Primordial - Dublin

21.01.2008 | 10:30

19.01.2008, Button Factory

Irischer Humor kann sehr trocken sein. Ein Beispiel dafür liefert PRIMORDIALs Alan "Naihmass Nemtheanga" Averill, als ihm rund 500 Fans zujubeln. Es ist der Abend der offiziellen Releaseparty seiner Band zum neuen Album "To The Nameless Dead" in der Button Factory in Dublin. Völlig zu Recht stellt Alan da fest, dass etwa die Hälfte der Zuschauer aus anderen Länden gekommen ist. Freundlich begrüßt er die Ausländer - und fügt für sie grinsend hinzu: "We welcome you outside with a traditional Irish streetfight, haha."

Doch Wunden bereitet dieser Abend nicht durch Prügeleien. Maximal süßer Seelenschmerz ist eine Option, weil sich hier eine Band offenbar auf dem Gipfel ihrer Kreativität und ihrer nach oben offenen Emotionenskala zeigt: Mit tragischen Melodien und ihrem eigenen Endzeit-Sound werfen die Iren ihr gesamtes Schaffen dem Publikum entgegen. Es gibt kein Entkommen.

Bevor es so weit ist, haben noch zwei andere irische Kapellen die Chance, sich vor so illustrem Publikum wie Götz Kühnemund vom Rock Hard oder Metal-Blade-Cheffe Andreas Reissnauer zu präsentieren. GRAVEYARD DIRT und FOR RUIN repräsentieren dabei jeweils eine Facette des Breitband-Sounds von PRIMORDIAL, einmal den Doom-Teppich, einmal die Black-Metal-Raserei. Beide Vorbands sind in Dublin offenbar alte Bekannte, zumindest hält sich die Begeisterung bei den Einheimischen in überschaubaren Grenzen. Dafür bekommen die Gäste aus dem Ausland eine Menge geboten: GRAVEYARD DIRT zocken ihre Mischung aus alten MY DYING BRIDE, bei FOR RUIN erhalten dagegen Fans von DISSECTION eine nette Lektion in Sachen Black und Death Metal. Doch eigentlich sind beide Bands an diesem Abend verzichtbar, denn gewartet wird nur auf PRIMORDIAL.

Als diese ihren Auftritt beginnen, ist der Jubel denn auch riesig. Irlands Exportschlager Nummer Eins in Sachen Metal werden empfangen wie Könige. Der Lohn ist eine grandiose Setlist, die das Schaffen der Band in all seinen Facetten hörbar macht. In knapp zwei Stunden erstreckt sich so eine Show, in deren Verlauf PRIMORDIAL immer stärker werden, immer größere Begeisterung und Anteilnahme entfachen. Ein Höhepunkt ist beispielsweise 'The Coffin Ships', das die Fans Zeile für Zeile mitsingen - die Gänsehaut nach dieser Darbietung lässt grüßen. Auch die Songs des bereits jetzt unverzichtbaren "To The Nameless Dead"-Albums werden enthusiastisch aufgenommen - schon allein das sagenhafte 'Empire Falls' und das göttliche 'No Nation On This Earth' sind die vielen Flugkilometer wert. Dazu liefert der weiß geschminkte Alan auf der Bühne eine schauspielerische Glanzleistung ab: So wie er die Songs und ihre Texte interpretiert, lässt sich fühlen, wie er die Geschichten um die wechselvolle Historie seines Volkes selbst durchleidet, er die alten gälischen Götter für die Gottlosen beschwört, er seiner Wut freien Lauf lässt über den empfundenen Schwund von Kulturen und Werten in einer für ihn zu globalisierten Welt. Diese Theatralik gepaart mit Alans klarem Gesang und den hypnotischen Soundteppichen seiner Kollegen macht PRIMORDIAL so besonders, gerade auch in Sachen Glaubwürdigkeit. Denn hier sind Musiker am Werke, die relativ unverdorben von den Verlockungen der Musikindustrie und ohne aufgesetztes Image ihren Weg gehen und gerade in Dublin den Gewinn ihrer jahrelangen Mühen einfahren dürfen. "Are you with us?", fragt Alan wie immer - und das hundertfache Jubelgeschrei entlockt selbst ihm ein Grinsen. Denn selbst Iren mit der Lizenz zum Komponieren fantastischer Apokalypse-Orgien können lachen ...

Redakteur:
Henri Kramer

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