MEGATON SWORD - Kassel

01.08.2023 | 23:28

03.05.2023, Goldgrube

Dieses Schwert ist gewaltig!

Also ich gelte mit Sicherheit nicht als der größte Connaisseur von Epic-Metal oder den besonders gangartklassischen Spielarten der härteren Gangart. Nein, ganz im Gegenteil. Meistens kann ich zwar das technische Know-How und die Songwriting-Kniffe nachvollziehen und wertschätzen, aber wirkliche Begeisterung kommt selten auf. Umso schöner, wenn es dann doch dazu kommt, dass mich eine Band oder ein Album aus diesem Genre wirklich nachhaltig überzeugt. So wie im Fall von MEGATON SWORD, bei dem ich mich für "Might & Power" im Februar-Soundcheck zu 8 Punkten verleiten ließ. Und auch jetzt würde ich diese Note immer wieder unterschreiben. Da mir auch die Vorgänger "Blood Hails Steel – Blood Hails Fire" und die "Niralet"-EP sehr gut gefallen, stand sehr schnell fest, diese Schweizer teste ich auch mal Live.

Und wie der Teufel es will, macht ausgerechnet die "Echoes From Niralet"-Tour von Dying Victims Productions Halt im beschaulichen Kassel. Dort entsteht nämlich mit der Goldgrube eine Konzert-Location, die nicht nur prädestiniert ist für diese Art von Veranstaltungen, sondern mittlerweile ein Programm auffährt, das als absolut herausragend zu bezeichnen ist. Guckt unbedingt mal auf deren Homepage. Was für Knaller da geplant sind, ist in der Tat eine "Goldgrube" für geschmackssichere Fans jenseits vom Mainstream.

An diesem Abend sollen neben den Epic-Metallern der Stunde auch die Österreicher von VENATOR als Abschluss aufspielen. Als Support hat man den beiden Truppen noch eine chilenische Thrash-Keule in Form von RIPPER und technischen Extrem-Metal von MISCREANCE an die Seite gestellt. Doch vor Ort dann bereits die erste Überraschung. Nix mit RIPPER – stattdessen gibt es SUPPRESSION auf die Ohren. Noch nie von gehört? Dito. Zwar kommen die Jungs auch aus Chile, sind aber mit ihrem ultrafiesen Death-Metal doch etwas weiter vom Thrash Metal ihrer Landsleute entfernt. Der Stimmung tut es keinen Abbruch ist doch der Sound schön transparent, druckvoll und auch nicht zu clean. Das würde auch nicht zu der Visitenkarte passen, welche die Band heute hinterlassen möchte. Mir ist das schon etwas zu heftig und auch nicht ganz plausibel, warum es zu diesem Package gekommen ist. Da ist wohl "Sound aus dem Underground" der einzige gleiche Nenner. Besonders schwierig ist die Tatsache, dass mit den Italienern von MISCREANCE dann direkt der nächste Hassbrocken auf das Publikum wartet. Hierbei handelt es sich zwar auch um Todesstahl, aber deutlich sauberer, technischer und anspruchsvoller gespielt. Der Name ist jedenfalls nicht Programm und durch die vereinzelten Gangshouts und kurzen, cleanen Passagen wirkt das schon sehr patent umgesetzt. Besonders, da der Schlagzeuger singt bzw. growlt und seine Mitstreiter die komplette Bühne ausfüllen, macht das ganze Konzert auch optisch einen sehr dynamischen Eindruck. Auch hier zeigen sich die Kasseler und Kasselaner engagiert und feiern MISCREANCE mit zunehmender Spielzeit immer mehr ab. Hier kann man bereits festhalten, dass die Zuhörer heute Abend eher nicht Fans einer bestimmten Band sind, sondern alle aus derselben Liebe zum Heavy Metal ihre Sachen gepackt haben und in die Goldgrube getigert sind. Das ist auch notwendig, da dieses Package es jeder Band zugesteht, volle Sets zu zocken. Nix mit 25 Minuten Alibi-Auftritten, hier gibt es genug Leistung für einen fast unverschämt günstigen Eintrittspreis von 18 Euro pro Person. Das ist aller Ehren wert – nur ich werde langsam etwas nervös, da MEGATON SWORD um 22:00 Uhr immer noch nicht angefangen hat und wir Mittwochabend haben.

Doch dann ist es endlich soweit und der Einstieg mit 'In The Black Of Night' ist massiv. Lange habe ich gerätselt, wie wohl der Opener gestaltet wird, da die Band ja, dank Pandemie, zu ihren ersten Veröffentlichungen auch nicht touren konnte. Doch dieser Knaller zu Beginn sorgt direkt für klare Verhältnisse. Der Club eskaliert und überall werden die Texte mitgegrölt und die Warrior-Faust in den Himmel gestreckt. Mit einer solchen Stimmung hätte ich nicht gerechnet. Und dieses Level soll auch bis zu den letzten Takten von 'Pristine War' nicht sinken. Hammerharte Performance der Schweizer! Dabei ist es die absolut richtige Entscheidung, die Interaktion mit dem Publikum auf das Allernötigste zu beschränken und nur die Musik sprechen zu lassen. Auch Fans von Showelementen gehen heute leer aus – hier muss das genretypische Styling der Akteure und zwei überdimensionale Schwerter als Bühnendeko ausreichen. Und was soll ich sagen – mir reicht das auch genauso. Hier lenkt kein Firlefanz von großartigen Hymnen, wie 'Songs Of Victory', 'Iron Plains' und 'Wastrels' (ohohoh geht auch ohne Kitsch) ab. Besonders hervorheben sollte man trotz einer klasse Mannschaftsleistung aber unbedingt Uzzy, welcher seine leicht kauzige, spleenige Gesangsdarbietung auch live fantastisch umsetzt. Er hat sichtlich Spaß an der Show und somit dankt es ihm auch die ganze Goldgrube in Form einer immer berauschender werdenden Stimmung. Meine beiden Highlights sind heute überraschenderweise die beiden Titelsongs, welche so großartig serviert werden, dass man eigentlich direkt nachbestellen würde, wenn man die Chance dazu hätte. Die mussten sich auf der Platte doch etwas weiter hinten anstellen, gewinnen aber durch die Live-Version nochmal deutlich an Intensität und Kraft.

Ich bin jedenfalls nach der Show platschnass und muss eine folgenschwere Entscheidung treffen. Da ich am nächsten Tag wieder arbeiten muss und noch eine knapp zwei Stunden Rückfahrt vor mir liegt, kann ich leider dem Auftritt von VENATOR nicht mehr beiwohnen und ärgerer mich, trotz einer Weltklasseshow von MEGATON SWORD, doch etwas warum man denn vier Bands in der Woche um 20:00 Uhr beginnen lässt, wenn man ihnen volle Sets zugesteht. Hinzu kommt natürlich, dass mich der Heavy Metal aus Linz mehr interessiert hätte, als zweimal derber Death-Metal. So aber bleibt mir nur "Echoes From The Gutter" auf der Rückfahrt zu hören und den Jungs die Daumen für ein tolles Konzert zu drücken. Für mich bleibt es bei MEGATON SWORD und einem großartigen Exkurs in eine epische Paralleldimension, die ich auch zukünftig ab und zu gerne wieder besuchen werde.

Setliste: In the Black of Night; Verene; Songs Of Victory; All Wicked Schemes Unite; For Glory; Iron Plains; Power; Wastrels; Blood Hails Steel - Steel Hails Fire; Cowards Remain; Pristine War


Redakteur:
Stefan Rosenthal

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