MALMSTEEN, YNGWIE - Losheim

10.04.2003 | 09:20

27.03.2003, Eisenbahnhalle

Für Yngwie Malmsteen ließ ich mal meinen Kumpel und erfahrenen Metal-Veteran (war schon bei der Number of the Beast-Tour dabei) Thomas Behrendt als Gastschreiber ran, da es für ihn eine große Ehre ist, über sein Gitarren-Idol und Fuddel-König ein paar Zeilen zu schreiben. Es sollte vielleicht hier angemerkt sein, dass bestimmt auch einige im Saal waren, die einen komplett gegenteiligen Konzertbericht geben würden.
But näwerseläss, here we go:

Wir erschienen, nach einer Odyssee über die saarländischen Dörfer relativ pünktlich an der Eisenbahnhalle in Losheim. Dort hörten wir schon von draußen den Sound des Support Acts mit dem plakativen Namen BASTARD.
Nach dem Betreten der Halle und Sichten von Merchandising wandten wir uns der Bühne zu. Die Band BASTARD aus dem nahegelegenen Saarlouis wusste durch ihren bluesrockigen, AC/DC-lastigen Stil durchaus zu überzeugen und auch deren mitgereiste Fanbase zu begeistern.

Nach einer ca. 20 –30-minütigen Umbaupause betrat dann pünktlich um 21:05 Uhr der Headliner die Bretter. Mit ´Rise up`, dem zweiten Track des neuen Albums, `Attack` legten sich Mr. Malmsteen & Konsorten in gewohntem Stageacting auch entsprechend ins Zeug. Der Sound war laut, allerdings noch erträglich; wobei naturgemäß des Meisters Klampfe etwas den Gesamtsound überlagerte und so den Klasse-Gesang des neuen Sängers Dougie White etwas in den Hintergrund drängte (Der Meister duldet eben keine Götter neben sich). Doch ansonsten war der Gesamtsound für die etwas provisorisch anmutende Halle (Modell Eisenbahndepot) durchaus passabel. So ging es dann munter weiter in die nächsten Tracks vom neuem Album: ‘Ship of Fools‘ und ‘Stronghold‘, die durch groovige Rhythmusgitarre und griffige Refrains das Publikum sofort packten und den Stimmungspegel steigen ließen. Bis es nun endlich zum obligatorischen ersten längeren Gitarrensolo des Abends kam, wo der Maestro es seinen Jüngern auch direkt richtig besorgte. Dieses ging dann nahtlos in `Black Star` (Instrumental vom 84er Debüt Album `Rising Force`) über und mündete schließlich in Baroque&Roll (Instrumental vom aktuellen Album `Attac`), das auch wieder durch Yngwies typischen ureigensten neoklassischen Gitarrenstil geprägt ist. Die Virtuosität und gleichzeitige souveräne Performance mit der Yngwie sich präsentierte, setzt in diesem Genre einfach Maßstäbe. Das Charisma und die Bühnenpräsenz dieses Musikers sind und bleiben einzigartig und tragen mit Recht zum Mythos und Legendenbildung eines Gitarrenmagiers bei. Als nächstes kam dann wieder ein älteres Stück (die Akustikballade `Dreaming` vom 88er Album ‘Odyssey‘) zum Tragen, bei dem Yngwie auch seine Fähigkeiten an der akustischen Gitarre zum besten gab. Mit bestechender Präzision und glasklarem Klang zog er abermals den Zuhörer in seinen Bann.
Auch der neue Sänger Dougie White erhielt hier zum ersten mal die Chance die ganze Bandbreite und Ausdrucksstärke seiner kraftvollen wie melodischen aber auch einfühlsamen Stimme zu demonstrieren. Er spannte den Bogen von Ronnie James Dio bis Biff Byfort (Saxon) und zeigte sein gesamtes gesangliches wie stimmliches Spektrum, das er schon auf dem 1995er Studioalbum von Ritchie Blackmore´s RAINBOW ( Stranger in Us All) eindrucksvoll unter Beweis stellte. Ich sah ihn 1995 in der Phillipshalle in Düsseldorf (das Konzert wurde vom WDR-Rockpalast aufgezeichnet) und er blieb mir seitdem in lebhafter Erinnerung. Auf diesen etwas ruhigeren Moment folgten wieder zwei Kracher des neuen Albums ´Attack´: `In the Name of God` & ´Razor Eater´, deren Refrains nicht nur von Yngwie, sondern auch vom Publikum begeistert mitgesungen wurden. Hier zeigte sich sozusagen im Live-Einsatz die Stärke des neuen Albums, was für mich nicht nur durch die Gitarre, sondern auch vom Gesang und der Qualität des Songmaterials zum besten Malmsteen-Rockalbum seit dem 1995er Release ´Magnum Opus` zu zählen ist. Als nächster Programmpunkt folgte wieder einmal ein umfassender Gitarren- und Instrumentalteil. Ein Gitarrensolo leitete direkt über in das Instrumentalstück `Trilogy Suite Op. 5´ vom 1986er Opus ‘Trilogy‘. Ein klassisches Musikstück, bei dem Malmsteens Bach & Beethoven-Studien unüberhörbar sind. Hiernach ließ Malmsteen auch seinen Blueseinflüssen Raum und improvisierte eine Zeit auf ´Red House`, ein Tune eines weiteren Faves `Jimi Hendrix´ (incl. Wah-Wah-Pedaleinsatz). Darauf folgte ‘Cavalio Rampante‘ ein durch und durch klassisches Stück von Yngwies 98er Klassik Studio Album ´Concerto Suite for Electric Guitar& Orchestra in E flat minor Op.1`Millenium`, das er mit dem Tschechischen Philharmonischen Orchester Prag unter der Leitung des Conductors Yoel Levi dort einspielte. Während er die originalen Gitarrenlines des Albums live spielte, kamen die Orchesterparts komplett vom Band bzw. Keyboarder. Es existiert mittlerweile auch eine Live-DVD, auf der Yngwie sein gesamtes Orchesterwerk (sämtliche Kompositionen und Arrangements sind sein Werk) mit dem Nationalen Japanischen Philharmonischen Orchester Tokio Live darbietet. Es wäre zu hoffen, dass dieses auch einmal bei uns live aufgeführt würde, was aber wahrscheinlich aus kostentechnischen Gründen unmöglich sein wird.
Hier zeigte Yngwie auch wieder einmal seine gesamte musikalische Bandbreite und Potenz, die weit über den Horizont eines normalen Rockgitarristen hinaus reicht. Dies steigerte sich dann in eine seiner unnachahmlichen Gitarren- und Feedbackorgien, die an die besten Zeiten eines Jimi Hendrix erinnerten. Dies transportierte er mit einem Drive und einer Dynamik und verkörperte dies auch mit einer Authenzität, wie dies nur wenige Musiker heute noch erreichen. Er spielte auf dem Rücken, auf dem Boden, mit den Zähnen, schleuderte seine Fender Stratocaster durch die Luft, riss die Seiten heraus und deponierte sie dann auf der obligatorischen Marschallwand, um darauf die Bühne zu verlassen.
Die perfekte Inszenierung von Genie und Wahnsinn. Zeitweilig blitzte mal wieder die Genialität dieses Musikers auf und erzeugte eine magische Atmosphäre. Doch im Anschluss war dann die Zeit der anderen Bandmitglieder gekommen, ihre Fähigkeiten und ihr Können unter Beweis zu stellen. Alle Musiker der Band sind mir nicht bekannt mit Ausnahme des Sängers und so wartete ich dann gespannt auf ihre Performance. Zuerst ein Keyboardsolo was dem eines Mats Olausson (legendärer langjähriger Malmsteen-Keyboarder) in nichts nachstand, wie gehabt klassisch und virtuos.
Ich hatte eigentlich mit Derek Sherinian gerechnet ( ex – Dream Theater), da dieser auch das letzte Studio-Album mit eingespielt hatte, was sich aber nicht bestätigte. Wahrscheinlich ist auch er wieder ein Opfer der egomanischen Launen des Meisters geworden. Danach folgte der Basser, der sein Langholz mit der Spielweise eines Gitaristen bediente und ein konzeptionell klassisch ausgearbeitetes Solo präsentierte.
Zum Schluss noch der Drummer (könnte Patrick Johansson gewesen sein), der durch ein typisches Hardrock- , Double Bass-, Powerdrummingsolo voll zu überzeugen wusste. Alle 3 wurden so dann auch vom Publikum ausreichend abgefeiert. Obwohl mehr oder weniger unbekannt, zeigte auch hier der Maestro wieder mal, dass er immer noch in der Lage zu sein scheint, eine hochkarätige Band um sich zu scharen. Im Anschluss erschien auch derselbige wieder samt Sänger auf der Szene und weiter ging es mit einem Klassiker des 86er Trilogy-Albums `You don´t remember I´ll never forget´. Dieses wurde durch diverse Mitsingteile des Publikums und Gesangsduelle zwischen Yngwie & Sänger Dougie ausreichend zelebriert. Dougie fordete immer wieder das Publikum zu höchsten gesanglichen Leistungen heraus, da dieses auf einem Live-Album noch in diesem Jahr erscheinen solle. Er selbst erhielt auch wieder einen gesanglichen Soloteil, bei dem er noch einmal die Möglichkeit nutzte, die gesamten gesanglichen Potentiale und Facetten seiner Stimme zu zeigen. Darauf folgte eine weitere Huldigung an einen Gitarristen, der Yngwie entscheidend beeinflusst hatte: Ritchie Blackmore. Mit `Demons Eye` von ´DEEP PURPLE` ( vom 96er Cover Album Inspiration) und dem Track ‘Vallhalla‘ vom neuesten Malmsteen-Output ´Attac` ging ein phänomenales Konzert seinem Ende entgegen. Yngwie zog noch einmal sämtliche Register seines Könnens und bearbeitete seine Strat bis die Saiten qualmten. Erst dann verließ die Band unter lautstarkem Beifall nach knapp zwei Stunden (um 22.40 Uhr) die Bühne.
Das Publikum ließ aber keine Ruhe und forderte die Band noch einmal für eine Zugabe auf die Bühne. Hier präsentierte Yngwie dann noch eine Überraschung in Form eines ganz alten Alcatrazz-Klassikers. ´Hiroshima mon Amour` (vom 83er Album No parole from Rock`n`Roll) und dem mit lautstarken Zwischenrufen geforderten Klassiker: ‘Rising Force‘ (vom 88er Knaller Odyssey) bevor Malmsteen und Band nach Verbeugung und anhaltendem Applaus sichtlich zufrieden um 23 Uhr ( Die Bretter die die Welt bedeuten) verließen. Als Fazit bleibt für mich: Dies war nach acht Malmsteen-Konzerten, die ich mittlerweile seit 1990 (Eclipse-Tour) erlebt habe, sicherlich nicht das legendärste. Ich hätte mir noch ein paar seiner alten Klassiker gewünscht, eventuell ein paar Raritäten mehr und hätte stattdessen die Solo- & Instrumentalteile gekürzt. Dennoch, die Intensität, die ein Malmsteen-Konzert ausstrahlt, sucht heute immer noch seines gleichen. Yngwie hat seinen eigenen Stil geprägt und eine eigene Spieltechnik entwickelt. Er ist ein Innovator der Rockmusik und bleibt einer der ´Top Ten Guitarplayers of all time`. Eine lebende Legende, die jeder Gitarrist oder interessierte Musiker einmal erlebt haben sollte. Also wenn `Uns Inge` mal wieder in Eurer Nähe spielt, nichts wie hin, es lohnt sich immer.
Also dann bis zum nächsten Malmsteen-Gig: Get The Spirit and Rock on!

THOMAS BEHRENDT

SETLIST:
1) Rise Up
2) Ship of Fools
3) Stronghold
4) Guitarsolo / Black Star
5) Baroque & Roll
6) Dreaming
7) In the Name of God
8) Razor Eater
9) Guitarsolo / Trilogy Suite Op .5
10) Red House (Hendrix ) / Cavalio Rampante / Guitar solo ( Feedback)
11) Soloteil Band. A ) Keyboard B) Bass C) Schlagzeug
12) You don´t Remember I´ll never forget / Gesang solo
13) Demons Eye (Deep Purple)
14) Vallhalla
15) Hiroshima mon Amour (Alcatrazz)
16) Rising Force

Redakteur:
Tilmann Ruby

Login

Neu registrieren