Nightwish - New York

02.12.2007 | 19:21

18.10.2007, Nokia Theatre

New York City, die Stadt die niemals schläft, besonders nicht am Times Square. Inmitten der mit größten Stromverschwendung der Welt zwischen blickenden Schildern, riesigen Musical-Plakaten und direkt gegenüber von Toys R Us befindet sich das im Vergleich relativ unscheinbare Nokia Theatre - Schauplatz des NIGHTWISH-Gigs. Bereits Stunden vor Einlass hat sich eine gesittete Reihe schwarzgekleideter Menschen angesammelt, und trotz einiger Verwirrung, wo sich denn nun die stolzen Besitzer der gekauften VIP-Karten anstellen müssen, verliert keiner die Nerven. Naja, der Ticket-Verkäufer vielleicht ein wenig, aber es ist sicherlich auch nervig, alle zwei Minuten schick gekleideten, mittelalterlichen Paaren erklären zu müssen: "Nein, hier ist heute Abend ein Metal-Konzert. Der Eingang zu Lion King ist um die Ecke ..."

Auch im Inneren ist das Nokia Theatre eher unspektakulär, auch wenn man mit einer Rolltreppe (oder die ganz sportlichen eben zu Fuß) erst einmal Richtung Untergrund gekarrt wird. USA-typisch gibt es im hinteren Bereich nicht wenige Sitzplätze, von denen man zwar nicht die Bühne, dafür aber die netten Fernseher in handlicher Wohnzimmergröße an der Decke sehen kann. Brille empfohlen!
PARADISE LOST, Ikonen des Gothics und zugleich mal wieder Support Act von NIGHTWISH, betreten pünktlich die Bühne und legen los. Besonders energisch ging es bei den Briten ja noch nie auf der Bühne zu: Jeder macht sein eigenes Ding, Sänger Nick Holmes steht regungslos am Mikro, während Gitarrist Greg sich hinter seiner langen Mähne versteckt und das Publikum ignoriert. Auch die restlichen drei Mitstreiter sind eher nur marginal vertreten. Man merkt deutlich, dass das Quintett keine große Lust hat, die halbherzigen Motivationsversuche Nicks werden größtenteils ignoriert und lediglich die vorderen Reihen freuen sich über den Mix aus alten und neuen Songs. Nur bei bekannten Hits wie 'Erased', 'As I Die' und natürlich dem unvermeindlichen 'One Second' kommt ein Hauch von Stimmung auf. Ansonsten können die alten Haudegen - und vor allem Nick, was seine gesangliche Leistung angeht - leider nicht überzeugen. Schade, denn gute Songs hat die Band allemal. Trotzdem fühlt es sich wohl sowohl für die Gruppe als auch für das Publikum erlösend an, als die Umbaupause beginnt.

Diese wird natürlich von vielen für eine der schönsten Nebensachen der Welt genutzt: das Rauchen. Doch so einfach, wie das sein sollte, ist es hier nicht. Wer rauchen will, muss sich anstellen: Erst einmal, um mit der Rolltreppe wieder an die Oberfläche gekarrt zu werden, dann ein zweites Mal um nach draußen zu gelangen. Unter dem Dach darf auch nicht geraucht werden, aber zum Glück regnet es ja nicht. Auch Alkoholkonsum (eine weitere schöne Nebensache) ist trickreich, wer nicht per Ausweis beweisen kann, dass er oder sie über 21 ist, guckt in die Cola. Wäre vielleicht auch besser gewesen, immerhin ist man beim Kauf einer kleinen Dose amerikanischen Bier-Gesöffs (wir wollen ja keine Namen nennen) sofort ganze acht Dollar los.

Dann geht es endlich los - und die Halle ist voll. Das Intro ('Resurrection' aus dem Mel-Gibson-Film "The Passion Of The Christ") schafft die richtige Atmosphäre, und als NIGHTWISH nacheinander die Bühne betreten, gibt es für die meisten Fans kein Halten mehr. Anette wird sogar noch herzlicher empfangen, und los geht es direkt mit dem Kracher 'Bye Bye Beautiful'. Anette scheint sich wieder von ihrer Erkältung auskuriert zu haben und kann sowohl stimmlich als auch performancetechnisch überzeugen, durch ihre aufgeschlossene Art viele Sympathie-Punkte verbuchen. Auch der Rest der Band ist in Top-Form. Schlagzeuger Jukka geht ja oft leider etwas unter, haut sich aber wie immer die Seele aus dem Leib, während Zwerg Emppu von einer Bühnenecke zur nächsten flitzt und man direkt erstaunt ist, dass er vor lauter Grinsen, Flirten und Faxen machen das Spielen nicht vergisst. Tuomas lebt sich wie gewohnt am Keyboard aus, leidet, lächelt und lässt sich seine Erkältung nicht anmerken. Auch Marco ist wie immer gut gelaunt, unterhält das Publikum mit seinen selbstironischen Witzchen ("So, wir sind Nightwish aus Finnland. Und heute spielen wir hier im Nokia Theatre. Ich frage mich, warum sie uns hier rein gesteckt haben...") und schafft mit seinem Beinahe-Solo 'The Islander' sogar Gänsehaut-Atmosphäre. Die Setlist präsentiert wieder einmal die bereits geprobte Mischung zwischen alten und neuen Songs. Neben der Single 'Amaranth' vetreten 'Cadence Of Her Last Breath', 'Sahara' und sogar 'Whoever Brings The Night' den Longplayer "Dark Passion Play". Letzteres Lied kann allerdings live ebenso wenig überzeugen wie auf der CD selbst. Auch das 14-minütige Epos 'The Poet And The Pendulum' gibt sich die Ehre und funktioniert live erstaunlich gut. Aber die Fans wollen natürlich auch die alten Lieblingslieder hören, auch mit der neuen Stimme der Combo. 'Wishmaster' darf hierbei logischerweise ebenso wenig fehlen wie 'Sleeping Sun' oder auch 'Slaying The Dreamer', das dank Anettes Interpretation nichts von seinem Drive eigebüßt hat. Das Schlusslicht bildet wie gewohnt 'Wish I Had An Angel', dann erklingt das "Blood Diamond"-Soundtrack-Stück 'London' als Outro.

Obwohl die Setlist etwas kurz ausfällt (Anette möchte ihre von der Erkältung angekratze Stimme noch etwas schonen) und die Atmosphäre teilweise nicht richtig aufkommen will, kann man auf einen durchaus gelungenen Abend zurückblicken. Die hübsche Schwedin hat die Feuertaufe bestanden, Fans und Band sind happy und können mit Selbstvertrauen in die Zukunft blicken. Auf dem Weg nach draußen sieht man eigentlich nur zufriedene Gesichter; hier und da schaut jemand mal etwas miesepetrig aus der Wäsche, doch vielleicht sind sich diese Personen auch erst im Nachhinein der Bierpreise bewusst geworden.

Setlist:
Intro
Bye Bye Beautiful
Cadence Of Her Last Breath
Dark Chest Of Wonders
Ever Dream
Amaranth
The Islander
The Poet And The Pendulum
She's My Sin
Sahara
Whoever Brings The Night
Sleeping Sun
Slaying The Dreamer
Nemo
---
Eva
Wishmaster
Wish I Had An Angel
Outro

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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