Party.San Open Air - Bad Berka

01.09.2006 | 14:50

10.08.2000, Festivalgelände

An diesem Ort wird gesoffen, gesoffen und gesoffen: Die Zentrale des ungebremsten Wahnsinns steht beim Party.San Metal Open Air rund hundert Meter halbrechts vor der Bühne. Der "Brutz&Brakel"-Stand ist auch bei der jüngsten Ausgabe des thüringischen Extrem-Metal-Festivals einer der kultigsten Orte auf dem Gelände: Kein Wunder bei Preisen um die 3,50 Euro für Cocktails wie "White Russian", die in ihrem Mischverhältnis schon fast unter das Prädikat Körperverletzung fallen. Betreiber der Kultbar ist die Berliner Thrash-Metal-Band POST MORTEM, die sich bisher standhaft weigerten die Fans auch auf anderen Festivals abzufüllen. So kommen nur Party.San-Besucher in den Genuss von Bechern, auf denen "National Drinking League" steht: Einer der vielen Gründe, warum das Festival in all den Jahren solch einen Kultcharakter bekommen hat. Rund 8000 Fans sind es dieses Jahr, die sich zweieinhalb Tage in Bad Berka austoben wollen und damit die Besucherzahl konstant leicht steigen lassen. Doch gibt es im Gegensatz zu den vergangenen Jahren nicht nur Lob: Gerade dem zweiten Tag fehlen richtige Über-Highlights, besonders bei den Headlinern. Und leider bestätigt sich teilweise wieder das Image, dass sich rechtsextreme Fans gern aufs Party.San verirren - trotz aller Anstrengungen der Veranstalter, dieses Publikum vom Platz fernzuhalten. Doch erst einmal regiert König Party. Denn die Eröffnung des Festivals am Donnerstag endet für mindestens drei Bands völlig triumphal...

...nur für ERODED nicht so ganz. Natürlich, Schweden-Death-Liebhaber drehen bei den Ruhrpott-Sägen-Metallern durch. Zudem haben sie zwei Musiker von SYMBIONTIC mit auf der Bühne. Technisch brennt also nichts an. Doch haben ERODED das Pech, dass sie als erste Band des Abends mitten in den zweibeinigen Anreiseverkehr ins Partyzelt geraten, wo immer ein gewisses Gewusel herrscht und deswegen nicht sonderlich viele Zuschauer voll konzentriert wirken. Doch das scheint die Jungs auf der Bühne nicht groß zu stören. Und so trümmern sie sich durch ihr Set und huldigen den alten Helden mit neuen Songs: Ein wenig GRAVE ist im Sound zu hören, alte ENTOMBED natürlich auch. Eben die ganzen klassischen Schweden-Geschichten. Nach alter Schule röhrt auch Frontmann Philip - die Zuschauer in den vorderen Reihen jubeln zurück. Doch noch ein Grund zur Freude. Aber die nächste Band, HELRUNAR, hat ungefähr die dreifache Fanschar mitgebracht - und die machen richtig laut...
[Henri Kramer]

Ja! Die deutschen Pagan-Black-Metal-Band HELRUNAR zeigt deutlich, warum sie mit zum Besten gehört, was der Black Metal hierzulande zu bieten hat. Kracher wie 'Älter als das Kreuz', 'Dreifach Dorn', 'Hauch wird Sturm' oder 'Raune mit der Tiefe' schaffen spielend die Balance aus aggressiv-eingängigen Parts und ruhigeren Momenten, um so eine eigenen Atmosphäre aufzubauen, die einen mitreißt und nicht so schnell loslässt. Hier sind keine Stümper am Werk, sondern Musiker, die mit ganzen Herzen ihre Musik leben. Das zeigt auch die Bühnenperformance, engagiert und mit vollem Einsatz bei der Sache. Kein Wunder also, dass die ersten Reihen voll besetzt sind und HELRUNAR für ihren Gig massig Applaus ernten. Großartiger Auftritt, an dieser Band werden wir noch viel Freude haben!
[Herbert Chwalek]

Absolut. Da wächst etwas Großes heran. Gleich ein Schwarzbier drauf. Kostet ja hier nur zwei Euro. Prost.
[Henri Kramer]

Bierdunst. Aggressivität und Sprechgesangschöre liegen in der Luft. Mit fünfzehnminütiger Verspätung stampfen vier blasse Häupter in kugelsicheren Westen auf die Bühne, schütteln ihre langen Mähnen und lassen ihre mit riesigen Spießen besetzten Armbänder im Bühnenlicht funkeln. "Adam, the first Sinner" stiert aus den hintersten Ecken seiner tiefen Augenhöhlen hervor ins wartende Publikum. Die Death-Metal-Combo HATE scheint ihre Fans auch durchaus einmal warten lassen zu dürfen. Dann fegt eine gewaltige Explosion in Form von 'Anaclasis' ein jedes Trommelfell nieder. Das klare und kräftige Growlen von Frontmann Adam gesellt sich dabei zu sägenden Gitarrensounds und einem wütenden Donnerhagel. Nach nur einem Song hat Drummer Hexen sein Set so zerlegt, dass erstmal die Prügel neu fixiert werden müssen. Währenddessen schreit Adam "Erstsünder" den Rest der Meute erst einmal richtig aus dem bierig-komatösen Zustand wach. Als dann die Band endlich ihren Gig mit 'Malediction' fortsetzt, steuert ein bierbäuchiges Kahlkopfexemplar auf die vordersten Reihen zu und beschließt sich schlafen zu legen - genau zwischen den Beinen einer rocktragenden POWERMETAL.de-Chronistin. Leicht schockiert kann die ihn auch durch aufmerksames Treten in die Mitte seiner Gesichtsbaracke nicht dazu bewegen den Stehplatz wieder freizugeben. Kurz darauf wird ein Mädel von ihrem Freund aus der Masse gezogen - die hinteren Reihen haben sie an den Haaren gepackt und zu Boden gerissen. In der Tat, der Name der Band scheint einigen Leuten etwas zu sehr zu Kopf gestiegen zu sein, dennoch bleibt die Meute größtenteils friedlich. Nach diesen ersten Zwischenfällen dauert es auch nicht lange - und schon wieder wird eine Pause seitens der Band eingelegt. Scheint wohl irgendwie der Wurm drin. Rasch versucht man die Stimmung des Publikums wieder zu heben und neben älterem Material bewirken gerade Songs wie 'Necropolis' und 'Hex' eine stetige Erweiterung des Moshpits sowie einen raschen Temperaturanstieg im Zelt. Dennoch ein Witz von einem Gig, denn bedenkt man die 15 Minuten Verspätung plus kleinerer Fixierungsprobleme bleiben der Band nur rund 30 Minuten Spielzeit. Und so verlassen sie auch wieder unter Sprechgesangschören und Nachrufen die Bühne.
[Silvana Conrad/Marko Seppä]

HATE, der Hass. Doch nun, die Schwärze. Mit einem berstenden Sound, als würde sich die Hölle nun endlich gänzlich öffnen, kommen WATAIN auf die Bühne. Brutal wie eine Kriegsmaschinerie klingen die Jungs - und noch um einiges prägnanter als auf ihrer Tour mit DISSECTION im Winter 2004/05. Ein Grund dafür ist, dass die Band im Gegensatz zu früher inzwischen live mit zwei Gitarristen spielt: Ein monumental bösartiger Sound ist das erfreuliche Ergebnis. Songs wie 'I Am The Earth' malträtieren dabei die Hörerseelen endlos schön, eisig wie eben nordischer Black Metal sein muss. Und so knattern die schwedischen Hardcore-Satanisten einen Kracher nach dem anderen in die ausrastende Menge - und sehen dabei unheimlich finster aus. Dazu stößt der mit Fetzen und Ketten behangene Schlaksi-Sänger Eric unglaubliche Schreie aus - und an die mutmaßlichen Vorbilder CELTIC FROST gemahnende "Uhhhhhhs". Es ist ein göttlicher und zerstörender Gig, den diese Schweden beim Party.San bieten, infernalisch, eine antichristliche Lehrstunde. Umso bitterer wiegt da der Umstand, dass sie tags darauf wegen ihrer eigenen Blödheit keine Autogramme geben können: Als bekannt wird, dass sie nach dem Gig im Hotel zuerst randaliert haben und dann auch noch mit dem Arm hochgereckt zum Hitlergruß gesehen werden, lädt das RockHard-Magazin sie konsequent wieder aus. Richtig so. Und verdammt ärgerlich, weil solche Kapellen so einen Mist eigentlich nicht nötig haben müssten.

Doch an diesem Abend ist davon noch nichts zu ahnen: Die Party geht mit MASTER weiter. Oder besser gesagt mit Mr. Rauschebart Numero Uno: Wann bringt Paul Speckmann eigentlich eine eigene Bart-Shampoo-Kollektion in den Duftrichtungen "Friedhof" und "Abfall" heraus? Solche Fragen bleiben schnell im Zwischenhirn stecken. Denn MASTER zerstören alle Ideen oder kreativen Einfälle in einer Walze aus Old-School-Krach. Es ist nicht innovativ, was sie machen, aber es ist konsequent. Und so feiern die Death-Metal-Fans beim Party.San ihre Helden der frühen Stunde, während etliche Black-Metal-Liebhaber ein wenig verstört in Richtung Bühne blicken. Oder sich schon in Richtung Zelt aufmachen, um dort noch ein wenig über den Gehörnten zu philosophieren oder soviel zu saufen, dass der Beelzebub sich bis zum nächsten Mittag sowieso im Hirn einnistet und dort ein wenig mit Hämmerchen herumspielt. Wie auch immer: Der Rest der Bier-Bande feiert im Zelt weiter ab, erst zu MASTER, dann zur Disko bis früh in den Morgen. Man hat ja nichts zu verlieren auf so einem Festival, außer vielleicht ein paar Hirnzellen. Und gewonnen hat der fröhliche Party.San-Besucher an diesem Abend auch schon, denn so ein massiv-zerstörendes Programm macht Lust auf mehr. Viel mehr...
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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