MusicXtreme-Festival - Hanau

24.03.2007 | 13:51

10.03.2007, Halle 2

Die Frankfurter Konzertveranstalter musicXtreme haben am Samstag, den 10. 03. ihr erstes kleines Festival auf die Beine gestellt. Insgesamt sechs Bands der ausgesprochenen Hartwurstfraktion sind nach Hanau in die Halle 2 eingeladen worden, um sich durch die Nacht zu bolzen. Während sich meine Freunde aus der Hartrocknische in Aschaffenburgs Colos-Saal bei ROSE TATTOO vergnügen und sich Herr K. aus M. aufgrund einer Fußballveranstaltung in M. aus der Verantwortung zieht, mich zu chauffieren, nehme ich mir am Hanauer Hauptbahnhof dekadent ein Taxi, lasse mich in einem abgelegenen Industriegebiet vor der Konzertstätte des heutigen Abends absetzen und hoffe, dass mich dabei keiner sieht.

Gegen viertel vor sieben ist es in der Halle 2 noch reichlich leer. Und so tummelt sich nur ein kleines Häufchen Frühgeübter vor der Bühne, als SHIT FOR BRAINS als erste Band des Abends ihr Programm starten. Wie zu erfahren ist, hat es SHIT FOR BRAINS vor zehn Jahren schon einmal gegeben. Nach einer Kunstpause hat man sich – nunmehr etwas älter – wieder zusammengerauft, um ein bisschen zu rocken. Und für die undankbare Startposition eins in halbleerer Halle bekommen die Jungs das ganz gut hin. Eine halbe Stunde präsentieren sie, die ihren Auftritt am heutigen Abend offenbar den guten Verbindungen zu DISBELIEF verdanken, mit denen sie schon so manches Konzert zusammen gespielt haben, eine Mischung aus Death Metal mit einer Spur Punkrhythmus drin. Obwohl der Beifall noch verhalten ist, scheinen sich ein paar junge Headbanger vor der Bühne schon gut zu amüsieren. Der eine oder andere hat sicher auch schon fein tief ins Glas geguckt ...

In der Umbaupause kaufe ich mir eine Cola und ärgere mich darüber, dass ich zweimal anstehen muss. So werden die Getränke heute mit einem lästigen Bonsystem verkauft. Das wird sicher seinen Sinn haben, aber so was nervt mich immer ein bisschen. Zum Spannungsabbau kündigen sich dann SECRETS OF THE MOON an, eine mir bisher unbekannte Combo aus der Nähe von Osnabrück. Schon beim Umbau der Bühne kündigt sich Mystisches an. Zwei zweiarmige Kerzenständer werden im Hintergrund drapiert, am Bühnenrand flimmern zwei rote Ewiglämpchen friedhofsgemäß vor sich hin, und zu guter Letzt steckt jemand ein paar Räucherstäbchen an, die während des folgenden Gigs atmosphärische Düfte verbreiten.

SECRETS OF THE MOON sind vier junge Männer, von denen drei wieder diese beneidenswert langen Haare zur Schau tragen, die mich als Frauenzimmer immer blass werden lassen. Shouter S. Golden und Bassist Daevas haben die Augen dick mit schwarzer Farbe umrandet, während A. D. an der Gitarre während des gesamten Gigs lässig an seiner Zigarette herumkaut. Im Folgenden werden fünf düstere Songs geboten, die sich musikalisch zwischen Black Metal und Thrash bewegen. Hierbei fällt positiv auf, dass die Kompositionen noch ansprechende Melodieanteile aufweisen, ohne ein klimperndes Keyboard beteiligen zu müssen, gleichwohl aber der Gesang mehr ist als aggressionsentladendes Gekreische. SECRETS OF THE MOON verstehen es, mit wohldosierter Finsternis und lässiger Performance eine atmosphärisch überzeugende Bühnenshow hinzulegen. Belohnt werden sie dafür mit etwas Belebung in der inzwischen angewachsenen Publikumsmenge.

Bei den letzten Klängen der Düsterköppe aus dem Norden trudelt Herr K. aus M. ein und strahlt über den Sieg des heimischen Fußballclubs. Und so kommt er noch rechtzeitig, um SOLEIL NOIR zu betrachten, die einzige Frankfurter Band des Abends. Ihre Bühnenshow lebt im Wesentlichen von der ausgeprägten Agilität von Frontmann Maggot, der sich mit vollem Körpereinsatz ins Zeug legt und seine Dreadlocks durch die Luft schleudert. Von den übrigen Herren sieht man leider nicht so arg viel, da man sich offenbar entschlossen hat, ordentlich aus der Nebelmaschine auf die Bühne zu pusten. Meine schwächliche Digitalkamera nimmt da zuweilen nur weiße Schwaden auf. Leider wird das im Laufe des Abends nicht weniger. SOLEIL NOIR bieten stilistisch eine nur schwer einzuordnende musikalische Mischung: moderner Metal mit Einflüssen aus dem Bereich des Death Metals und des Alternative Rocks. Damit kommen sie in der Halle 2, in der es inzwischen kuschelig warm geworden ist, recht gut an und animieren ebenso wie ihre Vorgänger so manchen Headbanger.

Der unzweifelhafte Abräumer des Abends sind dann jedoch ENDSTILLE. Als Herr K. aus M. und ich von einer Runde Luftschnappen aus bitterer Kälte in die Halle zurückkommen, sind die Kieler schon mit voller Kraft zugange. ENDSTILLE bedienen alle Klischees des Black Metals und fahren damit ein herrliches Unterhaltungsprogramm auf. Corpsepaint und jede Menge Ketten, Leder und Nieten schmücken die Schwarzmetaller. Iblis am Mikrofon sucht engen Publikumskontakt und beugt sich bisweilen so weit über den Bühnenrand, dass er mit den Headbangern in der ersten Reihe fast zusammenstößt. Die Halle ist inzwischen wirklich voll. Auf ENDSTILLE haben offenbar viele gewartet, und daher geht es hier jetzt auch richtig ab. Ein Moshpit bildet sich und Sprechchöre zelebrieren "Endstille! Endstille!"-Rufe.

Als eher am Mainstream des Black Metals orientierte DIMMU-BORGIR-Hörerin habe ich Mühe, ENDSTILLEs Songs in allen Einzelheiten zu unterscheiden. Sie beeindrucken mich dennoch durch ihr bestechendes Spieltempo und die tornadoartige Heftigkeit ihrer Show. Sänger Iblis lockert die Show durch ein paar ironische Ansagen mit seiner tiefen Stimme auf, und dann rast er weiter durch den Set, bis die Fans am Ende lautstark eine Zugabe fordern, die sie dann auch bekommen.

Ein weiterer nicht unbekannter Name auf dem Festivalprogramm sind TOTENMOND, jene eigensinnigen Herren, die ihre Tonträger zuweilen mit morbiden Wortschöpfungen wie 'Fleischwald' und 'Kadavernazion' bereichern. TOTENMOND sind eine Spezies für sich. Bassist Senf erinnert mich mit seiner gegelten Haartolle an die Jugendphotos meines Vaters aus den fünfziger Jahren, und Sänger Pazzer ist während des Gigs kaum zu sehen, weil er wie bereits einige Vorgängerbands die meiste Zeit komplett im Nebel verschwindet. Vom Drummer ist überhaupt nichts zu sehen. Die übrig gebliebenen Fans in der Halle 2 scheint das nicht zu stören. Sie kennen TOTENMOND ja schon und wissen, was sie erwartet. Und die Begeisterung ist unüberhörbar. Neben mir brüllt jemand lautstark nach den Künstlern und macht dabei aus TOTENMOND auch mal Tittenmond. Ein anderer Held mit klebriger Jeanskutte hängt erschöpft am Bühnenrand und schläft fast ein. Den kann auch der Schnaps nicht mehr erwecken, den die Band im Plastikbecher während ihrer Show ins Publikum reichen lässt. Verzerrte Gesichter zeugen davon, dass es wohl ein fieses Stöffchen sein muss, das aber allemal erneut einen schwungvollen Moshpit vor der Bühne anheizt, wo jetzt viel Platz ist. Mich begeistern TOTENMOND nicht so. Ihre Attitüde ist mir nicht zugänglich und die musikalische Mischung aus – ja, was eigentlich, Thrash Metal und Grindcore mit Punkanteilen? - ist mir zu einströmig. Nur Aggression reicht eben manchmal auch nicht. Und die ob ihrer metaphorischen Aussagekraft als bemerkenswert geltenden Texte sind leider für den unbekannten Hörer kaum zu verstehen.

TOTENMOND bolzen bis kurz nach halb eins und Herr K. aus M. hängt schon kräftig in den Seilen. Das heutige Programm übersteigt seine üblichen Härtegrade bei weitem, und so will er gar nicht mehr bleiben, um DISBELIEF anzuschauen, die doch eigentlich der Höhepunkt des Abends sein sollen, der ja für die hessischen Extrem-Metaller gleichzeitig Release-Party ihres neuen Langeisens "Navigator" ist. Ich will unbedingt wenigstens den Anfang sehen, und so einigen wir uns auf einen Kompromiss: Nach den ersten zwei Liedern gehen wir heim. Offenbar geht es ein paar anderen Besuchern ebenso. In der Halle 2 ist's schon ein bisschen luftiger geworden als noch vor zwei Stündchen. Dennoch schlagen DISBELIEF schon mit ihrem ersten Song gut ein. Shouter Jagger sprüht vor Energie, und der neben ihm stehende Bassist Joe schüttelt sein Haupthaar, als habe er ein Kugelgelenk im Nacken sitzen. DISBELIEF empfehlen sich während der ersten beiden Songs mit einer ausgereiften Performance der härteren Gangart, die alle Genreerwartungen erfüllt. Und auch wenn mir selbst der größte Teil ihrer Show entgeht, glaube ich doch, dass die Fans der frühen Morgenstunde hier voll auf ihre Kosten gekommen sein werden.

Redakteur:
Erika Becker

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