MAX & IGOR CAVALERA - "Return To Roots" - Köln

04.12.2016 | 20:32

02.12.2016, Essigfabrik

Zeitreise zurück in die glorreichen SEPULTURA-Zeiten.

Manchmal ist es verwunderlich, wie schnell doch die Zeit vergeht. Ich würde wetten, dass es manch einem so vorkommen mag, als hätte SEPULTURA gerade erst mit "Roots" den Thrash Metal revolutioniert, doch in Wahrheit sind bereits 20 Jahre ins Land gezogen, seit die Brasilianer mit dem Übersong 'Roots Bloody Roots' die Welt eroberten. In der Zwischenzeit ist jedoch viel passiert. So verließ Max Cavalera seine ehemaligen Mistreiter noch während der "Roots"-Tour, brach sämtliche Brücken zu seinen ehemaligen Freunden und seinem Bruder Igor ab und widmete sich fortan seinem neuen musikalischen Baby SOULFLY. Glücklicherweise folgte jedoch im Jahr 2007 endlich die Versöhnung mit Igor und die Gründung des gemeinsamen Projektes CAVALERA CONSPIRACY, mit dem die Cavalera-Brüder seither wieder die Metalwelt aufmischen. Anlässlich des zwanzigsten Jubiläums ihres Meistwerks nehmen sich Max und Igor nun jedoch eine Auszeit von ihren sonstigen Verpflichtungen und feiern den Anlass mit der "Return To Roots"-Tour, die an diesem winterlichen Freitagabend auch in der Kölner Essigfabrik Station macht.

Bevor jedoch die Zeitreise in die Neunziger beginnt, dürfen erst einmal die Münchener TENSIDE dem Publikum einheizen. Für alle langjährigen Fans von Mr. Cavalera sollten die Vier dabei keine Unbekannten sein, denn immerhin durfte die Truppe bereits mehrfach den Support für SOULFLY geben. Das in sie gesetzte Vertrauen zahlen die Jungs um Fronter Daniel Kuhlemann dabei auch heute wieder mit einem soliden Auftritt zurück und können von Beginn an die bereits Anwesenden mit ihrem eigenwilligen Mix aus Thrash und Melodic Death Metal überzeugen. Ganz besonders sticht dabei das starke Gespür der Jungs für eine perfekte Mixtur aus Härte und eingängigen Melodien heraus, die mich nicht selten an die großen Vertreter der Göteborger Schule erinnert, ohne dass das Quartett dabei einfach nur stumpf die klassischen Trademarks des melodischen Todesstahls kopiert. Abgerundet wird der bärenstarker Auftritt von der technisch blitzsauberen Performance und den sympathischen Ansagen von Fronter Daniel. Schade ist schlussendlich nur, dass viele Zuschauer lieber vor der Tür noch ein Bierchen oder die letzte Zigarette genießen und erst den Weg in die Essigfabrik finden, als die Münchener nach einer guten halben Stunde mit 'Reborn' bereits ihr Set beenden. Ich bin jedenfalls nach dieser nahezu perfekten Show schon sehr gespannt auf die neue Scheibe "Convergence", die am 13. Januar in die Läden kommt und freue mich auf ein Wiedersehen mit den Jungs bei der Clubshow im Kölner Underground, die Daniel kurz vor Verlassen der Bühne noch für den Januar ankündigt.

Im Anschluss verabschieden sich dann aber auch die letzten Raucher von ihren geliebten Glimmstengeln, sodass die Essigfabrik schließlich proppenvoll ist, als MAX & IGOR CAVALERA um kurz nach Neun mit 'Roots Bloody Roots' die Bühne entern. Angesichts dieses unsterblichen Klassikers gibt es dann auch wenig überraschend von der ersten Sekunde an im Publikum kein Halten mehr und so fliegen die Haare, während selbst gestandene Mittvierziger noch einmal den Weg in den Circle Pit finden. Konsequenterweise haben sich die Cavaleras anlässlich des Jubliäums dazu entschlossen, "Roots" komplett zu spielen und daher wird direkt mit dem famosen 'Attitude' inklusive der üblichen Einlage von Max am Berimbau und der Abrissbirne 'Cut-Throat' nachgelegt. Unterstützt werden die beiden Brüder auf der "Return To Roots"-Tour von ihren beiden CAVALERA CONSPIRACY-Mitstreitern Johny Chow am Bass und Marc Rizzo, der in den letzten Jahren zum Max' festem Sidekick in all seinen verschiedenen Bandprojekten geworden ist und der auch heute wieder eine herausragende Performance an der Gitarre abliefert.

Angestachelt von der bärenstarken Rhythmus-Sektion und vielleicht auch befeuert von den Klassikern seiner eigenen Vergangenheit, präsentiert sich auch Max wieder in allerbester Verfassung. Zu rechnen war damit nicht unbedingt, denn gerade in den letzten Jahren waren auch immer wieder Berichte über eher durchschnittliche Leistungen des Tribal-Metal-Königs zu hören. Heute ist davon allerdings nichts zu merken, stattdessen brüllt sich der Brasilianer souverän durch das einmalige "Roots"-Material, das unter anderem Klassiker wie 'Dusted', 'Spit' oder 'Straighthate' umfasst, die zum Teil seit Jahren nicht mehr ihren Weg in die Setlisten der diversen Bands des ehemaligen SEPULTURA-Fronters gefunden haben. Und wenn sich Max doch einmal lieber aufs Singen konzentriert, dann ist ja immernoch Marc Rizzo da, der diese Lücken mit fetten Riffs aus seiner siebensaitigen Axt füllt. Angesichts dieser famosen Performance ist es auch kein Wunder, dass die Cavalera-Brüder mit ihrer Nostalgie-Show locker jegliche Performance der verbliebenen Rumpftruppe von SEPULTURA in den Schatten stellen. Mit geschlossenenen Augen fühle ich mich dabei fast ins Jahr 1996 zurückkatapultiert. Ein Gefühl, mit dem ich sicher nicht alleine da stehe, wenn man nach dem stürmischen Jubel des restlichen Publikums urteilt.

Überstrahlt wird die hervorragende muskalische Performance eigentlich nur von dem einmaligen Gefühl, diese beiden Legenden der Metalszene dabei zu beobachten, wie sie gemeinsam ihren Meilenstein erneut auf die Bühne bringen. Natürlich ist die Versöhnung der Cavaleras bereits knapp zehn Jahre her, trotzdem habe ich Max und Igor vielleicht noch nie so ausgelassen zusammen auf der Bühne erlebt. So jammen die beiden recht spontan im späteren Zugabenblock zu einigen BLACK SABBATH-Riffs und sind auch die gesamte Spielzeit über zu kleineren Scherzen aufgelegt. Mitunter geht das sogar soweit, dass sich Igor vor lauter Lachen in 'Endangered Species' ganz kurz aus dem Takt bringen lässt. Abgesehen von diesem Ausrutscher ist Igor, den ich persönlich für einen der besten Drummer der gesamten Szene halte, aber praktisch die fleischgewordene Perfektion. Ganz besonders ist das beim famosen Drumsolo zu 'Itsári' oder dem Drum-Duell der beiden Cavalera-Brüder nachzuhören, das sie im Anschluss an 'Ambush' zum Besten geben.

Für mich dürfte die Show damit eigentlich überhaupt nicht enden, aber leider bietet "Roots" auch nur eine begrenzte Auswahl an Tracks, sodass schließlich nach etwas mehr als einer Stunde das reguläre Set mit 'Dictatorshit' ein Ende findet. Die Fans haben damit aber noch lange nicht genug und bringen den Vierer mit ihren "Zugabe"-Rufen schnell wieder zurück auf die Bühne. Wer jetzt aber mit weiteren SEPULTURA-Klassikern rechnet, der wird im Zugabenblock schnell überrascht, denn auch dort bedienen sich die Jungs konsequent der B-Seiten aus den "Roots"-Sessions und legen dementsprechend mit dem CELTIC-FROST-Cover 'Procreation (Of The Wicked)' und einer rasanten Version von MOTÖRHEADs 'Ace Of Spades' nach. Ein neues Arrangement von 'Roots Bloody Roots' inklusive High-Speed-Mittelteil und einer von Max initiierten Wall-Of-Death beendet schließlich um kurz vor Elf eine wahrlich schweißtreibende Show.

Setlist MAX & IGOR CAVALERA: Roots Bloody Roots, Attitude, Cut-Throat, Ratamahatta, Breed Apart, Straighthate, Spit, Lookaway, Dusted, Born Stubborn, Jasco, Itsári, Ambush, Endangered Species, Dictatorshit, BLACK SABBATH-Medley (nur Max & Igor), Procreation (Of The Wicked) (CELTIC FROST-Cover), Polícia (TITAS-Cover – nur Max & Igor), Ace Of Spades (MOTÖRHEAD-Cover), Roots Bloody Roots (2016-Version)

Alles in allem bleibt damit ein denkwürdiger und vielleicht einmaliger Abend, an dem Max und Igor dem legendären "Roots"-Album mehr als würdig Tribut gezollt haben und der gleichzeitig die Anwesenden für wenigstens gute zwei Stunden zurück in die glorreichen Neunziger versetzt hat, als die Welt bei SEPULTURA noch in Ordnung war. Bleibt die Frage, wann die nächsten runden Geburtstage für Klassiker wie "Beneath The Remains", "Arise" oder "Chaos A.D." anstehen? Also ich wäre definitiv wieder dabei, wenn die Cavalera-Brüder auf weitere Klassiker aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit zurückblicken würden.

Redakteur:
Tobias Dahs

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