine einzige Inszenierung, in der von vorne bis hinten alles durchgeplant ist und nichts dem Zufall überlassen bleibt. Die Show ist so aufwändig, dass man sie gar nicht hinreichend beschreiben kann, weil so viel passiert, dass man sich nicht alles merken kann. Fast zu jedem Song gehört eine passende Feuershow mit Flammensäulen auf der Bühne oder Feuerwerk, das über der Bühne losgeht. Auch die Lichtershow passt genau, so blinken bei "Amerika" Lampen in den Farben blau, weiß und rot über der Bühne auf, bei "Sonne" leuchten die Zahlen 1 bis 9 auf, während "die Welt laut bis zehn zählt". Am Ende von "Amerika" gehen Glitterbomben hoch, die kiloweise bunten Glitter in blau, rot und weiß ins Publikum schießen, was genau zum schrillbunten Song passt.

Die beste Show gibt es allerdings meiner Meinung nach beim Song "Mein Teil" zu sehen, als der Sänger Till mit Kochmütze und Schlachtermesser ausgerüstet einen übergroßen Kochtopf auf die Bühne rollt. Später sitzt dann Flake darin und Till schießt Feuersäulen auf den Topf ab, um seinen Bandkollegen zu grillen. Im weiteren Verlauf des Konzertes scheint es Flake aber immer noch gut zu gehen, denn er ist weiterhin mit viel Freude dabei.

Zum Song "Rammstein" betritt Till mit zwei übergroßen Flammenwerfern die Bühne, die an seinen kräftigen Oberarmen befestigt sind, ab dem ersten Refrain erzeugt er damit riesige Flammensäulen, die den gesamten Innenraum erhitzen. Allerdings setzt er sich nicht mehr selbst in Brand, wie mein Freund mir vorher angekündigt hatte. Dennoch ist die Feuershow einfach großartig und wahrscheinlich auch nur deshalb möglich, weil Till Lindemann den notwendigen Pyrotechnikschein besitzt und seine Sicherheitsbestimmungen selbst machen kann.

Während des letzten Songs "Stripped" fährt der Bassist Oliver mit einem Schlauchboot über das Publikum, ein Showelement, das passend zum Song "Seemann" erdacht wurde, das allerdings nun während eines anderen Songs durchgeführt werden muss, da "Seemann" nicht mehr gespielt wird. Insgesamt aber eine nette Idee, sich auf den Händen der Fans durch den gesamten Innenraum tragen zu lassen. Leider war das beim letzten Song kaum noch möglich, da viele Fans bereits die Konzerthalle verlassen hatten.

Was am Ende übrig bleibt
Erschöpft, taub und überglücklich verließ ich nach dem Konzert die Color Line Arena und fand es etwas schade, dass RAMMSTEIN einige ihrer großen Hits nicht gespielt haben, so brachten sie zwar insgesamt fünf Songs vom Album "Mutter", dennoch fehlten neben dem Titelsong geniale Hits wie "Mein Herz brennt" und "Spieluhr", außerdem fehlten mir auch "Asche zu Asche" und "Heirate mich", die sicherlich für eine großartige Stimmung gesorgt hätten.

Am schwächsten fand ich persönlich die beiden Lieder "Sehnsucht" und "Ohne dich", die zwar von CD sehr hübsch klingen, aber live keine Stimmung aufkommen lassen; hier stand man doch etwas gelangweilt im Publikum und wartete auf andere Kracher. Vielleicht waren die Fans vor der Bühne dankbar für eine kleine Ruhepause, aber seitlich in der Mitte war nicht so viel los, sodass ich mir eher mehr schnelle Songs gewünscht hätte. Aber leider war es ja kein Wunschkonzert, sodass ich auch zufrieden mit der gespielten Songauswahl war. Zu bemängeln sind nur einige Kleinigkeiten, so hätte man den Sound sicherlich noch optimieren können, da hab ich bei METALLICA schon Besseres gehört, aber die grandiose Feuershow macht hier einiges wett.

Sehr schade finde ich die überhöhten Preise der Fanartikel, denn das Tour-T-Shirt war wirklich schick, aber 28 Euro für ein kurzärmliges Shirt sind einfach nur unverschämt teuer. Ganz davon abgesehen, dass die Eintrittspreise für eine deutsche Band mit 46 Euro plus Kartenversand ein wenig happig waren, wird man auch während des Konzertes genug Geld los, dort ist für 2,50 Euro der Parkplatz zu zahlen, jede Jacke an der Garderobe kostet 1,50 Euro, jedes Bier 3 Euro plus 2 Euro Pfand, wobei die Plastikbecher kommerziell sinnvoll mit drei verschiedenen RAMMSTEIN-Motiven bedruckt waren, sodass eingefleischte Fans sicherlich auf die Idee gekommen sind, den einen oder anderen Becher mitzunehmen. Ein kurzer Besuch bei Ebay zeigte mir kürzlich, dass einige Leute diese 2-Euro-Becher sogar für mehr als 6 Euro plus Porto verscherbeln wollen ...

Nachdem ich bereits die Setlist des Mannheimer Konzertes nachgesehen hatte, würde mich interessieren, wieso RAMMSTEIN in Hamburg zwei Songs weniger gespielt haben als in Mannheim, denn dort wurde das gesamte aktuelle Album aufgeführt, bei uns fehlten leider "Amour" und "Dalai Lama".

Sehr durchwachsen war das Konzertpublikum, das nahezu aus allen Altersgruppen zusammen gesetzt war. So standen teilweise auch Väter mit ihren Teenie-Kindern im Publikum, wobei die Kinder teilweise erst aussahen wie zwölf Jahre jung. Manch einen Fan hätte ich eher auf einem Udo-Jürgens-Konzert erwartet, andere eher bei den ONKELZ, RAMMSTEIN scheint alle zu vereinen, wobei das Durchschnittsalter der Fans offenbar nach oben zu tendieren scheint.

Fazit
Insgesamt war das Konzert ein fast perfektes Erlebnis, das mir noch lange in positiver Erinnerung bleiben wird. Sobald RAMMSTEIN wieder in die Gegend kommen, werde ich sicherlich wieder Konzertkarten kaufen, um mir diese einmalige Bühnenshow ein weiteres Mal ansehen zu können. Obwohl ich schon viele Bands (auch große) live gesehen habe, so haben RAMMSTEIN die mit Abstand beste Show abgeliefert, die ich je gesehen habe; die Band war mit vollem Einsatz dabei und wusste ihr Publikum mitzureißen und zu überzeugen. Trotz der überhöhten Preise ist es um keinen Cent schade, höchstens um die Zeit, die EXILIA auf der Bühne verbracht hat. Selbst mein Freund, der RAMMSTEIN bereits mehrfach live gesehen hat, war begeistert von diesem Auftritt; auch wenn kein Mensch brannte und zu wenige Songs von seinem Lieblingsalbum "Mutter" gespielt wurden, so kamen auch langjährige RAMMSTEIN-Fans in Hamburg voll auf ihre Kosten.

Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, sich RAMMSTEIN einmal live anzusehen, denn wenn man diese Musik auch nur ein wenig mag, so wird man eine fantastische Bühnenshow erleben.

Color Line Arena: http://www.colorline-arena.de



Redakteur:
Maike Pfalz

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