QUEENSRYCHE - Quadrath-Ichendorf

03.12.2013 | 09:30

26.10.2013, Bürgerhaus

Dass ich das noch einmal erleben darf...

Vermutlich hat es jeder im metallischen Universum mitbekommen, daher nur in Kurzform: Geoff Tate verlässt seine langjährigen Kollegen nach größeren Differenzen und bildet eine neue QUEENSRYCHE-Formation mit Gastmusikern. Wilton, Rockenfield und Jackson (sowie der verbliebene Lundgren) machen ebenfalls unter diesem Banner weiter und holen zu diesem Zweck Todd La Torre (ex-CRIMSON GLORY) in die Band. Bei diesem Konzertbericht geht es um einen Auftritt der zuletzt Genannten.


Und das ist für mich als jungen Fan schon etwas besonderes. Denn ich liebe, wie so viele Metalheads, die ersten Alben über alles und habe seit jeher das Bedürfnis, QUEENSRYCHE endlich mal in einer vernünftigen Form mit entsprechend toller Setlist zu sehen. Dass mir diese Möglichkeit nun so unverhofft eröffnet wird, ist natürlich ein Glücksfall. Die Tour sollte eigentlich schon im Frühjahr stattfinden, wurde jedoch aus promotechnischen Gründen verschoben, so dass wir uns nun erst Ende Oktober ins beschauliche Quadrath-Ichendorf aufmachen, um zu schauen, ob sich die Magie alter Songs wirklich einstellen kann und wie gut QUEENSRYCHE ohne Tate funktioniert. Die Versprechen im Vorfeld sind jedenfalls vollmundig und Berichte von Leuten, die die Band in dieser Zusammensetzung bereits gesehen haben, ebenfalls nicht zu knapp begeistert.

Bis es soweit ist, müssen jedoch erst einmal ganze vier Vorbands überstanden werden. Anreisebedingt verpassen wir aufgrund des frühen Beginns bereits die erste, weshalb wir uns erst einmal in der Halle umschauen: Das Bürgerhaus ist nun alles andere als eine klassische Metal-Location, sondern äußerst schick und auch ziemlich groß. Dazu passend tummelt sich großteils die Generation Ü40 auf dem Parkett; junge Fans haben sich nur wenige aufgemacht.

Die ersten Töne vernehmen wir dann von der Band INFINITE HORIZON. Die sechsköpfige deutsche Truppe präsentiert Musik irgendwo in der Schnittmenge von Power-Prog und Hard Rock bei sattem Sound, der jedoch leider etwas zu leise aus den Boxen dringt. Hängen bleibt hier vor allem der starke Gesang, der sowohl rau als auch klar ausdrucksvoll daherkommt. Denn ansonsten ist das Songmaterial zwar solide, jedoch wenig begeisternd, was ebenso für das Stageacting gilt. Das vorhandene Potenzial kann hier sicherlich noch besser genutzt werden, um aus einem ordentlichen Auftritt einen mit nachhaltigem Eindruck werden zu lassen.

Bevor dann THE CLAYMORE aufspielt, ist das Kind, das auf einem Tisch unmittelbar vor der Bühne sitzt und gebannt nach vorne blickt, ein Hingucker für alle Zuschauer – und da sag nochmal einer, Metal wäre nichts für die Kleinen. Der Nachwuchs wie auch die vierzig Jahre Älteren kriegen hier treibenden Power Metal auf die Ohren, der in den ruhigen Momenten gar an alte QUEENSRYCHE erinnert. Erneut haben wir einen guten Sänger vor uns, dem es allerdings an der letzten Strahlkraft fehlt, um ein ganz Großer zu sein. Das tut der freudigen und leidenschaftlichen Performance jedoch keinen Abbruch, die in fast schon zu nette Ansagen wie "THE CLAYMORE hat euch lieb!" gipfelt. Letztlich ist es auch genau das, was hier in Erinnerung bleiben wird, denn der solide, handwerklich einwandfreie Gig gibt dazu (wie schon die vorherige Truppe) ein paar, jedoch insgesamt zu wenige Anlässe.

Wem die positiven Annäherungen gerade schon zu viel waren, der wird nun vermutlich vollkommen durchdrehen: FREEDOM CALL erschlägt einen förmlich mit guter Laune. Das ist nichts Verkehrtes, nur verdammt ungewohnt. Man könnte die Band gar als Antithese zu all den (zumindest vom Image her) bösen Bands sehen. Ihr Happy Metal geht leicht ins Ohr, jedoch auch fast genau so leicht wieder hinaus. Die Mitklatschspielchen klappen mittelmäßig, mit der Zeit nimmt das Publikum jedoch etwas Fahrt auf und lässt sich auf die Band und ihre Eigenarten ein. Wie auch schon die deutschen Bands vorab hat FREEDOM CALL reichlich Spaß daran, den Veranstaltungsort ("Quadrath-Ichendorf") häufig und präzise akzentuiert auszusprechen. Das passt recht gut ins Gesamtbild, denn es geht ausschließlich um gute Laune, und sonst nichts. Wer darauf steht, der hat seinen Spaß, wer nicht, der wird gerade innerlich ausrasten. Was einen Musikfreund jedoch unabhängig davon ärgern kann, sind die Keyboard-Einspielungen vom Band, die einfach zu klinisch daherkommen. Das hält das Publikum jedoch nicht davon ab, sich wenigstens zum Finale, bestehend aus 'Warriors' und 'Land Of Light', mitreißen zu lassen. Ein netter Abschluss eines für mich ungewohnten Konzerts einer gar nicht mal so unsympathischen Band.

Ohne hier eine Trueness-Debatte anzetteln zu wollen, hatte man bisher nicht gerade den Eindruck, wirklich auf einem Metalkonzert zu sein. Das war alles ganz nett, hat jedoch nicht für schmetternde Stimmbänder und hochgerissene Fäuste gesorgt. Doch dafür ist ja auch der Headliner zuständig. Und der schafft das mit Bravour. 'Queen Of The Reich' wird bei deutlichem und lautem Klang angespielt, QUEENSRYCHE betritt die Bühne und Todd LaTorre setzt einen Schrei in die Nacht, der die Metalwelt bedeutet. Wenn man schon nach dreißig Sekunden eine Gänsehaut hat, dann weiß man, dass die folgenden neunzig Minuten gar nicht schlecht werden können. Mein Gefühl wird mich da auch nicht täuschen.

Wie angekündigt bekommen wir hier ein Klassikerset (es werden neben dem aktuellen Output nur die Sachen bis einschließlich "Empire" bedacht), das sich manch einer wohl nur erträumt hat. Songs hervorzuheben macht hier keinen Sinn, denn wir wissen alle, dass wir es mit Nummern für die Ewigkeit zu tun haben. Allein die fünf Titel von "The Warning" machen klar, worauf die Herren hier wirklich Lust haben: Metal – und das spürt man zu jeder Sekunde. Mit dem Wissen um die Geschehnisse der letzten Jahre kann man fast spüren, wie froh die Band ist, endlich ohne Ketten das zu tun, was sie eigentlich immer wollte und am besten kann. QUEENSRYCHE lebt wieder.

Das liegt neben dem unglaublichen Songmaterial jedoch natürlich insbesondere an Todd LaTorre, der die Songs emotional interpretiert und dabei Geoff Tate mittlerweile längst den Rang abgelaufen hat (bzw. mehr nach Geoff Tate klingt als dieser heute selbst). Seine Ansagen sind ebenso sympathisch wie authentisch. Das zeigt sich vor allem darin, dass er von der Band immer als "wir" spricht, dabei jedoch ganz bescheiden bleibt. Ein großer Sänger muss eben keine große Klappe haben.

Der einzige kleine Durchhänger des heutigen Auftritts ist wohl das Gitarren-Duell zwischen Michael Wilton und Parker Lundgren, welches weder besonders gut noch unterhaltsam ist. Aber den anderen gönnt man die Pause, wenn sie anschließend wieder mit solch einer Energie als Einheit auftreten, wie sie es hier und jetzt in Quadrath-Ichendorf tun. Da geht auch das Publikum, was bei den Vorbands noch mehr als verhalten war, ordentlich mit. Überhaupt ist es voll geworden, seit die Amerikaner auf der Bühne stehen. Eine zwar nicht ausverkaufte, aber nichtsdestotrotz prächtige Kulisse, die sich QUEENSRYCHE redlich verdient hat. Die Zugaben 'Jet City Woman' sowie 'Take Hold Of The Flame' (Hui, die beiden schwächsten Songs des gesamten Sets als Zugaben? FJ) beenden nach anderthalb Stunden ein Konzert, das wohl kein Besucher enttäuscht verlässt; dafür jedoch, wie auch der Autor dieser Zeilen, mit arg angeschlagenen Stimmbändern.

Mir liegt es fern, nun zu beurteilen, wie die 2013er Version von QUEENSRYCHE im Vergleich zu jener aus den Achtzigern ist. Jedoch kann ich guten Gewissens sein, wenn ich für mich und viele andere meiner Generation spreche und sage: Ich bin dankbar, diese Band mit all ihren großartigen Songs noch einmal in dieser Form erlebt haben zu dürfen. Und vielleicht, hoffentlich, noch ein paarmal sehen werde.

Setlist: Queen Of The Reich, Speak, Walk In The Shadows, The Whisper, En Force, Child Of Fire, Warning, Where Dreams Go To Die, A World Without, Guitar Solo, The Needle Lies, Prophecy, Roads To Madness, Fallout, My Empty Room, Eyes Of A Stranger, Empire; Zugabe: Jet City Woman, Take Hold Of The Flame.

Redakteur:
Oliver Paßgang

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