Metal For Fairness Underground - Wien

27.03.2007 | 14:34

17.03.2007, Planet Music

Guten Abend Wien, der Underground lebt! Es ist St. Patricks Day, doch anstatt sich ums irische Guiness zu versammeln (das durfte man später eh noch an der Bar genießen), füllt sich das Planet Music mit einer amtlichen Fanschar, die beweist, dass der heimische Underground mehr denn je am Leben ist. Dass die ganze Sache auch noch für einen guten Zweck ist, ist umso erfreulicher, denn am Ende kommen laut Veranstalter 1.500 Euro zusammen, die den Spendentopf für ein Kinderdorf in Kambodscha füllen.

Den Anfang machen XENESTHIS, die leider schon zu recht früher Stunde auf die Bühne müssen und daher noch nicht so viele Fans beeindrucken können (und am Ende auch leider am letzten Platz der Wertung landen). Meiner Meinung nach sind die Musiker rund um Frontfrau Katrin irgendwie unterbewertet, denn was die jungen Talente hier vorstellen, ist zumindest live vom Allerfeinsten. Die Dame am Mikro agiert professionell, zeigt Freude daran, die Meute anzufeuern, und bietet bis auf ein paar kleine krumme Töne (passiert selbst den Großen mal) eine coole stimmliche Performance. Musikalisch bewegen sich XENESTHIS im melodischen, modernen Death-Metal-Bereich, irgendwo zwischen IN FLAMES und KILLSWITCH ENGAGE mit eingängigen Melodien, powervollen Riffs und cleanem, rockigem Frauengesang. Eine Band die man sich für die Zukunft auf jeden Fall merken sollte!

Nach diesem ersten Highlight kommt dann auch Moderator Roman Gregory von den österreichischen Rock-Urgesteinen ALKBOTTLE auf die Bühne, versprüht gleich seinen ureigenen Wiener Schmäh und bietet lustige Ansagen. Da verzeiht man ihm auch, dass er wegen Stau zu spät gekommen ist und sich ab und zu in seinen Zetteln verliert (beziehungsweise den Namen der nächsten Band vergisst).

Aber halb so wild, denn ARS AMATORIA mag zumindest ich mir nicht unbedingt merken, und selten hat mich eine Band nach fünf Minuten zur dringenden Flucht hinaus getrieben. Okay, FREEDOM CALL haben das auch schon geschafft, und die sind musikalisch mindestens genauso kitschig unterwegs wie ARS AMATORIA (obwohl diese noch mit Geige aufwarten und eher mit NIGHTWISH- und BLIND GUARDIAN-Pomp liebäugeln). Sorry, aber das ist gar nicht mein Fall, und obwohl die Jungs mit Sängerin an ihren Instrumenten bzw. stimmlich was drauf haben, so wirkt das Ganze einfach nur chaotisch und unnatürlich. Da war mir der ehrliche Charme von XENESTHIS viel lieber.

Ehrlicher Charme kommt auch von "Waschbärbauch" Bertl (ich hab mir die Ansage vom Gig im Wiener Monastery echt gemerkt!), der mit seinen Jungs das Planet Music "entwertet". ENTWERTER haben aber nicht nur einen äußerst kuriosen Bandnamen, sie lassen auch mit ihrer Musik mehr als nur einmal erstaunte Gesichter zurück. Durchgeknallte Ansagen (ja, wir fahren mal wieder mit dem Geisterschiff Bertl!), groovige Riffs und originelle Songs mit Crossover-Anleihen und freakigen, meist deutschen Texten machen ENTWERTER auf jeden Fall zu einem Wiener Original, welches man sich immer wieder gerne live ansieht.

TRASHCANNED sind am Ende nicht nur die Gewinner des Abends, sondern auch eine echte Überraschung und Bereicherung für den jungen Underground. Unglaublich, wie cool die Band auf der Bühne agiert und wie viel Gespür für gute Melodien die St. Pöltener Truppe beweist! Hier stimmt einfach alles, und vor allem die talentierte Gitarristin Cisl post wie die ganz Großen und zeigt, was Spielfreude heißt. Mein Award für die coolste Bühnenperformance wäre auf jeden Fall an die zwei Damen, Katrin von XENESTHIS und Cisl, gegangen ... Mädels, ihr rockt! Der melodische Death Metal mit Keyboard und ebenfalls einigen IN FLAMES-Anleihen geht gut ins Ohr, und vor allem die Gitarrenfraktion macht Stimmung auf der Bühne. Als sich dann noch Cisl und Bernhard gegenseitig in die Saiten greifen, um auf der jeweils anderen Gitarre ein Riff zu spielen, ist die Show perfekt. Verdient gewonnen, würde ich sagen (auch wenn ich OUTRAGE ebenfalls schon als Gewinner gesehen hatte).

OUTRAGE aus der Steiermark legen in Sachen Groove und Härte noch eins drauf und schmettern ihre Death-Thrash-Hymnen in ein begeistertes Publikum. Nach so vielen Bands und einigen alkoholischen Einheiten (sprich: nach ein paar Bierchen oder Vodka Red Bull zu viel) passt der nackenbrecherische Rhythmus von OUTRAGE bestens ins Konzept. Nicht umsonst kommt Sänger Markus im OBITUARY-Shirt auf die Bühne, da wurde eindeutig eine recht ähnlich groovige musikalische Richtung eingeschlagen, und die energiegeladene, routinierte Show macht es immer schwerer, sich in dieser Riege von talentierten Bands für einen Gewinner zu entscheiden.

Roman Gregory hat schon einen sehr eigenen Humor, denn LOW CHI werden für ihn sofort zu den "Feng-Shui-Beratern aus Salzburg". Ob diese Ansage als gutes Karma zu werten ist? Seltsam ist auf jeden Fall, dass die Salzburger scheinbar ein großes Geheimnis aus ihrem Auftritt machen wollen und in der Umbaupause ein großes weißes Tuch vor die Bühne halten. Den Sinn und Zweck der Aktion hab ich zwar noch nicht verstanden, aber vielleicht soll's auch fürs gute Karma sein? Musikalisch bewegen sich LOW CHI im Dunstkreis von SOULFLY, SEPULTURA und Co. und bringen sogar einen eigenen DJ mit auf die Bühne, der Samples einspielt oder mal hingebungsvoll durch ein Megaphon brüllt. Immerhin gibt's dafür den ersten Moshpit des Abends und einen vierten Platz in der Gesamtwertung.

Nach so vielen Bands scheint die Energie bei einigen Anwesenden leider schon zu Ende zu sein, und die LORDS OF DECADENCE, die heute außer Konkurrenz auftreten und den Headliner des Abends stellen, treten vor einem etwas reduzierten, aber nicht minder lauten Publikum auf. Die eingefleischten Fans der Wiener Melodic-Death-Heroes bekommen ein gewohnt geniales Set geboten, und die Spielfreude der Jungs steigert sich vor allem gegen Ende immer mehr, fast als wollten sie gar nicht mehr aufhören. Aber wer kann schon seine Begeisterung bei so geilen Ohrwürmern wie 'Demons In My Veins' oder 'Ronin Revolution' zurückhalten? Der Wechselgesang zwischen Norberts tiefen Growls und teilweise cleanen Vocals und Andys fiesen Kreischern wirkt dieses Mal noch besser, und zumindest mir kommt es so vor, als würden sich die LORDS OF DECADENCE bei jedem Gig noch weiter verbessern. Hallo Plattenfirmen, wann werdet ihr endlich auf die Herren aufmerksam? *g*

Nach dieser geballten Ladung an metallischer Kost dauert es nicht lange, bis sich Roman Gregory mit den Resultaten blicken lässt. Jede Band bekommt etwas geschenkt, von Eintrittskarten fürs Metal For Fairness am 12. Mai über Mikros bis hin zu einer Gitarre für den zweiten Platz (ENTWERTER), hier geht keiner leer aus. Den Siegern TRASHCANNED winkt ein Studiogutschein im Wert von 5000 Euro, gesponsert vom österreichischen Label Noisehead Records. Die nächste Scheibe ist also in der Tasche, und wer TRASHCANNED jetzt gerne live sehen möchte und dazu noch weitere nationale und internationale Top-Acts (EQUILIBRIUM, ONE MAN ARMY, etc.) genießen will, der sollte sich den 12. Mai freihalten: Metal For Fairness – die Party für den guten Zweck geht weiter!


Wertung:

1. TRASHCANNED (19,7 %)
2. ENTWERTER (19,0 %)
3. OUTRAGE (18,9 %)
4. LOCH CHI (14,6 %)
5. ARS AMATORIA (13,9 %)
6. XENESTHIS (13,8 %)

Redakteur:
Caroline Traitler

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