Paradise Lost/Him - Berlin

19.02.2008 | 10:50

16.02.2008, Tempodrom

Zwei Bands, die mit ihren neuesten Veröffentlichungen wieder bei den Musikjournalisten auf Zustimmung trafen, haben sich an diesem Samstagabend im Berliner Tempodrom eingefunden. Denn sowohl PARADISE LOST als auch die finnische Love Metal-Band HIM haben mit "In Requiem" und "Venus Doom" jeweils eine Scheibe eingespielt, die Fans wie Kritiker gleichermaßen begeisterte. Dementsprechend viele Zuschauer sind erschienen.

Schon bei PARADISE LOST lässt sich das Publikum mitreißen. Denn die Briten machen das, was sich anno 2008 von der Truppe um Sänger Nick Holmes erwarten lässt: Schwermelodischer Gothic Metal mit gehobenem Anspruch, der zwar mit dem einstigen Schaffen der Band nur noch bedingt etwas zu tun hat, aber nach einer langen Schwächeperiode inzwischen wieder funktioniert. So konzentrieren sich PARADISE LOST fast ausschließlich auf Material ihrer neuen Scheiben wie "In Requiem" oder "Paradise Lost". Auch die wenigen starken Lieder aus der Zeit, in denen PARADISE LOST viele Fans verloren, kommen vor: So erklingen 'Isolate' und 'One Second', allesamt in perfektem Soundgewand. Optischer Mittelpunkt auf der Tempodrom-Bühne ist wie gewohnt Mr. Holmes, der sich die Haare wieder lang wachsen lassen hat. Seinen Humor hat er sich ebenso bewahrt: So fragt er die vornehmlich jungen Zuschauer, ob jemand im Publikum PARADISE LOST kennt. Als sich einige melden, kommt der trockende Kommentar: "Oh, dann stehen unsere Platten wohl bei euren Eltern im Regal ..." - um dann mit dem Klassiker 'The Last Time' einen der ganz wenigen Ausflüge in die Vergangenheit zu wagen. Das Publikum honoriert die vor allem auf die Gegenwart bezogene Setlist und lässt sich zum enthusiastischen Mitklatschen animieren. Denn eine Sache haben PARADISE LOST in ihrer langen Karriere seit Anfang der 90er nicht verlernt: Ihr Gitarrist Greg Mackintosh zaubert noch immer unglaublich einfühlsame und zeitlose Melodien aus seinem Instrument. Da lässt sich auch die fehlende Härte aus früheren Zeiten verschmerzen.
[Henri Kramer]

Der letzte Ton von PARADISE LOSTs 'Say Just Words' ist verklungen, die großartige Darbietung der "Island Monkeys" (O-Ton Nick Holmes) ist viel zu schnell vorbei. Und nachdem sie die Bühne verlassen haben, wird schon eilig mit dem Bühnenumbau für HIM begonnen. Im Interview vor der Show erzählt HIM-Sänger Ville Valo, dass sie schon einmal gemeinsam unterwegs waren - allerdings waren seinerzeit HIM die Supportband. So ändern sich die Zeiten, aber Ville freut sich einfach über die gemeinsame Tour: "Wir sind immer noch befreundet."

Und das Publikum wartet auf HIM. Der Raum wird von eine erwartungsvollen und gleichsam gespannten Stimmung beherrscht. Das Tempodrom ist eine tolle Kulisse und sehr gut gefüllt. Um halb zehn erklingt ein Intro, es ist soweit, das so sehnlich erwartete Konzert beginnt. Ville Valo und seine Bandkollegen zeigen sich außerordentlich gut gelaunt und spielfreudig. Sie haben das Publikum von Anfang an auf ihrer Seite und geben ein recht schnelles Tempo vor. Sie eröffnen mit dem Titel 'Passion’s Killing Hope' vom neuen Album "Venus Doom". Es geht weiter mit dem altbekannten Chris Isaak-Cover 'Wicked Game' vom Debütalbum "Greatest Lovesongs Vol. 666". Ville ist bei ausgezeichneter Stimme, mühelos trifft er die verschiedensten Tonhöhen und -tiefen, variiert mit Gefühl und Intonation, erzeugt so ein wahres Klangerlebnis. Auch Gitarrist Linde entlockt seinem Instrument eindrucksvolle Soli, die den älteren Liedern gut stehen. Keyboarder Burton und Bassist Migé steuern mehrstimmigen Backgroundgesang bei, der perfekt abgemischt ein Soundgewitter erzeugt.

Die Band spielt einen abwechslungsreichen Mix von Liedern aller Alben. Einen grandiosen Höhepunkt erreicht das Konzert, als sie genau in der Mitte des Sets 'Join Me In Death' anstimmen. Im Publikum ist kein Halten mehr, alle singen lautstark mit - der Applaus ist stürmisch.

Und eins darf nicht fehlen: Der Büstenhalter einer jungen Dame fliegt auf die Bühne, den Ville kurzerhand an das Mikrophon des Bassisten hängt. Er ist zu Späßen aufgelegt, raucht seine obligatorischen Zigaretten. Er redet mit dem Publikum, lässt es auch einzelne Passagen singen, plaudert aus dem Nähkästchen. Hier erfährt der aufmerksame Zuhörer, dass HIM ihr wohl erstes Deutschlandkonzert in Berlin gegeben haben. Der Club heißt "Tacheles" - und zumindest Ville verbindet schöne Erinnerungen damit.

Es folgen unter anderem noch Lieder wie 'Your Sweet 666', 'Killing Loneliness' und 'Bleed Well' bis schließlich das große Finale ansteht. Denn das Ende des Sets ist 'The Funeral Of Hearts': Eine riesige Diskokugel wird mit Strahlern angestrahlt, sie verwandelt den Raum in ein einziges Glitzermeer - eine wahrhaft fantastisch schöne Kulisse für diesen Song. Das Publikum feiert die Band ausgelassen. Der Applaus hört nicht auf, ehe die fünf Musiker auf die Bühne zurückkehren und noch drei weitere Zugaben geben. Sie spielen 'Under The Rose', 'Razorblade Kiss' und mit 'The Sacrament' das Abschiedslied für den Abend. Burton leitet das Stück mit einer schönen Pianopassage ein. Dann geben auch die anderen Musiker noch einmal alles, und wieder singt das Publikum aus voller Kraft mit. Der letzte Ton verklingt, das Konzert ist vorbei, thank you and good night ...
[Gastautorin Yvonne Daseking]

Redakteur:
Henri Kramer

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