NEAL MORSE und THE FLOWER KINGS - Köln

01.03.2013 | 11:21

26.02.2013, Live Music Hall

Ein hochkarätiges Line-up proggt sich durch Europa, um jungen wie alten Jüngern die Plüschohren zurecht zu stutzen.

Gerüchten zufolge ist die Live Music Hall nicht annähernd ausverkauft, was die für dieses Line-up äußerst kurze Schlange an der Lichtstraße in Köln erklärt. Mit gut 35€ wird aber auch ein stolzer Preis abgerufen, um der "Prog Rock Roalty"-Tour beiwohnen zu dürfen. Doch mit THE FLOWER KINGS, NEAL MORSE & Band und einer 3/4-Mini-Reunion von TRANSATLANTIC verspricht dieser Abend, etwas Besonderes zu werden.

Ein Versprechen, das Roine Stolt und seine Kumpanen anscheinend ernst meinen, denn die Prog-Urgesteine aus Schweden sind erwartungsgemäß deutlich besser als vieles, was sonst unter dem Label "Vorband" rangiert. Gleich fünf ihrer Alben haben die Blumenkönige ausgepackt, das aktuelle Opus "Banks Of Eden" ist lediglich mit zwei Nummern vertreten. Zum Glück ist aber 'Numbers' darunter, mit dem die Show eröffnet wird. Die zahlreichen TFK-Neulinge im Publikum nehmen das halbstündigen Epos sehr wohlwollend an, die Band besticht durch ihr tolles Spannungsverhältnis zwischen virtuosem Prog-Gefrickel und atmosphärischen Momenten, bei der man jederzeit befürchten muss, eine Stecknadel fallen zu hören.

Obwohl Roine mehrmals zugibt, Song- und Albumtitel gerne zu vergessen, kann er sich alles, was mit seiner Gitarre zu tun hat, offenbar verdammt gut merken. Der nächste Song 'My Cosmic Lover' stammt vom ersten FLOWER-KINGS-Album in Bandbesetzung, "Back in the World of Adventures" und fügt sich nahtlos in das Best-Of ein, was wir hier zu hören bekommen. 'The Truth Will Set You Free' markiert dann den nächsten halbstündigen Song, es soll an diesem Abend nicht der Letzte sein. Das Publikum ist mittlerweile richtig warm und so in de Auftritt der Band vertieft, dass man meinen könnte, es folge gar kein Hauptact mehr. 'Rising The Imperial' ist der zweite Song, den wir vom aktuellen Album auf die Ohren bekommen, bevor mit 'Last Minute on Earth' und 'In the Eyes of the World' noch einmal zwei Live-Klassiker aus der Diskografie ausgegraben werden. Ein würdiger Abschluss für den Auftritt, so viel ist sicher.

So toll die FLOWER KINGS live sind, gehören vor allem Frontmann Roine, Keyboarder Tomas Bodin und Bassist Jonas Reingold eher zu den introvertierten Typen von Musikern. Kein Wunder also, dass der linke Arm von Mike Portnoy mehr Bühnenpräsenz hat, der es sich jetzt hinter einem für seine Verhältnisse äußerst bescheidenen Drumkit bequem macht. Zusammen mit Randy George bildet er das Rückgrat der "neuen" Liveband von NEAL MORSE, der ja auf verschiedenen Kontinenten öfter mal mit unterschiedlichen Musikern zusammenspielt. Davon ist an diesem Abend aber gar nichts zu merken, die um drei Musiker verstärkte Bande ist genau so hervorragend, wie man es von den anderen Besetzungen gewohnt war.

Vom ersten Takt an geht hier sprichwörtlich die Post ab, zunächst beim eröffnenden Duo 'Momentum' und 'Weathering Sky' vom 2012er-Output "Momentum", aber auch während der folgenden eineinhalb Stunden, in denen die sechsköpfige Truppe ordentlich einen vom Leder zieht. Mr. Morse ist als Frontmann prächtig in Form, wechselt wie üblich zwischen Gitarre, Keys und singt, feuert aber manchmal auch seine Mitspieler an, dirigiert und ist der unbestreitbare Mittelpunkt der Bühne. Mit 'Author of Confusion' folgt das nächste Highlight sofort, wo insbesondere die Satzgesänge á la GENTLE GIANT und die krummen Taktarten richtig Spaß machen.

Der Schwerpunkt des Sets liegt indes auf dem 2005er Album "?", wo mit 'The Temple Of The Living God', 'Another World', 'Sweet Elation', 'Entrance' und 'Inside His Presence' gleich fünf Songs zu einem großartigen Medley verbunden wurden. Obwohl es keine Ausfälle in der MORSEschen Diskografie gibt, ist das Fragezeichen sicherlich ein Highlight, was von den Fans dementsprechend frenetisch abgefeiert wird. Die Unisono-Parts, die rasenden Instrumentalabfahrten und die stimmliche Präsenz des Frontmannes sind wie immer über alle Zweifel erhaben. Besonders Neugitarrist Adson Sodré beweist über die gesamte Show hinweg seine Klasse und ist mit den anderen Neulingen Eric Gillette (Keyboards, Gitarre) und Bill Hubauer (Keyboard, Violine, Saxofon) ein richtiger Gewinn für Neal Morse. Dass die beiden die Music Man Signature-Modelle von John Petrucci spielen, wird Drumkrake Mike Portnoy ihnen sicherlich verziehen haben.

Nach dem tollen Rückblick widmet man sich wieder "Momentum" und holt mit 'Thoughts Part 5' zunächst einen echten Kracher aufs Parkett, der Erinnerungen an die Vorgängersongs auf alten SPOCK'S-BEARD-Alben weckt. Mit 'World Without End' steht dann der letzte Song an, der mit über 30 Minuten im Kosmos des NEAL MORSE keinesfalls eine Ausnahme bildet. Hier wird noch einmal alles aufgefahren, was die Musik des Prog-Propheten auszeichnet und die Band hat sichtlich Spaß an der Mammut-Nummer.

Noch mehr Spaß hatte man sich im Vorfeld von der TRANSATLANTIC-Zugabe versprochen, die nach der Bestätigung, dass Mike Portnoy bei der Europatour hinter den Kesseln sitzt, die Runde gemacht hat. Schließlich hat man nicht jeden Tag drei Viertel des TRANSATLANTIC-Line-ups auf einer Bühne. Nur Bassist Pete Trewavas (MARILLION) ist nicht mit von der Partie und wird im Folgenden von FLOWER-KINGS-Bassist Jonas Reingold und Randy George würdig vertreten. Den Anfang machen aber Neal und Roine im Duo, die Darbietung von 'Bridge Across Forever' verursacht genau so viel Gänsehaut wie ein "richtiger" Auftritt von TRANSATLANTIC. Und, das muss ich als langjähriger Fanboy zugeben, das lässt sich nicht über das folgende Medley sagen, das aus Material von allen drei Studioalben zusammengestellt wurde. Bei den Teilen von 'All of the Above', 'Strange In Your Soul' und verschiedenen Parts aus "The Whirlwind" spürt man, dass die beiden Bands noch nicht oft zusammengespielt haben. Das, was sonst Live-Miglied Daniel Gildenlöw (PAIN OF SALVATION) auf verschiedenen Instrumenten als Ergänzung zu den vier Protagonisten zu tun hat, ist jetzt auf die anderen Musiker verteilt, die bis auf FLOWER-KINGS-Neuling Felix Lehrmann allesamt auf der Bühne versammelt sind. Es mag auch am Mix liegen, der bisher auch in der ersten Reihe wunderbar war, dass jetzt plötzlich große Teile der Songs ziemlich lasch daherkommen. Keine Frage, es gehört zum Besten, was man sich an Retro-Prog auf Platte besorgen kann, aber heute Abend ist nicht die große TRANSATLANTIC-Gala. Ich meckere hier natürlich auf sehr hohem Niveau, angesichts der bärenstarken Gigs von THE FLOWER KINGS und NEAL MORSE war der Abend trotzdem sein Eintrittsgeld wert.

 

 

Setlist THE FLOWER KINGS: 'Numbers', 'My Cosmic Lover', 'The Truth Will Set You Free', 'Rising the Imperial', 'Last Minute on Earth', 'In the Eyes of the World'

Setlist NEAL MORSE BAND: 'Momentum', 'Weathering Sky', 'Author of Confusion', 'The Temple Of The Living God', 'Another World', 'Sweet Elation', '12'. 'Entrance', 'Inside His Presence', 'Thoughts Part 5', 'World Without End'

TRANSATLANTIC-Encore: 'Bridge Across Forever', 'All of the Above (Part 1: Full Moon Rising)', ''Overture (The Whirlwind)', 'A Man Can Feel', 'Lay Down Your Life', 'Stranger In Your Soul (Part 6: Stranger In Your Soul)'

Redakteur:
Nils Macher

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