Marilyn Manson - Berlin

31.05.2003 | 11:17

11.04.2003, Volksbühne

Für manche war es der Gipfel der Glückseeligkeit, für viele der Absturz in tiefe Verzweiflung: Mr. MARILYN MANSON himself kündigte sich gerade mal 14 Tage im voraus für einen der zwei uuropaweiten "Grotesk Burlesk"-Events in der Berliner Volksbühne an! Laut Programminfo sollten in diesem Rahmen Teile des neuen Albums unplugged vorgestellt werden und außerdem die von ihm gemalten Bilder zu bestaunen sein. Des weiteren standen die Premiere des 'Mobscene'-Videos und das Vorab-Listening von "The Golden Age Of Grotesque" auf dem Plan und der Meister wollte sich in einem öffentlichen Interview zu seinen neuen Werken äußern. Die Ticketzahl war auf 200 Stück begrenzt, die Foren der MANSON-Pages übersäht mit Hilferufen von verzweifelten Fans aus ganz Deutschland und bei Ebay rollte der Rubel... . Ob man jetzt sechs Stunden lang für diese Karten gewartet oder einen weitaus höheren Preis als regulär bezahlt hatte - unwichtig. Ob man es nicht weit hatte und aus Berlin selbst anreiste oder sich ins Auto gesetzt hatte, um für diesen einen Abend von Süddeutschland in die Hauptstadt zu heizen - egal. Denn das alles war spätestens beim Betreten der Volksbühne gleichgültig geworden, war man sich doch sicher, dass man dabei ist!

Wie exklusiv dieser Abend werden sollte, stellte sich recht schnell heraus: Die Vorräume der Volksbühne waren zu einer Bildergalerie umgestaltet worden und nachdem die Jacken an der Garderobe abgegeben waren, machte man sich auf, diese zu begutachten (nicht die Jacken...). Wären da nicht diese vielen Reporter und Kamerateams gewesen, hätte man es vielleicht gar nicht gepeilt: Mr. MARILYN MANSON höchstpersönlich weilte ohne großartigen Begleitschutz bereits mitten unter dem Publikum und machte seine eigene Führung, bei der er an einigen Bildern stehen blieb und seine Statements diesbezüglich abgab. Von einer kleinen, in NS-Uniformen gekleideten Gruppe Mickey Maus-Soldaten mit Kopfverband begleitet, begab man sich in den linken Flügel des pompösen Gebäudes, wo der zweite Teil der Austellung wartete. Bezog sich der erste Teil ausschließlich auf MANSONs Wassermalereien, konnten dort in beeindruckender Größe u.A. die Cover zu "T.G.A.O.G." und "Mobscene" bestaunt werden, die in Zusammenarbeit mit dem Wiener Künstler Gottfried Helnwein enstanden sind. Dieser ließ sich auch nicht lumpen und erschien höchstpersönlich, um sich an der Führung zu beteiligten und Autogramme zu geben. Leider ließ der Geräuschpegel für so eine Aktion viel zu wünschen übrig, sprach man doch ohne Mikro. Außerdem hatte die Frontfrau einer bekannten deutschen Musikgruppe nichts besseres zu tun, als sich mit ihrer Clique an der Bar lautstark zu besaufen, was dem ganzen Ambiente schon ein wenig zusetzte... . Nachdem man per Theaterklingel darauf aufmerksam gemacht wurde, dass in Kürze der nächste (für die meisten wohl wichtigste) Programmpunkt anstand, begab man sich in den großen Saal, um seinen nummerierten Platz einzunehmen.

Vorher musste aber die weibliche Person, die selbigen Platz schon eingenommen hatte, mit freundlichen aber bestimmenden Worten darauf aufmerksam gemacht werden, doch bitte auf den ihr zugeteilten Sitz zu rutschen. Dass es sich bei dieser Dame um keine geringere als Bundestagsvizepräsidentin A. Vollmer handelte, stand erst kurz darauf fest und gab doch allen Grund zum Schmunzeln... . Als dann alle dort saßen wo sie hingehörten, wurde auf der großen Leinwand im Hintergrund der Ausschnitt aus dem Film "Bowling For Columbine" gezeigt, in dem MANSON sich zu dem Amoklauf in Littleton äußerte. Kurz darauf betrat er in typischer 30er Jahre-Tracht und unter lautem Gejubel die Bühne, begrüßte das anwesende Puplikum und sprach ein wenig über das neue Album. Dabei plädierte er für das Recht, Kunst fernab von Zensur präsentieren zu können: "'The Golden Age Of Grotesque' is the door out of a world which we can not escape..." Davon konnte man sich in der nächsten guten Stunde überzeugen lassen, denn hingegen aller Erwartungen fuhr man nicht mit dem unplugged Set fort, sondern mit der ersten öffentlichen Darbietung des neuen Albums. Das wurde zwar in wirklich angemessener Lautstärke präsentiert, man hätte jedoch in diesem Zusammenhang gut und gerne auch etwas fürs Auge beisteuern können, denn lediglich zwei große Bilder mit dem Manson-Mickey-Monster waren jeweils links und rechts der Bühne aufgehängt. Nach der ersten Hälfte des Albums zeigte man die vermeintliche Videopremiere von 'Mobscene', an dessen Clip Mr. MANSON regiemäßig selber Hand angelegt hat. Der Vorhang schloss sich und man durfte sich der zweiten Hälfte von "T.G.A.O.G." hingeben, wobei es nach jedem Lied Standing Ovations gab. Auch hier wäre eine optische Unterstützung nicht schlecht gewesen, dafür wurde man aber beim nächsten Programmpunkt himmlisch entlohnt: Das Model Dita von Tese, die bessere Hälfte MANSONs, legte vor seinen und natürlich der Augen der jubelnden Gäste in einem überdimensionalem Coctailglas einen Strip hin, der nicht nur das männliche Puplikum zum Kreischen brachte und der mit der Schlussszene des 'Mobscene'-Videos absolut identisch war. Das alles passierte natürlich in feinem 30er Jahre-Ambiente und in genau diesem Stil sollte es auch nach einer kleinen Pause weitergehen.

Auf der Bühne stand lediglich ein Konzertflügel (die Frage nach dem Rest der Band hatte sich damit erledigt), der von den zwei aneinanderfixierten Mädels aus dem 'Mobscene'-Video gespielt wurde. MANSON betrat die Bühne und stimmte die ersten Zeilen von 'The Dope Show' an, wobei im Hintergrund ein großes, altes Werbeplakat für Kokain auf die Leinwand projeziert wurde. Selbst unter Klavierbegleitung im Cabaret-Stil konnte dieser Song sicher überzeugen. Auch das zweite Lied gab allen Grund zur Überaschung: Das berühmte Whiskey Bar-Lied von den DOORS, der 'Alabama Song', wurde zum Besten gegeben, wobei man anmerken muss, dass Mr. MANSON sich in diesem Fall wohl eher von Bert Brecht und Kurt Weill hat inspirieren lassen, die diesen Text Anfang der Dreißiger verfasst haben.
MANSON, der für seine Verhältnisse ziemlich offen und gut gelaunt rüberkam, untermalte das Ganze mit bizarren Grimassen und ließ es sich schließlich nicht nehmen, dem staunenden Publikum die Klavier-Akustikversion von 'The Golden Age Of Grotesque' vorzustellen, während im Hintergrund "obszöne" Schwarz-Weiß-Pornobilder die Leinwand zierten. Die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten, denn nach einem kurzem "Thank You" verließ MANSON die Bühne und der Vorhang wurde wieder zugezogen. Nachdem der langsam anrollende aber donnernde Applaus verklungen war, hatte man sich (aus welchem Grund auch immer) ohne Zugabe-Schreie damit abgefunden, dass diese Show zu Ende war und manch einer machte sich auf, die folgende Party im Obergeschoss zu besuchen.
Unter Kronleuchterlicht und EMINEM-Sound ließen es dort die vermeintlich wichtigen Leute mit Schlips und Kragen "krachen", meiner Meinung nach hatte das Ganze ein bisschen zuviel VIP-Charakter: Zu viele Leute, die zu viel Geld auf der Toilette ließen, waren doch nicht so richtig mit dem vorher Erlebten in Einklang zu bringen, also konnte man sich nach 1,5 Stunden Aftershowparty ohne Gewissensbisse auf dem Weg nach Hause machen, um das Erlebte dort in Ruhe zu verarbeiten... .

Trotz der ziemlich kurzen Unplugged-Session war der Abend im Großen und Ganzen eine gelungende Aktion, bei der man nicht nur MARILYN MANSON hautnah erleben durfte, sondern auch viel über die weiterentwickelte Art und Weise seiner Kunst erfahren konnte, sei es in bildlicher oder musikalischer Form. Es kommt schon einem Geniestreich gleich, wie die Kunst der 30er Jahre in Verbindung mit purem Rock'n'Roll gekoppelt wird. MANSON hat sich mit "T.G.A.O.G." ein neues, breites Forum erschaffen, um dort seiner Kunst freien Lauf zu lassen. Von seiner Fähigkeit, sich selber zu promoten mal ganz zu schweigen, wird sich das neue Album nach einer kurzen Gewöhnungsperiode sicher den alten Sachen gegenüber behaupten können.

Gastautor Dirk Amels

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