Pothead - Potsdam

28.02.2007 | 14:17

23.02.2007, Lindenpark

Die Augen von Brad Dope sind geschlossen. Und er bewegt sich kaum. Mit dem Publikum redet er auch nicht. Er singt nur und spielt Gitarre. Ab und zu trinkt er einen Schluck Bier. In der Theorie kommerzieller Musiksender macht der Frontmann von POTHEAD also eigentlich alles falsch, was eine Bandleader auf der Bühne eben so falsch machen kann.

Doch rein praktisch wird das Konzert der Berliner Band im mit rund 700 Zuschauern fast ausverkauftem Potsdamer Lindenpark-Club zu einem Triumphzug. Drei Stunden lang spielt das Musikertrio reine, puristische (Stoner-)Rock-Musik, ohne dabei auf eine ausgefallene Bühnenshow Wert zu legen. Gerade in der Rock-Fan-Szene oft anzutreffende Kulturpessismisten, die vom Untergang handgemachter Musik sprechen, weil angeblich Bands immer effekthaschender, kommerzieller und dem Massengeschmack angepasster werden, müssten einmal ein POTHEAD-Konzert besuchen: Sie würden Bauklötze staunen.

Denn warum funktioniert ihr Stil seit ihrer Gründung Mitte der 90er so gut, dass wie im Lindenpark die Zuschauer in den ersten Reihen ein Konzert lang durchtanzen und sich in ihrem Verlangen nach Zugaben die Seele aus dem Leib brüllen? POTHEAD verstehen es einfach, eingängige Metal-Riffs und Rock-Melodien so geradlinig und zielsicher einzusetzen, dass jedes ihrer tiefgestimmten Lieder einen Kopf-Mitwipp-Effekt bekommt. Gleichzeitig sind die Songs an manchen Stellen aber auch progressiv angelegt, experimentell im Stil von Klassiker-Bands wie DEEP PURPLE oder LED ZEPPELIN. Die Grundgeschwindigkeit ist dabei gediegen langsam, doom-groom Tempo. Seine Dynamik erhält der Sound von POTHEAD, wenn Sänger Brad Dope zum Beispiel seine Stimme hebt. Oder sie dann doch plötzlich einmal etwas schneller spielen. Doch wirklich viel passiert im Prinzip nicht, Stücke wie 'Wild Weed', 'Black War', 'Law Man' oder 'Kite' liegen in ihrem Stil nicht allzuweit auseinander. Damit sind POTHEAD in gewissem Sinne auch eine entspannende Band, bei der es auch nichts ausmacht, während der Show wie im Lindenpark zehn Minuten an einer Bierschlange zu stehen und auf weitere Getränke zu warten - musikalische Überraschungen gibt es sowieso nicht zu verpassen.

Dennoch sind die Zugaberufe am Ende des Abends - gegen 23.15 Uhr gehen die drei Musiker das erste Mal von der Bühne - unglaublich vehement und fordernd. 45 Minuten müssen POTHEAD drauflegen. In dieser Zeit findet auch eine erste, freilich zurückhaltende Interaktion mit den Fans statt: Brad Dope prostet ihnen mit Bier zu, lächelt. Und sieht dennoch wie seine Musikerkollegen völlig ungerührt aus: Schaffen sich Künstler so ein Image als perfekte Underdogs? Wahrscheinlich schon. Bassist Jeff Dope zum Beispiel lutscht öfter einmal an einem Lolli, seine Augen sind wie bei Brad ständig zu oder stehen mindestens auf Halbmast. Das Wort Bewegung scheint er ebenso wenig zu kennen. Und beide Musiker haben unauffällige Anzüge an. Doch das Publikum ist davon an diesem Abend hingerissen, POTHEAD könnten locker auch sechs Stunden so weiterspielen. Eine Band, die bewusst alles so falsch macht, dass sie damit grundrichtig liegt.

Redakteur:
Henri Kramer

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